Rote Linien
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1. Juni, „In Zukunft eine Regel: Es gibt keine Regeln“

„Ein vollständiger Sieg“

FDP schlägt Zentrum für psychologische Kriegsführung vor, norberthaering.de, 28.5.
Die Nato plant eine „kognitive Kriegsführung“ Nato-Broschüre The Three Swords 39/2023, The 21st-Century Game Changer. Cognitive Warfare, Kommandant Cornelis van der Klaauw von Strategic Communications and Information Operations des NATO Joint Warfare Centre, (übersetzt):
Kognitiver Krieg ist ein strukturierter und wohlüberlegter Ansatz, der darauf abzielt, die menschliche Kognition von Individuen, Gruppen und Gesellschaften so zu beeinflussen, dass ihre Entscheidungsprozesse und letztlich ihr Verhalten betroffen sind. S. 98.
Eines der vielversprechendsten Projekte ist die Entwicklung eingebetteter synthetischer DNA (sDNA). [...] Derzeit ist es möglich, 2,14 × 10^6 Bytes an Daten auf sDNA zu speichern. [...] Im Bereich des Neurocomputing können Implantate genutzt werden, um das Hören und Sehen zu verbessern. Darüber hinaus kann neurale Nanotechnologie verwendet werden, um nanoskalige Roboter über den Blutkreislauf in die Nähe eines Neurons zu bringen und so eine direkte Verbindung des menschlichen Gehirns (d.h. nicht durch unsere Sinne abgefangen) mit einem Computer zu ermöglichen, wobei künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. S. 101.
In Zukunft wird es in der Kriegsführung nur noch eine Regel geben: Es gibt keine Regeln. Während in anderen Bereichen taktische und operative Siege möglich sind, ist der menschliche Bereich der einzige Bereich, in dem wir einen vollständigen Sieg erringen können.

In the future, there will only be one rule in warfare: There are no rules. While other domains can provide tactical and operational victories, the human domain is the only domain in which we can secure a full victory.

Geimpfte sind grün, für Nato und Atomkrieg

Vor kurzem noch schrieb ich im Corona-Tagebuch Zitate, dass Ungeimpfte Verschwörungsmythen anheim fallen. Und Ungeimpfte gegen Nato seien.
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Aus meinem Corona-Blog, 2022:
STUDIE. Ukraine-Krieg: Mehrheit der Ungeimpften glaubt an eine Verschwörung […]
die NATO habe Russland so lange provoziert, dass dieses in den Krieg ziehen musste. derstandard.at, 7. Mai.
Ob Putin ungeimpft ist?
Russlands Präsident Wladimir Putin begründet den Krieg gegen die Ukraine mit der Expansion der Nato. dwn.de, 9. Mai.

Besonders auffallend an den Ergebnissen ist, dass Gegnerinnen der Corona-Maßnahmen und Impfverweigerer besonders offen für derartige Aussagen [sind]. Denn während gerade einmal 14,5 Prozent der Geimpften Verschwörungserzählungen rund um den Ukraine-Krieg zustimmen, sind es unter den Ungeimpften über 56 Prozent. derstandart.at, s.O.

Grünen-Wähler kaum betroffen. Verschwörungsmythen zu Ukraine-Krieg vor allem unter AfD-Wählern und Ungeimpften verbreitet. tagesspiegel.de, 5. Mai.
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Vor über einem Jahr, am 14. März 2023 tagte ein Symposium im Bundesverteidigungministerium, marshallcenter.org, Normative Strategic Competition in an Era of Choice, Symposium Aide Memoire, Federal Ministry of Defence, Berlin, 14 March 2023.
Darin die Ansicht, Deutschland leide unter Spannungen zwischen den Wählern - „Gewinnern“ und „Verlierern“ (diejenigen, die sich ausgeschlossen und nicht repräsentiert fühlen). In einer Demokratie würden diese Spannungen, bzw. Rechtspopulisten, die Demokratie untergraben, und die Solidarität für die Ukraine beeinträchtigen. Also Rechtspopulisten gegen Waffenlieferungen.

Die Nato-Broschüre widmet sich ihrer:
Menschen, die das Gefühl haben, dass sie in Institutionen nicht gehört oder richtig repräsentiert werden und dass die „Elite“ ihre Anliegen ignoriert, sehen im Populismus die Lösung ihrer Probleme, was sie besonders anfällig für kognitive Manipulation macht. S. 101. Die Lösung: DNA ins Blut → Weisheit durch KI. Deshalb Ungeimpfte gegen Nato?

Die Grünen (die, wie gesagt, ja auch gerne geimpft seien) werden auf dem Symposium gelobt: Sie befinden ihre früheren Werte - Frieden, keine Atomwaffen, Schutz wehrloser Frauen und Kinder - für unvereinbar. Zum Schutz von Wehrlosen billigen sie Krieg und Atomwaffen. Offenbar sind Wehrlose vor Atomwaffen geschützt und werden nicht betroffen. Germany’s Zeitenwende was shaped by values. The Ukraine war caused a shift in the strategic culture of the Green Party. Formerly compatible norms of pacificism, anti-nuclear outlook and protection of non-combatant women and children became incompatible when Russia invaded. Protection of the innocent was privileged above pacifism and anti-nuclear discourse.

„Es darf keine roten Linien geben, das hat uns diese Pandemie nun wirklich gezeigt. Wir müssen immer bereit sein umzudenken, wenn die Umstände es erfordern.“ Kanzler Scholz, stern.de, 12.12.2021.

Christoph und ich essen Abendbrot. Fällt dir nicht ein Künstler ein? Krieg in Medien, aber auf den Straßen unsichtbar. Leute im Café, selten ein Wort über Krieg. Fast nie. Leipzig feiert sich vom Wave Gothic Festival übers Weinfest ins Stadtfest hinein, um nächste Woche zum Bachfest überzugehen. Das Stadtmuseum hat eine Ausstellung über Queere. Und für Queere. „Queer Voices“. Man kann sich in rosa Kissen kuscheln, Museumsbesucher, und muss, um die Ohrhörer zu nehmen, liegend, die Köpfe recht nah aneinander stecken. Rotlicht, oder rosa. Kollege von der Aufsicht will den Dienst verweigern, nicht noch mal ganzen Tag im Rotlicht-Keller. Beim Zeichnen denke ich an Otto Dix. Golden-Zwanziger Jazzkapellen, Sex, Partygirls, dazwischen aber verkrüppelte Soldaten. Die gibt es derzeit noch nicht. Was ich in Straßen also sehe und zeichne, keine Trümmer, keine Panzer, ist das dieser kognitive Krieg, Krieg in den Köpfen?

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2. Juni, Köpfe zu Schlachtfeldern

Die Polizei hat fest gestellt, dass diese „Verschwörungstheorie“ kursiert: Bei der Corona-Impfung werde „gleichzeitig ein Mikrochip-Implantat in den Körper eingepflanzt, um die Menschheit zu bespitzeln (tracken) und zu dezimieren“. Prof. Dr. Stefan Goertz, Bundespolizei, Hochschule des Bundes Lübeck, polizeipraxis.de, 23.6.21, Absatz 2.2. Er zitiert aus rp-online.de, 4.3.21.
Wie die Theorie entstanden sei, wisse man nicht, nur wo etwa sie sich dann verbreitet hat, in QAnon-Kreisen und anderen, rp-online.de, ebd. Aber ist sie nicht sehr nah an der Nato-Theorie, Siehe Tagebuch gestern? Nato = Verschwörungstheoretiker? Darf man sicher nicht so sehen. Also welcher Teil davon ist nun die Verschwörungstheorie? Laut Nato will man DNA ins Blut injizieren, um ans Gehirn zu docken und KI dran zu schalten, „kognitive Kriegsführung“. Dann ist es wohl nicht das, was als Verschwörungstheorie bezeichnet wird. Vielleicht ist die Verschwörungstheorie, dass es speziell bei der Corona-Impfung beabsichtigt sei. Man müsste also erst warten und vielleicht andere Impfungen verdächtigen? Oder ist die Verschwörungstheorie, dass die Absicht das Dezimieren der Menschheit sei? Man beabsichtigt anderes.

The human mind becomes the battlefield. Countering cognitive warfare: awareness and resilience Johns Hopkins University & Imperial College London 20 May 2021, nato.int.

Keine Tabus

EU will aufrüsten: Das Schulden-Tabu wackelt. Die EU gibt so viel für Rüstungsgüter aus wie nie – und EU-Ratspräsident Charles Michel fordert mehr.
Die EU brauche mehr Raketen, mehr Munition, mehr Luftverteidigung, taz.de.

Westliche Truppen für die Ukraine: Fallen die Tabus? focus.de, 2.6.24.

Bei der EU fallen die Tabus, In Berlin spricht man von einer Zeitenwende, taz.de, 28.2.22.

Strack-Zimmermann will 900.000 Reservisten aktivieren, n-tv.de, 1.6.

Rote Linien werden rosa

Vor einem Jahr:
Scholz zieht rote Linien. Keine Kampfjets und Bodentruppen - „Darauf können sich alle verlassen“, n-tv.de, 25.1.2023.

Heute:
Deutsche Waffen in der Ukraine. Ist Olaf Scholz’ rote Linie nun rosa? spiegel.de.

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3. Juni, ... niemand wird dein Hirn durchwühlen

Christoph hat ein Zitat vom Pseudo-Varro:
Für jedermann ist die Zunge schädlicher als der Geist =
Deine Zunge bringt dich eher vor Gericht als dein Kopf =
Wenn du was falsches gesagt hast, landest du eher beim Verfassungsschutz, als wenn du's nur denkst.
Schließlich wird einem keiner „die Eingeweide durchstöbern“ =
das Hirn aufbohren, um nachzugucken, was er gedacht hat.


Lingua mente cuique nocentior est.
non rimaberis viscera ad videndum, quid senseris.

Sententiae Varronis 103f.

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7. Juni

Das Bachfest wird eröffnet, High society im Rathaus, im Festsaal des Museums erwartet. Sachsens Ministerpräsident, Vorstände der Bach-Gesellschaft und des Bach-Archivs, Koryphäen, Musiker. Kollege und ich bauen die Garderobe auf. Techniker richten ein Rednerpult ein. Catering-Firma arrangiert ein langes, buntes Buffet und eingedeckte Stehtische mit Knabberstangen. Kollege und ich sind vor allem fürs Zugucken zuständig: Meine Lieblingstätigkeit. Dass keiner Essen und Gläser etwa auf die eisenbeschlagene Einbaum-Truhe stellt.

Kurz vor Einlass stehen die Catering-Mädchen am Eingang stramm mit Tabletts, dass die Gäste, die zur Tür eintreten, sofort ein Wein- oder Sektglas haben. Ich nehme an, sie kommen direkt vom Eröffnungskonzert aus der Thomaskirche. Nicht viele Jacken und Beutel muss ich entgegen nehmen, ist Sommer.

Jemand hält die Eröffnungsrede, recht kurz, Willkommen, Danksagung, Lob, Andenken. Buffet wird eröffnet. Ich luge herum, ob ich den Ministerpräsidenten entdecke, noch nicht entdeckt, Kollege macht nicht den Eindruck, dass er ihn überhaupt entdecken will. Sarah Wagenknecht hat doch geäußert, mit Kretschmer zusammen arbeiten zu wollen. Ach ja? fragt mein Kollege höflich, aber desinteressiert. Die Catering-Mädchen schlängeln sich mit Getränke-Nachschub durch die Stehtische. Gäste dürfen sich auch in den historischen Vertäfelungs-Holzbänken entlang der Wände setzen. Die Galerie gemalter Ratsherren und Richter, Porträts aus dem 17. bis 19. Jh., die gesamten Wände rundherum entlang, blickt auf uns alle herab, lauter weiße und graue Barockperücken. Hier und dort richten sich Gäste auf Museums-Möbel oder an der Kasse mit Essen ein, Kollege und ich müssen sie dann freundlich bitten. Da endlich entdecke ich Herrn Kretschmer! Sieht genauso aus wie im Fernsehen. Ich sehe ihn vor mir, wie er Leute wie mich für bösartig erklärt hat, wenn sie eine Corona-Impfpflicht befürchtet haben.

2021 schrieb ich in mein Corona-Tagebuch:
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Letztes Jahr:
Niemand wird in Deutschland gegen seinen Willen geimpft. Auch die Behauptung, dass diejenigen, die sich nicht impfen lassen, ihre Grundrechte verlieren, ist absurd & bösartig. Lassen Sie uns Falschnachrichten & Verschwörungstheorien gemeinsam entgegentreten. Michael Kretschmer Twitter, 5.5.2020. Nicht „Impfzwang“ ist böse, sondern die Befürchtung. [„Und lassen Sie uns gemeinsam auch solchen Leuten entgegen treten.“ Ebd.]

Heute:
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer weicht von der Linie der Bundeskanzlerin ab und schließt eine Impfpflicht nicht mehr aus.
Er rede sogar von Zwang, wie er selbst sagt, das käme aber nicht gut an, deshalb überlege er sich eine psychologische Strategie: Der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sagte Kretschmer, dass er eine Impfpflicht zum aktuellen Zeitpunkt ablehnt, die Frage im Sommer aber neu bewerten will. „Es ist eine psychologische Frage. Immer dann, wenn ich über Zwang spreche, machen Menschen zu, die ansonsten noch erreichbar wären. Deswegen ist jetzt der falsche Zeitpunkt für diese Debatte“, sagte Kretschmer. welt.de, 27.2.21. Ob denn die Vermutung des „Impfzwangs“ heute immer noch bösartig ist?
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Wagenknecht fordert nun immer wieder eine Corona-Aufarbeitung. Aber:
Wagenknecht schickt Liebesgrüße an Kretschmer
[...] immer wieder Flirtattacken in Richtung Sachsen-Premier Michael Kretschmer (49, CDU). Der fahre ja beim Thema Ukraine und Russland einen anderen Kurs als etwa Friedrich Merz mit seinen Taurus-Raketen, lobt sie. Und auch Kretschmers Grünen-Bashing nimmt Wagenknecht dankbar auf. Deren Regierungsbeteiligung wären „der Worst Case für Sachsen“, so Wagenknecht im Kretschmer-Sound. „Neue Politik gibt es nur mit dem BSW.“ bild.de, 19.5.24.
Wagenknecht flirtet mit der CDU: Die Chefin von der Partei BSW lobt den Sachsen-Premier Michael Kretschmer für seine Ukraine-Politik und seine Anti-Grünen-Haltung weltwoche.ch, 21.5.24.

Ich stelle mir vor, derweil ich Herrn Kretschmers Abend mitorganisiere, ich würde ihn fragen, wie er seine Corona-Politik vorhat aufzuarbeiten. Aber selbstverständlich kommt es mir nicht zu, hier Fragen zu stellen. Eine rote Linie. Gegen Lohn bin ich heut Diener und sorge, zurückhaltend im Hintergrund, für einen reibungslosen Ablauf. Er, hoher Beamter, geht von Tisch zu Tisch und unterhält, Wortführer, viele Gäste. Ich stelle mir vor, wie er mit Barock-Perücke gemalt und in die Rathaus-Galerie eingereiht wird. Ich könnte doch malen.

Gegen 22 Uhr, als die Feier beendet und alle Gäste raus sind, öffnet der Kollege ein Fenster, die Bühne vom Markt spielt Bach, ein Dirigent im Rollstuhl wirbelt wendig herum, vor dem Chor steht ein „schweigender Chor“ mit synchroner Gebärdensprache – Chor macht Gebärdensprache. Johannes-Passion barrierefrei, inklusiver Gebärdenchor. Auch Taube sollen Bach „hören“, Mit den Augen hören, Johannespassion barrierefrei für Hörbehinderte singandsign.de. Ich zeichne den Platz voller Leute.

Das Bachfest ist eröffnet.

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8. Juni, Wahlomat

Morgen Europawahl. Gestern Test am Wahlomat gemacht: Fragen wie

Die EU soll mehr Waffen für die Ukraine finanzieren. Klicke ich Nein, bin ich also für Waffenlieferung, nur nicht für mehr.

Die Ukraine soll Mitglied in der EU werden. Wobei es schon längst drin zu sein scheint.

Mehr außenpolitische Entscheidungen der EU sollen mit Mehrheit statt einstimmig getroffen werden.
Bisher gilt Einstimmigkeit.
Diese Regel [Einstimmigkeit] gilt zum Beispiel, wenn die EU gegen einen anderen Staat wie Iran oder Russland Sanktionen verhängen will.
Ständig blockiert Ungarn wichtige EU-Entscheidungen mit seinem Veto. Kanzler Scholz und andere Regierungschefs wollen deshalb das Einstimmigkeitsprinzip in außen- und sicherheitspolitischen Fragen abschaffen. sueddeutsche.de, 22.9.22, Der Widerstand der Kleinen.
Draghi gegen Russland. de.euronews.com, Draghi will Reform der EU. Einstimmigkeitsprinzip soll weg.

Hin und wieder das Argument, dass so kleine Staaten wie Malta alles blockieren könnten, so wenige Einwohner gegen den Rest der EU, gegen unser aller Interesse, ungerecht.
Problem: Das Veto in der Außenpolitik blockiert die EU
In der Praxis bedeutet das: Die EU hat fast 450 Millionen Einwohner. Wenn die Regierung von Malta sich querstellt, dann kann diese „Macht“ von 475.000 Menschen (weniger EinwohnerInnen als Bremen / 0,1 % der EU-Gesamtbevölkerung) alles blockieren. So schaffen wir das Einstimmigkeitsprinzip in der EU endlich ab
Aber doch sind viele Deutsche, die durchaus Freundschaft mit Russland wollen, froh über Ungarns Veto,… Es steht nicht 100% Bevölkerung hinter jeder Regierung.

Ohne Veto wird jedes EU-Land Nato-konform. Nur noch 4 Länder, die in der EU, aber nicht in der Nato sind, neutral, Österreich, Zypern, Irland, Malta. Die Nato kann Russland also umzingeln, die Nicht-Nato-nur-EU-Länder müssen nicht auf Kriegsfuß mit Russland stehen. Doch ohne Veto müssen sie es, wenn die Mehrheit Sanktionen will. Kein EU-Land mehr neutral.

Betreiber sozialer Netzwerke sollen frei entscheiden dürfen, wie sie mit Desinformation auf ihren Plattformen umgehen.
R: Joa, frei entscheiden.
S: Nee!
R: Wie? Klar, bin ich für frei entscheiden, dass so akribische Journalisten wie Paul Schreyer oder Norbert Häring nicht mehr gelöscht werden müssen.
S: Aber ist doch sicher anders herum gemeint. Ausgehend vom Rechtsstaat mit freier Meinungsäußerung dürfen Plattformen nicht einfach löschen. Dann heißt „Ja“, sie sollen einfach löschen dürfen, ohne dass ihnen das Gesetz der freien Meinungsäußerung im Weg steht.
R: Ach so meinst du? Tja, wenn man nicht weiß, klick ich auf „neutral“.

Hoffentlich lassen sich nicht allzu viele ihre Entscheidung vom Wahlomaten machen.

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9. Juni, Bachfest

Morgens um 7 übernehme ich die Obhut der Alten Börse. Licht und Sicherungen anschalten, Dokument führen, oben im Konzertsaal stimmt eine junge Frau mit Wuschelkopf die Instrumente. Ich sitze unten und tue, was mich die Kollegin als allererstes angewiesen hat: Bringen Sie sich eine Beschäftigung mit.

Mittag, nette Mädchen in schwarzen T-Shirts mit Aufschrift Team Bach Archiv haben feierlich die schweren, rot gemusterten Vorhänge zu den Treppen-Aufgängen zugezogen und managen den Einlass, viele Leute auf einmal. Die Vorhänge sind nur geschlossen worden, um vor den Gästen festlich aufgezogen zu werden. Die obere Etage, der Konzertsaal, wird vollständig gefüllt, also müssen's 199 Gäste sein, notiere ich ins Dokument, weil stehen, laut Bestuhlungsvorschrift 199 Stühle. Die Hauptdame vom Bach-Archiv meldet, sie hätten noch 4,5,6 Stühle hinzu gestellt ohne Armlehne, weil kamen Leute nicht in die Reihen an den Armlehnen vorbei. Ich streiche durch und schreibe 205. Eine sehr schicke schwarzhaarige Dame eilt geschäftig und Bühnen-fertig strahlend von hier nach dort, eine Musikerin, und schließlich auch die Treppe hoch in den Konzertsaal. Vorhänge wieder zu, leere untere Halle. Oben beginnt das Konzert. Die Empfangsmädchen vom Bach-Archiv haben sich hinterm Tresen auf den Boden gesetzt, ich privilegiert mit Tisch, Tee und Stuhl in meiner Kammer am Fenster und Beschäftigung. Das ganze Haus erfüllt von Cembalo, Truhenorgel, Viola da gamba. Laut Programm Bach: Sonate g-Moll, BWV 1029 • G. P. Telemann: Sonate e-Moll, TWV 41: e5 • R. Sharman: Following Bach 1 • J. S. Bach: Sonate G-Dur, BWV 1027 • R. Sharman: Following Bach 2 • G. P. Telemann: Sonate a-Moll, TWV 41: a6 • J. S. Bach: Sonate D-Dur, BWV 1028.
Ich denke immer, dass musikalische Schwingungen in solchen Mauern und Wandvertäfelungen und Fassaden-Schnörkeln hängen bleiben und noch weiter ausstrahlen. So kurzweilig, dass ich überrascht bin, als schon zum Abschied applaudiert wird. Vorhänge feierlich aufgezogen, begeisterte Leute die Treppen herunter. Kaum wer, der Deutsch spricht. Die Musiker stellen sich auch unten noch mal zum Abschied auf und schütteln freudig viele Hände. Vanessa Hunt Russell, Stephen Moran, Rafaela Salgado.

Nachmittag. Typ Handwerker bauen die Instrumente ab, packen sie ein, tragen sie die Außentreppen der Börse hinunter in einen Transporter. Ich muss an jammernde Katzen in Boxen denken, im Auto zum Tierarzt, so muss sich das Cembalo jetzt fühlen. Aber ins Dokument muss ich nur eintragen, dass die Bühne sauber hinterlassen wurde, Flügel abgedeckt, laut Vorschrift steht nur noch Flügel und ein Hocker. Ich öffne alle Fenster, erstaunt, was eine Halle in zwei Stunden Konzert müffelt, und sammle feuchte Knautsch-Schnäuztücher aus den Sitzreihen auf, die der ein oder anderen Zuhörerin aus der Tasche gefallen sind, oder nachdem sich einer nicht so hat bücken können.
Ich werde von einer nächsten Handwerkergruppe überrumpelt, die mirnichts-dirnichts die eben bereinigt ins Dokument verzeichnete Bühne, schon unterschrieben, wieder voll baut. Elektro-Boxen mit Kabeln. Ich frage, weil's dokumentiert werden muss. Pfff, keine Ahnung, sagt er, die Frau *** meinte, wir hängen gleich Proben hinten dran. Mit wissendem Blick dann: Stück 39! Soviel kann ich sagen! Ich springe in die Wache rüber, die weiß auch nichts. Wieder in die Börse. Ich muss ein paar zufällige Touristen sehr höflich raus bitten, weil ist nicht öffentlich. Da ab nun wieder nichts zu tun ist, habe ich im Kämmerlein meine Beschäftigung. Coole Musik ertönt von oben, modern, aus der Musikbox. Schöne alte Instrumente stimmen ein, auch wieder ein Cembalo. Als ich wieder zur Bühne hoch gehe, ist also, nachdem das vorherige Cembalo abtransportiert wurde, ein nächstes antransportiert worden, und eine ganze Gruppe Musiker, Streicher, Bläser,...
Moderner Bach, super poppig, das Moderne heraus geholt, trance-artige Schwebe-Musik, Lauf-Musik, dabei das Tragische, Passion, Verhängnis, Triumpf,... Was meine Zeichnung hier damit zu tun hat? Sie ist vor paar Tagen skizziert und nun zeichne ich unter dieser Musik die Pflastersteine, klick klack, Linie Linie, klick klack,... Der Leser kann hier einen Eindruck erhalten: Ach Golgatha, ab Minute 32 Burak Özdemier, Musica Sequenza, Istanbul.

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Bald Dienstschluss. Börse ist 16 Uhr 15 abzuschließen. Die Musiker spielen unbeirrt, unabrückbar in Höchstform. Ich sehe kurz zu, aber kann mich nicht überwinden, die Passion zu unterbrechen, stapfe wieder runter. Darf ich denn überhaupt unbezahlt länger machen? Zur Wache rüber, fragen. Er schiebt die Unterlippe vor und kommt mit rüber, ob er was machen kann. Treppe hoch, die Musiker in Extase, wir stehen beide, um uns zu zweit nicht zu überwinden, sie zu unterbrechen. Sind ja noch paar Minuten, entschließt er sich, und geht wieder rüber. Ich erste Schließaktionen und Kontrollgänge unten. Schon wieder unbefugte Besucher in der Halle, oh Entschuldigung, ich muss Sie leider raus bitten, hier sind Musiker-Proben. Der Mann motzt mich an: Müssen Sie eben abschließen! Ich überlege kurz: freie Musiker ein- oder aussperren? Manche Touristen kommen wegen Bachfest angereist, aber wenn Organisationsarbeit hinter steckt, kennen sie nichts.
Musikstück kommt vollwertig entwickelt zum Abschluss, ich sprinte hoch, bevor das nächste beginnt. Ich frage, weil wird in 15 Minuten geschlossen. Ja, wir sind gleich fertig, alles klar, das Cembalo bleibt da, und für Technik kommt nachher die Firma so in 20 Minuten. Nur 15 Minuten? Dann setzen Sie sich bitte mit meiner Firma in Verbindung. – Welche Firma? Nein, Sie als Veranstalter sind zuständig. Ich zur Wache rüber, die ist entschlossen, dass pünktlich abgesperrt wird. Bleiben die Sachen eben drin. Die Musiker trudeln glücklich aus dem Saal und machen nebenbei Selfies von sich und Kronleuchter. Ich schließe alle Fenster. Notenständer und Geräte noch auf der Bühne verblieben, notiere ich bedauernd ins Dokument. Die eben hinaus beorderten, unbefugten, knirschigen Besucher schon wieder drin, schlüpfen heimlich in die Toilettentür. Na, das erlaub' ich grad noch. Aber fast hätte ich sie eingeschlossen, wenn sie erstens nicht hören können, und zweitens sich auch noch verstecken. Ich warte mit dem Abschließen. Nach ihrem verrichteten Geschäft schleichen sie sich wieder raus, ich grüße freundlich: Schönen Abend noch. Sie ignorieren mich mit ziemlich bösen Gesichtern und trotten im Schneckentempo zur Tür raus. Ich muss die schon kontrollierten Toiletten noch mal kontrollieren. Leicht verspätet schließe ich die Alte Börse ab.

Abends sitzen Christoph und ich am Markt im Café, die Open-Air-Bühne entwickelt nach Tagsüber-Schlaf abendliches Leben. Lautsprecher-Tests, Fiepen und Dröhnen. Und dann kommt diese Musik, die trance-artige, schreitende, moderne Bachmusik, das sind sie! Die Musiker von eben aus der Börse! Schreckliche Bühnentechnik. Der den Bass einstellt, denkt wohl an Rammstein, hat keine Ahnung von Bach, meint Christoph. In den Proben in der Börse lag der Bass so tragend und weich wie ein belebender Pulsschlag unter den klassischen Instrumenten, aber der Rammstein-Techniker dreht den Bass so auf, dass er brutal auf die Musik eindrischt, wie eine Axt es in Stücke zerhaut.

Zu Hause überrede ich Christoph zum Live-Konzert noch mal in die Stadt. Er protestiert gegen sein Klappstühlchen, sei ja schon wie Rollator. Guck mal, noch mehr Leute mit Klappstuhl. Die Stadt ist nicht in der Lage, außer paar Brettbänken ohne Lehne, was viel zu wenige sind, Aufenthaltsmöglichkeiten hinzustellen. Das Rathaus-Café macht pünktlich und unerbittlich zu, sobald ein Bachkonzert beginnt. Ich mache mir Sorgen, weil ich die Notenständer habe in der Alten Börse einschließen müssen. Was machen sie jetzt ohne Notenständer? Da treten sie auf die Bühne, Jubel, nehmen Platz, und das Konzert beginnt. Alles perfekt. Haben wohl Ersatz-Notenständer. Der Rammstein-Bass-Techniker ist offenbar überredet worden, dass es sich um Klassik handelt. Es wird dunkel und der Boden des Marktplatzes sitzt sich warm von der heißen Tages-Sonne. Christoph holt sich ein Bier. Der Musiker ist doll im Geschäft weltweit, Burak Özdemir, ob er mit Özdemier verwandt ist? Und was er aus so einem Fagott raus holt! In freakigem Disko-Hemd springt er beständig und spielt Fagott im Wechsel. Ich zeichne, und da ich diese Musik schon seit dem frühen Nachmittag hatte, finde ich, sie macht süchtig, mit ihr zeichnen ginge endlos.

Musica Sequenza: Kaori Kobayashi (Violine), Edi Kotlyar (Violine), Chang-Yun Yoo (Viola), Linda Mantcheva (Violoncello), Pedro Alcàcer (Bass), Charlie Zhang (Theorbe), Tilmann Albrecht (Cembalo), Leitung: Burak Özdemir (Fagott, Electronics)
Im Projekt „Sampling Baroque: Bach“ entwickeln Burak Özdemir und Musica Sequenza eine neue Art von Musik: frei von Ideologien, neugierig, klangorientiert und jenseits des jeweiligen musikalischen Ursprungs. Wo Barock auf zeitgenössische Klänge trifft, erklingen historische Instrumente des 18. Jahrhunderts neben Synthesizern und digitalen Klangelementen und versprechen musikalischen Expeditionen in die unentdeckte Welt des Elektrobarock.
bachfestleipzig.de

Lieber Leser, die genannten Musiker sind im Internet zu finden und auch Stücke zum Anhören.

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14. Juni, Militärische Lage

Nato versus Russland

Die Nato hat gegenüber Russland ein Vielfaches an Militär.

Nato Russland
Flugzeugträger 16 1
Militärisches Personal 7.628.782 3.570.000
Aktive Soldaten 3.390.797 1.320.000
Reserve 3.440.165 2.000.000
Luftstreitkräfte 22.308 4.814
Hubschrauber insgesamt 8.950 1.547

statista.de, Vergleich der Militärstärke von NATO und Russland im Jahr 2024

Alleine die USA geben schon 9 mal soviel Geld für Rüstung aus wie Russland. statista.com, Ausgaben 2023.

Pistorius heiter

Pistorius hält Russland für nicht sehr bedrohlich: Pistorius erwartet angesichts der Bedrohungslage durch Putins Russland kaum, dass junge Leute sich aus Angst vor einem Kriegseinsatz gegen den Wehrdienst entscheiden. Deutschland habe mit seiner Wehrpflicht-Armee die Erfahrung gemacht, dass es nie zum Konflikt gekommen sei, „weil wir wirksam abschrecken konnten“, sagt Pistorius. Es gehe darum, alles dafür zu tun, dass Deutschland in der Abschreckung so glaubwürdig und fähig werde, „dass es gar nicht erst zu einem Konflikt kommt und alle gesund und heiter nach Hause gehen können“. Eine Heiterkeit, die der Minister durch seine eigene unterstreicht. n-tv.de, 12.6.

Die „Hausnummer“

Pistorius schließt mit einer klaren Hausnummer: 2029. Ab dann, davon müsse man nach Einschätzung aller internationaler Militärexperten ausgehen, werde Russland in der Lage sein, „militärisch einen NATO-Staat oder einen Nachbarstaat anzugreifen“. Nun gilt es also, die Bundeswehr mit Blick auf 2029 „kriegstüchtig“ zu machen. n-tv.de, 12.6.
Also die Nato noch übermächtiger gegenüber Russland.

Wehrpflicht

Trotz dieser enormen Übermacht der Nato, meint Deutschland, jetzt wieder Wehrdienst zu brauchen. So werden wir auf Trab gehalten.
Beschluss auf Parteitag. CDU stimmt für Rückkehr zur Wehrpflicht
Die Wehrpflicht wurde 2011 von einer unionsgeführten Regierung ausgesetzt. 13 Jahre später fordert die CDU jetzt eine Kehrtwende. tagesschau.de, 7. Mai
Wehrpflicht: Wer muss zur Musterung? ZEIT.de, 12.6.
Fragebogen, Musterung, Auswahl. So soll die neue Wehrpflicht aussehen n-tv.de, 12.6.

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14. Juni, „Lesarten“

Noch eine Zeichnung vom Musica-Sequenza-Konzert-Abend. Lauter Skizzen warten auf ihre Ausführung und kommen nicht so schnell nach, wie's Neues über Krieg gibt.

Die „russische Lesart“

1990 stimmte Gorbatschow der deutschen Wiedervereinigung zu und zog, aus eigenen Stücken, seine Truppen aus Ostdeutschland ab. Der Westen hatte versprochen, die Nato nicht Richtung Russland auszuweiten.

Soweit unser Schulwissen und was wir im Allgemeinen als Grundlage gehalten haben.
Seitdem erweiterte sich die Nato aber um Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Albanien, Kroatien, Montenegro, Nordmazedonien. Russland immer näher, sieht mittlerweile recht umzingelt aus.
Amerikanische Truppen stationieren sich bis heute in Deutschland und sind nicht abgerückt.
2014 wird in der Ukraine die Russland-freundliche Regierung gestürzt und eine Amerika-freundliche errichtet (Maidan-Putsch).
2020 sahen Christoph und ich am Weimarer Bahnhof Züge voll Nato-Panzer auf dem Weg Richtung Osten.
2022, während längst Nato in der Ukraine steht, vor Russlands Haustür, schreitet Russland dann doch zur Tat, und der Westen ist überrascht.

Aber das soll die „russische Lesart“ sein:
Nach russischer Lesart gab es eine Zusage an den sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow, dass sich die Nato nicht ausdehnen würde. Bis heute beharrt Russland auf dieser Deutung. Die Archive sind da längst weiter. sueddeutsche.de, 23. Dezember 2021

Die „westliche Lesart“

Wir werden darüber belehrt, dass es sich 1990 überhaupt nicht um ein Versprechen gehandelt habe, das sei immer ein Missverständnis gewesen. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, Februar 1990, habe es zwar so gesagt:
„Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten. Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die DDR, die wir nicht einverleiben wollen, sondern das gilt ganz generell.“ Das hat Genscher tatsächlich so gesagt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Genscher gibt tatsächlich nur seine persönliche Haltung wieder. Die Äußerung war kein Zugeständnis in einer Verhandlung, sondern allenfalls ein weiches Signal [...] Er habe auch gar nicht die Entscheidungsbefugnis. swr.de/wissen/...

Oder:
Vor allem der Amerikaner Baker hinterließ in seinem Gespräch mit Gorbatschow am 9. Februar den Eindruck, dass ein vereinigtes Deutschland zwar Mitglied in einer „(politisch) veränderten Nato“ werden könne, deren Geltungsbereich aber „nicht ostwärts“ ausgedehnt würde (so festgehalten in seinen eigenen Notizen). sueddeutsche.de, 23. Dezember 2021
Aber das Weiße Haus, Präsident Bush, überrumpelt, schickte an Kohl eine Klarstellung. Kohl kannte beide US-Positionen und konnte keinen Zweifel an der Entschlossenheit Bushs hegen, als er im entscheidenden Gespräch mit Gorbatschow am 10. Februar die mündliche Formulierung wählte, dass „sich die Nato natürlich nicht auf das Territorium Ostdeutschlands ausdehnen“ werde. In diesem Gespräch erhielt Kohl die Zusage Gorbatschows zur Vereinigung. Gorbatschow stand natürlich unter dem Eindruck der Zusicherung Kohls, musste aber auch gewusst haben, dass der deutsche Bundeskanzler keine Entscheidung im Namen der gesamten Nato treffen konnte. – Ätsch, reingelegt, aber selbst Schuld. Muss er gewusst haben!

Es ist ein großes Verhängnis, dass zu diesen Fragen keine schriftlichen Verträge abgeschlossen worden sind. War Gorbatschow so gutmütig?

Aber sogar „Gorbatschow bestreitet energisch, betrogen worden zu sein“, erklärt ein Osteuropa-Historiker Ignaz Lozo. Ebd.

Kompromiss

1997 unterzeichneten beide Seiten die NATO-Russland-Grundakte. Darin erkennt Russland erkennt [sic] an, dass es kein Vetorecht gegen die NATO-Mitgliedschaft anderer Länder hat. Spätestens damit macht Moskau den Weg frei für die Aufnahme weiterer osteuropäischer Staaten ins Natobündnis. Moskau bekam dafür auch etwas, nämlich zum einen weitere wirtschaftliche Unterstützung, zum anderen auch eine Zusicherung, [...] „Es wird keine Atomwaffen in den neuen Mitgliedsländern geben. Es handelt sich um eine feste und verbindliche Zusage der Unterzeichnerstaaten.“, freut sich Jelzin. swr.de/wissen/...

Kurz: Russland selber erlaubt der Nato, näher heranzurücken, wozu auch immer, aber freut sich darauf, dass keine Atombomben drohen, statt dessen Wirtschaft und Handel betrieben werden. Sozusagen rückt die Nato in freundschaftlicher Absicht vor Russlands Tore. Nun, da sich Russland doch gegen Nato in der Ukraine wehrt, was ihm gar nicht zustehe, wird der Westen es auch nicht mehr mit seinen Handelsbeziehungen belohnen und etwa preiswertes Gas oder Öl von ihm annehmen. Wir werden Russland nicht den Gefallen tun, dass wir warm und in Wohlstand leben.

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15. Juni, Ausgang der Europawahl

Laut Google live vorläufige Ergebnisse.

CDU/CSU 30%
AfD 15,9%
SPD 13,9%
Grüne 11,9%
BSW 6,2
FDP 5,2

Vor sechs Tagen, am Abend nach der Wahl schon bekannt:
Union vorne, AfD auf Platz zwei, Grüne stürzen ab [...] Vor allem die Grünen sinken in der Wählergunst deutlich: Die Partei liegt bei 11,9 Prozent und damit weit unter ihrem Rekordergebnis von 2019 (20,5 Prozent) [...]
Für die Ampelkoalition ist die Wahl ein Dämpfer. Alle drei Parteien verlieren Stimmen.
Der Artikel nennt explizit CDU, SPD und Grüne mit dem Schlagwort „Frieden“. tagesschau.de, 9.6.
Scholz's Wahlplakat trug den Slogan „Mitte, Maß und Frieden“.
Und natürlich tritt vor allem das BSW, Sarah Wagenknecht, für den Frieden auf. Erstere meinen Frieden durch Waffen, Wagenknecht ohne Waffen. Auch AfD für Verhandlungen und Aufhebung der Sanktionen.

„Erfreulich“ wenig Frieden

„Mitte, Maß und Frieden“? – auf dem G-7-Gipfel ist davon erfreulich wenig zu sehen
Viele Deutsche erliegen derzeit der Friedenssäuselei von AfD und BSW – und der des Wahlkämpfers Olaf Scholz. Klaus Geiger. welt.de, 13.6.

Frieden klingt immer gut. Wer will denn keinen Frieden! Eine Binse also. Ein wohlfeiles Gerede, nicht mehr.
Carin Pawlak focus.de über Talkrunde bei Maybrit Illner, 14.6.

Angstmacher

Amira Mohamed Ali (vom BSW) warnt vor Waffen und Krieg, was gefährlich sei:
Wagenknecht-Getreue entlarvt sich im TV als gefährliche Angst-Macherin. Carin Pawlak focus.de über Talkrunde bei Maybrit Illner, 14.6.
Amira Mohamed Ali vom „Bündnis Sahra Wagenknecht“ weist die Nähe zur AfD weit von sich. Glaubhaft ist das nicht.

Ein Land übt mentale Kriegsverweigerung.
Während die Ukraine um ihre Existenz kämpft, fliehen die Deutschen in Ersatzdebatten über Völkerrecht, Anstand und Schweinswale. Kolumne Hendrik Wieduwilt. n-tv.de, 6. Mai 2022

Generation Kriegsangst
Warum die Älteren so große Angst vor dem Atomkrieg haben. Unter denen, die gerade besonders laut vor einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Krieges warnen, sind auffällig viele Ältere: Die Babyboomer-Generation ist aufgewachsen mit der Angst vor der Apokalypse. Millannials dagegen fällt der Ruf nach Waffenlieferungen leicht - zum Glück.
Peter Huth welt.de, 1.5.22

Auf der richtigen Seite

Auf der richtigen Seite der Geschichte. Erst in der Ukraine, jetzt in Israel: Joe Biden beweist moralische Klarheit und weltpolitische Führungskraft – gegen das Lager der Autokraten um Xi Jinping und Putin. Kolumne von Matthias Naß zeit.de, 25.10.2023

Wie Joe Biden: Auch Kanzler Scholz auf der richtigen Seite:
Sie [die G-7] beschlossen neue Sanktionen und Scholz stand fest in einer Reihe mit seinen sechs Amtskollegen. Nicht in der Mitte, sondern – auch das ein Zitat aus einer seiner besseren Reden zu diesem Krieg – auf der „richtigen Seite der Geschichte“. Klaus Geiger. welt.de, 13.6.

Unter Klaus Geigers Artikel darf die Leserschaft abstimmen: „Teilen Sie die Meinung des Autors?“ Ergebnis Ja: 125 | Nein: 224
Die Mehrheit dieser Leser ist auf der falschen Seite.

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17. Juni, Friedenskonferenz und drum herum

Die letzten zwei Tage hat eine Friedenskonferenz getagt. Und, blättere ich den Tagesschau-Überblick durch, die Liste der Artikel, finde ich davon kurz vorher fast gar nichts, bleibe also erstmal an anderen Artikeln hängen:

„Präsidentin-Macher“

Grüne nach der Wahlschlappe. Weniger Einfluss - und doch „Präsidentin-Macher“?
tatsächlich könnten die Grünen zu „Präsidentin-Machern“ werden. tagesschau.de, 13.6.

EU einig über Beitrittsgespräche mit Ukraine 14.6.

Böses China verlängert den Krieg

Die G7-Staaten wollen von China die Einstellung jeglicher Unterstützung von Russlands Rüstungsindustrie verlangen. [...] Die sieben führenden Industrieländer drohen zudem mit Sanktionen gegen alle, „die Russlands Kriegsmaschinerie materiell unterstützen“. Chinas anhaltende Unterstützung für die russische Rüstungsindustrie ermögliche es Russland, „seinen illegalen Krieg in der Ukraine fortzusetzen“, heißt es im Entwurf. tagesschau.de, 14.6.
Zur Vollständigkeit: Die anhaltende Unterstützung des Westens für die ukrainische Rüstungsindustrie ermöglicht es auch der Ukraine, ihren Krieg fortzusetzen.

Wagenknecht und CDU

Über das BSW hatte Merz am Montag gesagt, die CDU arbeite mit „rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen.“ Für Sahra Wagenknecht gelte beides: Sie „ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem.“ Heute revidiert er seine Meinung und könne mit solchen wohl doch zusammen arbeiten: Merz schließt Zusammenarbeit mit BSW auf Länderebene nicht aus tagesschau.de, 14.6.

Fußball

Einen Tag vor der Friedenskonferenz ist von morgens um 0 Uhr bis abends 24 Uhr in der Tagesschau nichts von einer solchen zu finden.

Die Stuttgarter Abfallwirtschaft bereitet sich auf die EM vor ebd.

Überblick: Start der Fußball-EM / Tempo-30 / Blutspendetag ebd.

Die Uni orientiert sich am Fußball. Nebenan auf dem Augustusplatz Bildschirme und Bühnen, Lärm und Tausende Fans. Dafür sollen Uni-Gebäude geschlossen werden. Während der Semester- und Prüfungszeit, Fußball wichtiger? Ach dann doch nicht, für Uni-Anlieger seien die Gebäude zugänglich. Mündliche Prüfungen bei den hellhörigen Fenstern!?

Am ersten Tag der Friedenskonferenz Nachrichten wie:
Schwarz-rot-goldene Hasenohren für Deutschland tagesschau.de, 15.6.

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Am Tag der Friedenskonferenz ab 18 Uhr vermehrte Infos:

Friedenskonferenz ohne Russland

„Wir werden auf diesem Gipfel Geschichte schreiben“. Selenskyj.
Russland war nicht eingeladen, weil es von Anfang an signalisiert hatte, ohnehin nicht an dem Gipfel teilnehmen zu wollen. Außerdem hatte sich Selenskyj klar gegen eine Einladung Putins ausgesprochen. faz.net, 15.6.
Bevor jemand ablehnt, laden wir ihn also gar nicht erst ein.

Mit dem Aggressor Russland reden - aber wie?
In der Schweiz hat der zweitägige Ukraine-Gipfel begonnen.
Der Gipfel in der Schweiz soll die Grundlage schaffen für mögliche Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland.
Im Vorfeld hat Putin Bedingungen genannt: Die Ukraine soll ihre Pläne für einen NATO-Beitritt aufgeben, und sie soll vollständig auf die vier Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja verzichten - sowie auf die Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
Das geht natürlich nicht. Deshalb: Zu dem Gipfeltreffen in der Schweiz war Russland nicht eingeladen worden - wohl aber Länder, die Russland nahe stehend gelten. Dessen wichtigster Verbündeter China hat allerdings abgesagt.
Am ersten Tag standen zwei Themen im Fokus: die Frage, ob und wie der Aggressor Russland in den weiteren Friedensprozess einbezogen werden kann. Und die Bedingungen, die Russlands Präsident Wladimir Putin am Freitag für einen Waffenstillstand und für Friedensgespräche gemacht hatte. [...] Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, Russland müsse an einem Friedensprozess beteiligt werden. „Es ist wahr, dass der Frieden in der Ukraine nicht erreicht werden kann, ohne Russland mit einzubeziehen“, so Scholz.
Setzt sich aber nicht durch: Die Nato-freundliche Regierung der Ukraine, die US-Vizepräsidentin, Macron, Van der Leyen finden Russlands Bedingungen inakzeptabel.
„Es ist ein Rezept für zukünftige Angriffskriege.“, meint Van der Leyen. tagesschau.de, 15.6.

Russlands zukünftige Angriffskriege

Wenn ich's richtig verstehe, heißt es also: Russland zog 1990 seine Truppen aus eigenen Stücken aus Ostdeutschland ab, vertraute – so die „russische Lesart“ – darauf, dass die Nato nicht nachrücken wollte, statt dessen Handel zwischen den Staaten betrieben wird. Trotzdem rückte die Nato nach – weil hat andere „Lesart“ – und zwar nicht nur nach Ostdeutschland, sondern bis in die Ukraine, bis vor Russlands Haustür. Weil sie Angst habe, Russland plane Angriffskriege (nachdem es – „russische Lesart“ – freiwillig abgezogen ist, und Handel betreiben will).

Frieden in weiter Ferne

Zweiter Tag des Ukraine-Gipfels Der Frieden ist noch in weiter Ferne tagesschau.de, 16.6. Viel Symbolik vor malerischer Kulisse. Zwei Tage lang wurde in der Schweiz über die Zukunft der Ukraine diskutiert. Nicht alle der 93 Teilnehmerstaaten unterzeichneten das Abschlussdokument. Das Ergebnis der Konferenz hat vor allem symbolischen Charakter.
Weil Russland seine Teilnahme ausgeschlossen und China seine Einladung ausgeschlagen hat, ist das Ergebnis der Konferenz vor allem von symbolischem Charakter.
Wohl gemerkt: Russland habe seine Teinahme ausgeschlossen! Aber es ist ja nicht eingeladen worden.
Ob, wann und wo Selenskyj und Putin an einem Tisch sitzen, bleibt unklar. Beide sind zwar gesprächsbereit, aber ihre Vorstellungen liegen weit auseinander. tagesschau.de, 16.6.

Letzte Woche war vereinzelt die Konferenz angekündigt, auch schon ohne Putin:
Ukraine-Konferenz in der Schweiz: Ohne Putin auf dem Weg zum Frieden? [...]
Die neutrale Schweiz richtet am 15. und 16. Juni eine Ukraine-Konferenz aus. [...]
Die neutrale und bündnisfreie Eidgenossenschaft, die aber die EU-Sanktionen gegen Russland mitträgt, fühlt sich als Vermittlerin berufen. [...]
„Die Erwartung ist nicht, dass wir bei der Konferenz einen Friedensvertrag unterschreiben, der direkt umgesetzt werden kann“, dämpft Bundespräsidentin Amherd den Optimismus. [...]
Präsident Selenskyj wird versuchen, möglichst viele Regierungen auf die Positionen Kiews einzuschwören. [...]
Hinter vorgehaltener Hand äußern Schweizer Offizielle jedoch die Befürchtung, dass Selenskyj das Treffen nach Belieben dominieren könnte. [...]
Putin hält den Schlüssel für Krieg und Frieden in der Hand. Doch hat die Schweiz Vertreter des Kreml-Machthabers „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht zu der Konferenz eingeladen. Russland habe „mehrfach, auch öffentlich, gesagt, dass es kein Interesse an einer Teilnahme an dieser ersten Konferenz hat“, heißt es seitens des Außenministeriums in Bern. [...]
Diplomaten bei den Vereinten Nationen betonen, dass sich die Schweizer mit der Nichteinladung in eine schwierige Lage manövriert hätten. „Das Ignorieren der Russen ist ein Fauxpas“, sagt ein Unterhändler. Gemäß der Neuen Zürcher Zeitung besteht noch die Möglichkeit, dass die Verantwortlichen in Bern im letzten Moment umdenken und Russland um Teilnahme bitten. Doch dann dürfte Putin den Eidgenossen die kalte Schulter zeigen.
Für [Russlands] Botschafter Gatilow ist klar: Ohne Russland mache das Stelldichein „sicherlich“ keinen Sinn. Nur die Hotelindustrie in der Region werde gewinnen, höhnt Gatilow. derstandard.de, 7. Juni

Putin Schuld

Das Institute for the Study of War hingegen sieht bei den Russen überhaupt keine Gesprächsbereitschaft: Putin halte an seinen maximalen Zielen fest, „die auf eine völlige Kapitulation der Ukraine und des Westens“ hinausliefen. Russland habe „kein Interesse an Verhandlungen mit der Ukraine, die aufrichtig sind“. Ebd.

Verkehrte Welt

Nur so gedacht:
Russland stellt sein Militär vor die Haustür der USA. Folgendermaßen: Es schließt ein Militärbündnis mit Brasilien, Venezuela, Columbien, Cuba, mit ganz Südamerika ab, stellt Panzer, Bomben, Flugzeugträger hin. Die USA warnen über Jahre, dass sie kein russisches Militär vor der Haustür wollen. Erst war Brasilien rote Linie gewesen, dann Columbien, dann Cuba. Zuletzt Mexiko: Die rote Linie zieht sich immer weiter zurück. 2014 wird Mexikos Regierung gestürzt und Russland-affin. Russland stellt Militär in Mexiko auf. Die USA, mit Russland vor der Haustür (rote Linie überschritten), greifen an. Die Medien schreiben, USA seien ein „brutaler Aggressor“, Russland könne das nicht hinnehmen, das Russland-affine Mexiko fordert Beistand, Russland fordert weltweit Staaten auf, sich gegen die USA zu wenden, denn wer weiß, auf wen sie als nächstes los gehen werden. Die neutrale Schweiz hält eine Friedenskonferenz ab und läd die USA nicht ein. Denn die halten an ihren „maximalen Zielen“ fest, an ihrer roten Linie, und haben „kein Interesse an Verhandlungen mit Mexiko, die aufrichtig sind“.

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21. Juni, das Fußball-Fest

Das Bachfest ist vorüber, und ich muss meinen Satz von zu Anfang ergänzen:
Leipzig feiert sich vom Wave Gothic Festival übers Weinfest ins Stadtfest hinein, um nächste Woche zum Bachfest überzugehen... – und vom Bachfest zur Fußball-Party.

Besonders die Fußball-Party erscheint in neuem Design: Vor Jahren zur WM zwar auch Massen an Fans, Bildschirme in jedem Pub, aber heute mit viel Polizei. Wo Fußgängerzonen anfangen, sind schwarze, mannshohe, viereckige Säcke aufgestellt, wie es aussieht, tonnenschwere, dass immer wieder Leute, weil wir solche Säcke nicht kennen, bemüßigt sind, zum Test gegen zu drücken, eine Frau vor uns hat im Vorbeigehen gegen geboxt, Box-Säcke. Und auch kegelförmige schwergewichtige Sperren auf Straße und Gehweg. Dient der Sicherheit, falls Terroristen mit Auto in die Fußgängerfußballfanmassen brettern. In unseren Wohnsträßchen campiert Polizei. Vor paar Tagen bestaunte ich einen Leichenwagen, schönes großes schwarzes Auto, hinten verdunkelt, und ich hatte spontane Einfälle, wer in der Nachbarschaft in Frage käme, da stand noch ein zweiter Leichenwagen, direkt vor unserer Haustür, und da käme altermäßig niemand in Frage. Frühzeitige Heimsuchung etwa? Beim genauer Hinsehen sind aber hinter den verdunkelten Scheiben Sitzreihen, also doch keine Leichenliege drin! Da fiel mir ein, dass zum Corona-Lockdown solche Autos, nur in ganz weiß, die Parkwege entlang patrouilliert sind, und wenn eine Mama mit zwei Kindchen auf der Wiese saß, sind schwer bewaffnete Polizisten ausgestiegen. Das wird's sein: Ist Polizei! Schwarz diesmal. Und um die Ringstraße, wenn wir an der Ampel warten, fahren schon mehrere solcher Polizei-Leichenwagen.

Heute haben die jugendlichen Nachbarn, er meist in grauer Jogging-Hose gestylt (er trägt sie so, dass die Absicht schick und gepflegt ist), und sie jedesmal zum Nichtwiedererkennen, BWL-Studentin, oder Jura, oder Disko-Party-Girl, oder Influencerin, oder Handballerin sportlich, oder in Tennis-Miniröckchen, oder Ukrainerin oder Ölscheich-Kurtisane - ich dachte schon mal, der Junge hat schon die zehnte Freundin, aber es muss wohl, zumindest ab und an, dieselbe sein - nun haben die beiden bei uns geklingelt: Ihr Auto vor unserer Haustür sei abgeschleppt worden, ob uns ein Parkverbotsschild aufgefallen sei, aber wir haben kein Auto und sind in Park-Angelegenheiten unaufmerksam. Wobei, eine Auto-leere Straßenseite, wenn man aus der Haustür tritt, wäre uns aufgefallen. Ja Ordnungsamts-Frauen, die Zettelchen an Autos klemmen, sind oft und emsig anzutreffen. Hinterher fiel mir ein, ob dieser Leichenwagen vor unserer Haustür etwa hat unseren Nachbarn abschleppen lassen, weil es in der besagten Parklücke stand? Lässt Polizei Anwohner abschleppen, um verdeckt zu parken? Zu krude.

Abends. Ich werde ungeduldig, weil meine Tagebücher dieser Schreiblastigkeit anheim fallen. Im Bodensee-Tagebuch hatte ich mal geschrieben, ein Maler ist jemand, dem das Malen besonders schwer fällt. Schreiben ist die Drückebergerei vor dem Malen. Die Maler-Faulenzerei. Fast wie Computerspielen. Nur mit der bequemen Ausrede, dass sie, weil's politische Reflexionen sind, einen Erinnerungsnutzen hat. Aber die Zeichenmotive warten nicht, das Grölen und Trompeten aus der Stadt dringt bis zu unserem Balkon. Und Christophs Büro im Turm der Uni verschafft uns das Privileg des besten Überblicks von oben, wofür viele Fußball-Fans Eintritt gezahlt hätten, dort sitze ich im Fenster und zeichne, Christoph arbeitet an Texten (ist kein Maler, bei ihm also keine Maler-Faulenzerei, echte Arbeit).

Ein Schriftsteller ist ein Mensch, dem das Schreiben schwerer fällt als allen anderen Leuten. Thomas Mann.
Schriftsteller sind bekanntlich Menschen, denen das Schreiben schwer fällt. Nur – bei den schlechten merkt man es. Hans Ritz.

Die kleinen Stroppelstriche in meiner Skizze muss man sich als Tausende, Zehntausende Fußballfans vorstellen, die meisten in Orange, ich glaube Niederlande. Und brüllen ein ohrenbetäubendes Getöse bis zu unserem Büro hinauf, dass einem blöd im Kopf wird, kurz dachte ich, schon dusselig, es gäbe noch Beschwerden aus Nachbarbüros über den Lärm in unserem Raum, dabei steht natürlich das ganze Gebäude, der ganze Augustusplatz unter Lärm. Außerdem, Dienstschluss, sind wir die einzigen hier im Turm. Vorhin waren wir auch so kleine Pünktchen da unten und haben uns umgesehen: Eine Bühne, und statt Kulisse oder Akteuren ein riesiger Bildschirm an der Bühnenwand, wo Fußball ausgestrahlt wird. Die Gattung Bühne oder Theater ist in den Bildschirm übergegangen. So etwas hatte Sedlmayr (Verlust der Mitte) noch nicht geahnt.

Wir wollten näher heran gehen, von vor Jahren (WM) gewohnt, dass zu Freilicht-Fußball-Bildschirmen immer freies Kommen und Gehen war. Aber es hat sich viel geändert: Viel Polizei, Zugangssperren, Regulierungen, Eintritts-Schlangen, man kommt nicht mehr einfach heran. Und das Gefühl, hier nicht entlang zu dürfen, dort falsch zu sein,... Zum Büro mussten wir ja direkt neben Polizei-Autos und Polizei-Schwadronen entlang, und wie Christoph neben denen den Rucksack abnahm, nach Schlüssel kramen, sah ich genau, wie sie guckten, in Rüstung und Waffen - Ich traue ihnen zu, dass sie den Philologen des Terrorismus verdächtigen, als holt er eine Bombe raus oder wär' Messerstecher, die moderne Polizei ist geschult, Gefahr zu „erkennen“, bei allem und bei jedem.

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Später sitzen wir, bis Mitternacht, im Barfußgässchen, mit Polizei nebenan auf dem Marktplatz. Manches Lokal hat mehrere Bildschirme, eine Bildschirm-Meile, viele Fans sind schon vor Spielbeginn auf Tischsuche getorkelt. Aller Augen auf Bildschirme gerichtet, dabei kräftig Bier geschluckt, und immer mal klug kommentiert. Der allgemeine Kleidungsstil, Trikots oder ärmellose Sport-Flatter-Hemden, betonen Armmuskeln und Bierbäuche. Ein Typ, der gut Bescheid weiß, schlägt sich die Faust in die Handfläche, als droht er einer Mannschaft Prügel an. Frauen kleiden sich genauso, gebärden sich breitbeinig lümmelnd oder Beine hoch, brüllen und saufen. Jemand klatscht schrill und plauzig in die Hände, also knallt mit den Händen, seh ich hoch, ist's eine Frau. Die andere, so verwundert wie ich, probiert es ebenso, stellt fest, dass da ein Unterschied ist, die erste knallt wieder und freut sich stolz über ihre kerl-artigen Fähigkeiten. Eine andere Art Frauen trägt so knappe Blusen und so lange Beine über den hohen Hacken, als Ausdruck dessen, dass sie großen Gefallen an diesen Sauf-Kumpanen hat. Alle warten gespannt wie in Startlöchern auf ein Ereignis, um gemeinschaftlich los brüllen zu können, ein- oder zweimal tritt so ein Ereignis ein. Im Barfußgässchen wird aufgesprungen und mit weit aufgesperrten Mündern gebrüllt. Warum habe ich nicht mitverfolgt, ich zeichne.

Bei fortgeschrittenem Spiel möchte die Kellnerin freundlich abkassieren. Oh, schließt das Lokal schon? „Nein, nein, wir haben nur Anweisung vom Chef, egal ob Stammgast oder Fußballfan, weil hatten wir letztens eine Gruppe, 70 Mann immer Bier bestellt und dann einfach abgehauen, nicht gezahlt.“ Wir zahlen unseren Wein und Aporol Spritz.

Auf dem Heimweg bedauert Christoph die Prostituierten nachher. Ich denke schon wieder an Otto Dix.

EM: Politik warnt vor Prostitutions-Anstieg
Während der Europameisterschaft könnte es in Deutschland zu einem deutlichen Anstieg von Prostitution kommen. Bei der Warnung schwingt Kritik an der Ampel-Koalition mit.
zdf.de, 8.6.24

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23. Juni, Geheimer Plan

Hier noch Zeichnungen von der EM im Barfußgässchen, Fans vor Bildschirmen. Das ist der optisch sichtbare und zeichnerisch skizzierbare Live-Alltag. Nachfolgend der parallele Medien-Alltag:

„Kriegstüchtig“ werden

Geheimer 10-Punkte-Plan: So soll ganz Deutschland „kriegstüchtig werden“ [...] Warum „geheim“?
„Unser Föderalismus muss verteidigungsfähig werden“, sagt Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU). [...]
Deutschland würde zwar wohl kein Frontstaat werden, aber „Drehscheibe Deutschland“ für Nato-Truppen auf dem Weg zur Ostflanke, das sind so die Vokabeln.
Wo es genau hakt, um den geheimen „Operationsplan Deutschland“ umsetzen zu können, ist auf der Fachebene schon länger Thema bei Treffen mit Vertretern der Bundeswehr. focus.de, 19.6. Seit wann wird nicht gesagt.

Gegen Desinformation

„Besonders im Verteidigungsfall müssen wir die Menschen überall in Deutschland schnell warnen können“ Thomas Strobl.
Als Aufgabe vor Ort sieht man auch die Weitergabe gesicherter Fakten, weil „vorsätzlich gestreute Falschinformationen Panik auslösen“ könnten: „Dies gilt besonders, wenn entsprechende Inhalte über soziale Medien verbreitet werden oder Netzstrukturen zusammenbrechen.“ Ebd.

Eigentlich möchte ich zustimmen, aber unwillkürlich muss ich an Corona denken, wo es anders herum war. Politiker haben es zur Absicht erklärt, Angst zu verbreiten. Wie könne man das erreichen: Als Beispiel nannte Kollaritsch [Tropenmediziner] dem Protokoll [Österreichisches Regierungsprotokoll] zufolge die Kommunikation rund um die britische Masernepidemie der 1990er-Jahre. Dort habe man mit der Angst der Bevölkerung gespielt. Als Vorbild. [Kanzler] Kurz verdeutlicht, dass die Menschen vor einer Ansteckung Angst haben sollen bzw. Angst davor, dass Eltern/Großeltern sterben. Hingegen sei die Angst vor der Lebensmittelknappheit, Stromausfälle etc. der Bevölkerung zu nehmen. nachrichten.at Es wurde „Stoppt die Corona-Panik“, Wodarg, gelöscht, oder von seriösen Qualitätssendern und Faktenchecks wegen Falschinformation vor ihm gewarnt. So herum geht's auch.

Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit wiktionary.org

„Sicherheitspolitische Bildung“

9. Die Bevölkerung für den Ernstfall ausbilden [...]
Zivilschutzübungen [...]
Die CDU-Vizechefin hält „eine intensivierte sicherheitspolitische Bildung“, mindestens aber eine Debatte darüber für notwendig, bereits jetzt gebe es eine Kooperation mit Jugendoffizieren: „Zivilschutzübungen an Schulen und Hochschulen sind im Rahmen einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung zu mehr Resilienz denkbar“ [...] „Insbesondere Schulen sollten hier nicht an erster Stelle stehen.“
Ich hatte politische Bildung an der Schule, das war noch die Zeit der Friedenspolitik.

Kulturelles Erbe

Das Berliner Landeskommando der Bundeswehr will auch einen Punkt in die Debatte bringen, den möglicherweise noch weniger Menschen auf dem Schirm haben: Wie sichert man das kulturelle Erbe? focus.de, 19.6.

Die letzte Frage stelle ich mir oft. Wenn eine Wasserstoff-Bombe alles pulverisieren kann, dass kein Stein mehr übrig bleibt. Wie rettet man Gebäude und Gemälde davor?

Der „Vater der Wasserstoffbombe“: Edward Teller. Angetrieben von seinem Hass auf die Sowjetunion trieb der ungarisch-amerikanische Physiker Edward Teller (1908 - 2003) seinerseits die Entwicklung der amerikanischen Wasserstoffbombe maßgeblich voran. Man schaltet vor den Fusionssprengsatz eine Atombombe. ardalpha.de/wissen/...
Hass scheint ein Bumerang zu sein, die Waffe kehrt sich einfach um, denn kurz darauf entwickelte Russland die größte solcher Bomben.

Wasserstoffbomben können hundert bis tausend Mal so starke atomare Explosionen erzeugen wie herkömmliche Atombomben. Die Sprengkraft von Atombomben wird häufig in Kilotonnen oder ein Tausend Tonnen TNT gemessen. Wasserstoffbomben hingegen werden generell in Megatonnen oder eine Million Tonnen TNT gemessen. dw.com

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Nachtrag 22. Juni

...und noch ein Fest: Heut gehen wir in die andere Richtung raus, Rosental. Kaum wieder zu erkennen, viel vorbereitet fürs Open Air Gewandthaus-Orchester, eine Bühne, etliche monumentale Bildschirme, Palisaden aus Toiletten-Häusern, vereinzelt Imbisse, eine Wiese Tausender Fahrradständer, und aufs Gras gemalte Fluchtwege auf offenem Platz. Zwei bis drei Stunden vor Beginn ein Zustrom von Leuten aus allen Richtungen, Klappstühle tragend, schleppen Taschen und ziehen Handwagen wie nach Großeinkauf für die nächsten Wochen. Zu 6 Wochen Vechta hatte ich so viel Gepäck. Sag, wie lang soll das Konzert dauern?

Christoph und ich warten zu Hause bis kurz vor Beginn. Ich will unbedingt teilnehmen: Leute im Sitzen und Liegen, bei Essen, Musik, Sonnenuntergang, machen die besten Figuren. Unser Akt- und Modellprofessor damals hätte die Studenten in solche Konzerte unter die Leute setzen sollen. Christoph und ich tasten uns kurzfristig vor, ob die Lage erträglich ist. Ist gut erträglich. Bürgermeister Jung und Ministerpräsident Kretschmer halten die Ansprache. Kretschmer bedankt sich bei allen Leipzigern für den tollen Zusammenhalt, den wir gestern bei der EM bewiesen hätten, und auch politisch, „Europa, wir halten zusammen“, dass wir alle gemeinsam für die richtige Politik gegen bestimmte Leute oder so ähnlich...

Das Orchester beginnt. Stücke aus der Film-Musik, Ben Hur, Herr der Ringe, Pink Panther, Charlie Chaplin im Programm. Ich zeichne, Christoph schimpft vor sich hin und hat ja Recht: „Das ist doch keine Sound-Technik! Die armen Leute schleppen ihren Hausrat da hin, n halbes Jahr haben die wahrscheinlich drauf gewartet und sich gefreut, die armen Tröpfe, damit sie nachher gar nichts hören!“ – da entfaltet sich nichts, als wenn sie unter der Bettdecke musizieren. „Du musst noch schreiben, dass das ganz lieblos gespielt war!“ Meine Zeichenmotive aber sind hin und weg, und darum geht's doch. Die waren schon auf der Anreise mit ihren Proviant-Karavanen in Hin-und-Weg-Stimmung und sind, egal was kommt, nicht davon abzubringen. Das erste Stück, Korngolds Unter Piratenflagge, ist extrem kurz. Kaum begonnen, ist es schon zu Ende, die Leute klatschen, Christoph schimpft, es sei gar nicht das ganze Stück, sei ja nur angedeutet worden. Der Moderator ist anders herum etwas unglücklich mit dem Publikum und wendet Rhetorik an – „Animator!“ meint Christoph. Die Leute geben sich Mühe und klatschen schon besser. Auch das zweite Stück ist extrem kurz, und alle Stücke werden offenbar nur angedeutet. Vielleicht sollen sie so schlecht spielen, weil's keinen Eintritt kostet, überlege ich. „Steile These“, meint Christoph, „Die spielen doch auch mit viel Bezahlung so“. Das Zeichnen ist zäh und frostig.

Nach einiger Zeit reicht die Toiletten-Hochburg nicht aus und stehen viele, viele Leute davor, schon bis in die romantischen Picknicks hinein, und wo ich sitze, stehen sie neben mir, wie ich zeichne, in der Toilettenschlange, und wahrscheinlich löst der Anblick des Toiletten-Sturms bei manchen, die bis jetzt nicht mussten, auch das Bedürfnis aus, wie bei Lebensmittelknappheit, wo alle hin müssen Nudeln kaufen, muss bei Toilettenknappheit das Rosental dringend auf die Toilette. Oder in Anbetracht vielleicht halbstündiger Wartezeit stehen sie vorsorglich an, falls sie nachher müssen. Vielleicht auch, weil es kühl ist. Christoph und ich rücken weiter, aber ich komme nicht gut ins Zeichnen. Wir geben auf und gehen vorzeitig, natürlich trotzdem zufrieden, nach Hause. Die Tausenden Fahrradständer haben bei weitem nicht ausgereicht, das ganze Rosental lang und an der Straße weiter stehen noch mal Tausende Fahrräder in den Büschen.

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24. Juni

Heute wieder ein Fußballspiel in Leipzig. Kaum jemand, der nicht rotweiß kariert ist = Kroate, oder blau = Italiener. Feuerqualm im Barfußgässchen, oh, es brennt! Nein, die feiern nur. Vermischt mit Bier-Geruch, tosend-brüllende Massen. Normale Passanten denken keine Sekunde daran, das Gässchen zu passieren und lebend wieder heraus zu kommen, gehen außen herum, durch eine Passage, auch dort Cafés tobender, saufender weißroter Karo-Muster, der Ausgang zum Markt hin völlig versperrt von Satyren, wir und viele hinter uns müssen umkehren, ich seh den hinter mir mit entsetztem Gesicht, wahrscheinlich gucken wir selbst auch so. Von der Thomaskirche aus herum zum Markt, der Bogen, ist begehbar, viel Polizei hält die Staße frei, Zehntausende Kroaten über den gesamten Markt vor dem Rathaus, Feuer, Fahnen, Trommeln, Pfeifen,... Die Italiener, „die Ganoven“, wie Christoph immer sagt, „die uns Deutsche doch nur übern Tisch ziehn“, erscheinen geradezu von schüchternem Temperament. Aber wo ist Christoph hin verschwunden? Wie soll sich in den Massen jemand wieder finden? Steht er plötzlich bei einem Schwadron Polizei und wagt sich's, mit ihnen zu streiten! Nach den Erfahrungen der letzten Jahre, wie Polizei schnell gereizt ist, seh' ich's schon vor mir, wie sie ihn fest nehmen! Aber heute sehen sie nett aus. Demonstrativ haben sie defensiv die Hände in die Schulter-Riemen gehängt, drehen dem aufgeregten Zivilisten die Seite zu, keinerlei Konfrontation, und antworten schlichtend mit freundlichen Gesichtern, sehr professionell, Schablonen-artig eingeübt. Christoph kommt kopfschüttelnd wieder zurück. „Das glaubst du nicht! Ich hab zu dem gesagt, die Corona-Demos haben sie verboten, wenn irgendwo ein einziges Stück Pyrotechnik von wem auch immer angezündet wurde, und hat Polizei auf Omas geprügelt. Und hier stehen sie am Rand und könnten nichts unternehmen, wie er sagt! Sie seien in der Unterzahl! Und es sei ja heut friedlich, sagt der! Die Fußballfans täten hier nichts Illegales. Sag ich: wenn keiner durch die Gassen und Passagen kann, und Feuer brennt? Die Cafés und Kellnerinnen sind dort ausgeliefert! Ja schon, das sei nicht legal, aber die Polizei könne da nicht rein, es sei zu gefährlich. Aber Omas verprügeln konnten sie doch!“ Ich stelle mir vor, wie sie Situationen gespielt und passende Ausdrucksweisen dafür eingeübt haben. Wenn die Zentrale sagt, die Demo bestünde aus bedrohlichen Demokratiegefährdern, sehen sie in einem Opi einen solchen, und sollen mit Aggression durchgreifen. Wenn ihnen gesagt wird, die Leute seien nett und feiern nur, lasst die mal ihr Feuer machen und bisschen randalieren, sollen die Polizisten freundlich auftreten. Ein und demselben Menschen wird von ein und derselben Polizei auf der bösen Demo böse geantwortet und auf der guten nett. „Der sagte, es sei überall Polizei auf den Dächern und im Hubschrauber, und würde alles aufgezeichnet, wenn einer Straftaten begeht, hätte man die Gesichter.“ erzählt Christoph. Ein Lautsprecher tönt: „Hier spricht die Polizei. Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass das Fußballspiel bald beginnt. Wer ins Stadion möchte, sollte sich langsam dort hin begeben.“

Das Rathaus-Café ist von Kroaten vereinnahmt, sind nicht in dem Sinne eingekehrt, sondern haben sich die Tische genommen und mit Plastik-Bechern und Bier eingerichtet, Pizza aus Pappkartons von irgendwoher. Betreiber und Kellnerinnen scheinen sich versteckt zu haben. An jedem Tisch stehen ein oder zwei Saufbrüder und spielen Akkordeon, alle Tische singen laut dazu, klatschen im Takt und bewegen die Beine. Reporter mit professionellen Kameras nehmen das lustige Volksfest auf, die Typen lächeln uns faszinierte Zuschauer einladend an. „Du, in der Slowakei haben sie auch nachts in den Lokalen laut angefangen zu singen. Viola hat erzählt, je mehr man nach Osten kommt, wird dort gesungen und getanzt. Wenn die feiern, mit Feuer und so, wirkt das vielleicht nur auf uns Deutsche so erschreckend“, überlege ich zu Christoph. Aber wehrlosen Lokalen die Tische weg nehmen? Haben ja keine Einnahmen und müssen den Schaden bezahlen.

Wir sehen nach dem Augustusplatz. Scheint heute diesmal vergleichsweise ruhig. Mehr blaue Gruppen, zivilisierte Italiener. An einem Lokal wagt eine blaue Gruppe laut und feierlich auch mal zu brüllen, beeindruckt niemanden. Am Markt steht jetzt ein großes Feuerwehr-Auto bereit. Feuerwehrmann spielt am Handy, alles im Griff.

Christoph und ich lassen uns abseitiger im Zuckerhut nieder. Am Nachbartisch Kroaten, die ein Bier nach dem andern, und eine Runde Schnaps auf die nächste bestellen. Der eine zahlt nach jeder Runde, kann deutsch, und sagt zur Kellnerin, es sei das erste mal in seinem Leben, dass er seinen Schnaps im Lokal bezahlen würde, darauf wolle er gleich noch einen trinken. Ansonsten sprechen sie kroatisch, aber zusehens schlechter, lallen wie bei Dinner for One, obwohl, je mehr sie lallen, es unserer Sprache immer ähnlicher wird, wenn Deutsche lallen. Hätte er nüchtern in klarem Kroatisch gesagt, er sei betrunken, hätten wir gar nichts verstanden. Sie singen ab und an, bald liegen sie sich mit Tränen vor Lachen in den Armen, mit roten Köpfen und Luftnot, und kommen aus Trinken und Lachen nicht mehr raus, können nicht sprechen und werden wohl nicht wissen, was denn eigentlich so lustig ist, stoßen versehentlich ein Glas um, die Kellnerin kommt aufwischen, ihm ist es sichtlich ein bisschen peinlich, er versucht mit großer Mühe auf Deutsch „Entschssch...ng, w ssssn schn bisssn betrung“, um sein Missgeschick zu erklären. Wir müssen auch heimlich lachen. Auf der anderen Straßenseite, in ganz anderem Lokal weiter weg ruft ein Tisch Italiener Slogans. Ein anderer Tisch Italiener in unserem Lokal ruft zurück, Passanten stimmen ebenfalls mit ein, Italia! Unsere Kroaten schlucken ihr Lachen runter, gucken und lassen's nicht auf sich sitzen. Hrvatska! Hrvatska! Gesprochen klingt's nach Kravatska, brüllen sie fröhlich zum Gruß, das bekommen sie hin, und heben die Gläser, zum Fern-Anstoßen mit den Italienern. Italiener antworten wieder, Kroaten und Italiener verstehen sich prächtig.

Wir sehen wieder beim Markt vorbei, die Horden sind offenbar zum Stadion verschwunden. Rundherum steht Polizei, und einsam in der Mitte nun eine Montags-Demo, zu 20, alte, nette Leute, fast niemand hört ihre Rede an. Das Barfußgässchen ist wieder zugänglich, Müll-Arbeiter haben schon das Gröbste weg geschafft und laufen emsig wie Termiten um den Rest. Das Lokal hat dicht gemacht, Schirme eingeklappt, Stühle und Tische rein geholt, wahrscheinlich schon vor Beginn der Party. Es stehen nur schlichte Bänke an Klapptischen, alles nass, es ist ein trockener heißer Tag, aber das Barfußgässchen ist nass und klebt an Schuhen, ich dachte Bier, aber riecht scharf nach Pisse, Kotze und Verbranntem. Die haben in der Tischrunde gepinkelt! Vielleicht weil die Lokale zu gemacht haben. In Nachbar-Lokalen sitzen noch Rotweißkarierte, recht gesittet, die nicht ins Stadion rüber sind, sondern an Bildschirmen. Kellner sehen verwirrt aus den Türrahmen, wie Überlebende eines Tornados.

Nach so einer Bekanntschaft mit den kroatischen Gästen sind wir aber neugierig, wie sie spielen. Zu Hause ZDF live. Christoph und ich sind fasziniert: unser Stadion, direkt in unserer Nachbarschaft, sehen wir im Fernsehen. Wir sehen im Fernsehen, was nebenan ist! Da sitzt die rotweiße Meute von eben, die das Barfußgässchen verräuchert und verpinkelt hat! Man sieht sie nur als Pünktchen am Bildschirm, aber wir wissen nun, wie besoffen sie sind. Bekommen sie dort im Stadion überhaupt noch etwas mit? Der Moderator weist nebenbei im Spiel drauf hin, dass Pyrotechnik im Stadion gezündet wurde, kurz kommt's am Rand mit in die Kamera: Sie zünden ihre Feuer im Stadion weiter! Soll aber dort wohl unterbunden werden. Der Fokus liegt auf Ball und Spiel, nicht auf dem Zuschauervolk, schade. Ob sie dort auch weiter Akkordeon spielen und singen? Im Spiel scheint Italien zunächst stärker, wie muss das die Rotweißen wohl grämen! Bei Niederlage wären sie raus aus der EM. Christoph hat Mitleid und fiebert immer mehr mit den Kroaten, aus Faszination für so hemmungsloses Feiern. Erst überschreiten sie rote Linien, und dann stellen wir fest, dass die Linien gar nicht so rot waren, wie wir dachten. Man kannte's nur nicht. Ein Toooor! Kroatien schießt ein Toooor! Was an Fouls gepfiffen wird oder nicht scheint wie immer etwas undurchsichtig. Das Unbegreiflichste aber kommt am Schluss, als eigentlich fest steht, dass Kroatien gewonnen hat, werden lange 8 Minuten Nachspielzeit angehängt – wo bloß kommen die denn her, ein Geschenk an Italien? Kommentator begründet's nicht. Und, teuflisch, fällt in der allerletzten quälenden Minute, in einer Stimmung, als hätt's wer unbedingt so einrichten wollen, ein Tor für Italien. Kroatien am Boden zerstört. Es macht uns etwas ratlos, sodass wir später nachlesen, wie's andere sehen. Das absurd bittere Modric-Drama
Der Modric-Wahnsinn ließ das Netz regelrecht explodieren. „Meine Fresse was ein Gänsehauttor“, jubelte ein User bei X. Ein anderer witzelte: „Der späteste Nachschuss aller Zeiten.“ sport1.de, 24.6.
„Acht Minuten, die waren keinesfalls berechtigt“, zürnte [der Trainer] Zlatko Dalic [...] : „Wir sind eine kleine Nation. Mich nervt es, wenn die Kroaten nicht respektiert und anerkannt werden.“ Anderen Nationen würde derartiges nicht widerfahren, so Dalic, der rhetorisch fragte: „Passiert das bei Portugal oder Spanien auch?“

Wir öffnen die Balkon-Tür und warten auf den Abzug jubelnder oder trauernder Fans, die zurück in die Stadt durch unsere Straßen ziehen. Aber es bleibt merkwürdig still. Nun, wer weiß, wie lang es dauert. So eine Menge aus einem Stadion. Aber die Nacht bleibt ruhig, alles wie aufgelöst.

2. Juli, „Politische Hygiene“

Unliebsamen Medien werden Konten gekündigt. „De-Banking“: Der lautlose Angriff auf oppositionelle Medien, mulitpolar-magazin.de, 24. Juni

Dieses Problem kann man seinen mitlaufenden Mitmenschen eigentlich nur auf eine einzige Art bewußt machen. Man sage zu ihnen: „Stell' dir vor, die AfD wäre an der Macht und würde Menschen, die eine andere politische Sicht haben, reihenweise die Konten kündigen und es ihnen verunmöglichen, neue zu eröffnen. Wie fändest du das?“ Leserkommentar Helene Bellis, ebd.

  • 2000: Postbank (damals noch staatlich) kündigt nach kritischen Presseberichten Geschäftsverbindungen zu „rechten Parteien“ wie „Die Republikaner“ und am 5. Januar 2001 zur Wochenzeitung „Junge Freiheit“, um einen „wichtigen Beitrag zur politischen Hygiene“ zu leisten.
  • 2009: Commerzbank (teilstaatlich) kündigt Privatkonten des Chefs der Marxistisch-Leninistischen Partei und seiner Lebensgefährtin.
  • 2013: Commerzbank kündigt einer Münchnerin wegen ihres in der kommunistischen Partei und als Bankenkritiker aktiven Sohns das Konto.
  • 2016: Bank für Sozialwirtschaft kündigt Konto der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, die die pro-palästinensische Israel-Boykottkampagne BDS unterstützt, richtet es nach öffentlichen Protesten wieder ein und beendet 2019 endgültig die Geschäftsbeziehung.
  • 2016: Commerzbank kündigt dem jüdischen Publizisten Abraham Melzer das Konto.
  • 2018: GLS-Bank kündigt nach einem kritischen Bericht der Taz der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung das Konto.
  • 2020: Deutsche Bank kündigt Konto des Corona-maßnahmenkritischen Arztes Bodo Schiffmann.
  • 2020: Comdirect (Commerzbank) kündigt Konto des maßnahmenkritischen Anwalts Markus Haintz.
  • 2021 Deutsche Kreditbank (Bayerische Landesbank) kündigt Konto von Haintz.
  • 2021: Apotheker- und Ärztebank kündigt Konto des Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“
  • 2021: Commerzbank kündigt dem russischen Staatssender RT das Konto. Dieser bekam danach nach eigenen Angaben von 20 deutschen Banken Absagen.
  • 2021: GLS-Bank kündigt Konto von Ken Jebsen, dem Betreiber des Kanals KenFM. Kurz zuvor hatte im Januar Google Jebsens Youtube-Kanal mit 500.000 Abonnenten gelöscht. In der Folgezeit habe sich KenFM an rund 40 Banken gewandt und wegen Erfolglosigkeit der Kontosuche die Marke KenFM aufgegeben. Der Nachfolger firmiert unter dem Namen Apolut.
  • 2021: ING-Bank kündigt dem freien Publizisten und früheren Moskau-Bürochef des Focus, Boris Reitschuster nach dessen Angaben das privat genutzte Konto.
  • 2021: Online-Bank N26 kündigt gleichzeitig Reitschusters öffentliches Spendenkonto.
  • 2022: Bankhaus Bauer kündigt Reitschuster nach dessen Angaben das nur ein Jahr vorher dort eröffnete Spendenkonto. Eine weitere Bank habe ebenfalls das Konto gekündigt.
  • 2021: Volksbank Beckum-Lippstadt kündigt der Filmproduktionsfirma Ovalmedia nach zwei kritischen Artikeln des Tagesspiegels das Konto. Ovalmedia filmte die Sitzungen des maßnahmenkritischen „Corona-Ausschusses“.
  • 2022: Fidor-Bank kündigt dem sehr erfolgreich publizistisch aktiven Philosophen Gunnar Kaiser das Konto.
  • 2022:Solaris-Bank sperrt ohne Ankündigung dem Journalisten und Netzseitenbetreiber Alexander Wallasch das Konto.
  • 2023: Deutsche Bank kündigt dem Blogger Hadmut Danisch das Konto. Vorausgegangen war eine inzwischen eingestellte Ermittlung der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Beleidigung einer Person des politischen Lebens. Das Landeskriminalamt Berlin hatte von der Bank eine Liste der Kontobewegungen angefordert.
  • 2023: Der Bayerische Rundfunk berichtet stolz, dass es dem Sender gelungen sei, durch Übermittlung von 109 Bankkonten und 38 Paypal-Accounts an die kontoführenden Banken die Geldkonten von Rechtsextremen trockenzulegen und fordert, der Staat solle sich ein Beispiel hieran nehmen.
  • 2020 bis 2023: Nach Angaben von Anselm Lenz, dem Herausgeber der Wochenzeitung „Demokratischer Widerstand“, gegenüber Multipolar, wurden ihm in Zusammenhang mit der Wochenzeitung von 12 Banken und einer Sparkasse Konten gekündigt.
  • 2024: Volksbank Pirna kündigt dem KenFM-Nachfolger Apolut das Konto. Vorausgegangen waren sehr kritische Berichte über den Bankchef, die Bank und ihre Kunden im Tagesspiegel und von Correctiv (staatlich gefördert).
  • 2024: Sparkasse Berlin sperrt der „Jüdischen Stimme“ das Konto, nachdem sie vorher vergeblich unter anderem eine Liste aller Mitglieder mit Anschriften angefordert hatte. Der Verein hatte zuvor sein Konto den Organisatoren eines politisch unerwünschten Palästina-Kongresses in Berlin zur Verfügung gestellt.
  • 2024: GLS-Bank kündigt dem Online-Magazin Manova das Konto

Liste von Norbert Häring nach Multipolar-Artikel. norberthaering.de, 28.6.

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4. Juli, Der beste Schutz für ruhiges Schlafen

Nicht Ohropax, Baldrian oder Yoga:
Ukraine-Unterstützung ist der beste Schutz für das ruhige Schlafen. Baerbock n-tv.de, 28.6.

„Am leichtesten sind Unterschenkel-Amputationen“, erklärte von Wolfersdorff, die sich bereits seit längerem für die Menschen in der Ukraine einsetzt. [...]
Im Rahmen des Städtepartner-Projektes „Prothesenzentrum Berlin-Kyiv“ sollen insgesamt 60 Soldaten aus der Ukraine, die im Krieg eines oder mehrere ihrer Gliedmaßen verloren haben, mit einer Prothese versorgt werden. [...]
Sechs Ukrainer werden an kriegsverletzten Landsmännern in der Prothesenanpassung geschult. [...]
Der „Soldat Null“: Wie das Projekt zustande kam [...]
Im Eiltempo sollen sie [...]
darin geschult werden, wie sie die Körperersatzstücke anfertigen. [...]
die neue Prothese aber habe sich wie ein Maserati angefühlt, so die Projektgründerin. [...]
mittlerweile sei der „Soldat Null“ wieder an der Front, sende aber weiterhin regelmäßig Grüße nach Berlin. Alexander Rothe, morgenpost.de

Am 12. Juni präsentierten sie stolz ihre neuen Prothesen, auf denen sie langsam laufen lernen. Auf dem T-Shirt eines Mannes, der im Krieg beide Beine verlor, prangte die Aufschrift „Fight for Life“. [...]
„Hier sieht man am Projekt, wie Städtepartnerschaft gelebt wird.“ [...]
„Es ist nicht sehr einfach, aber es ist sehr interessant“, sagte Anastasiia, eine der Auszubildenden. biermann-medizin.de

„Meine“ Freiheit

„Freiheit ist wichtiger als Frieden“. Warum gibt es in Ostdeutschland mehr Kritik an der Unterstützung der Ukraine als im Westen?
Der Historiker, Ilko-Sascha Kowalczuk, antwortet nicht damit, dass besonders Ostdeutsche dankbar über die Wiedervereinigung sind, und über den Abzug russischer Truppen. Und sich an das Versprechen erinnern, dass sich Nato nicht nach Osten ausdehnt („russische Lesart“). Sondern, dass Ostdeutsche verwöhnt seien:
In den letzten 30 Jahren haben sich viele Menschen, die aus der Unfreiheit der DDR kamen, an die Freiheit gewöhnt, sie betrachten die Probleme anderer nicht mehr als ihre eigenen.
Na, so etwas kann den Westdeutschen nicht passieren. Ach doch: Ich bin mir unsicher, ob die Aussage „Das ist nicht unser Krieg“ nur im Osten mehrheitsfähig wäre, meint der Historiker. Auch Westdeutsche also mehrheitlich verwöhnt, wenn auch nicht ganz so wie Ostdeutsche.
Aber für mich ist dieser Krieg des russischen Regimes gegen die freie, unabhängige Ukraine auch ein Krieg, bei dem es um meine Freiheit geht. Für mich ist das auch mein Krieg, taz.de, o.D.

„Wir können auch einmal frieren für die Freiheit. Und wir können auch einmal ein paar Jahre ertragen, dass wir weniger an Lebensglück und Lebensfreude haben.“ Joachim Gauck zeit.de, 10.3.22

Die Wohlstandsverluste seien zu ertragen, sagte Gauck. sueddeutsche.de, 1.4.22

Diese moralische Überhöhung, dass wir jetzt hier die Besten der Welt sind, weil wir jetzt kein russisches Gas mehr kaufen und kein russisches Öl mehr, und wir sind die Helden, und der Rest der Welt lacht sich tot über uns, weil die gerne das Öl und das Gas kaufen. Und wir kaufen's ja teilweise auch über Umwege, also über Indien, über Belgien,... Belgien ist ja jetzt ein großer Gaslieferant von uns, hat aber gar kein Gas, importiert aber in Größenordnungen russisches Gas. Sahra Wagenknecht 2.6. bei Mark Friedrich, Minute 16

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4. Juli, Vorsorge

Marionetten

„Katastrophe ohnegleichen“
Joe Bidens katastrophaler Auftritt bei dem TV-Duell gegen Donald Trump zieht weitere Kreise. merkur.de, 4.7. Verpatztes TV-Duell. Biden stammelt und murmelt vor sich hin mit dementem Blick, und ist der Meinung, etwas vorzutragen. Trump guckt verblüfft und muss sagen, dass er nichts verstanden habe. Niemand hat etwas verstanden.

Seine Frau Jill Biden lobte ihn danach übermäßig wie ein Schulkind oder einen Hund, „wie toll es ist, Joe hat alle Fragen beantwortet“, Mark Friedrich Biden mit Totalausfall - Trump wird Präsident 28.6.
„Such a great job! You answered every question!“ Das Publikum jubelt, Biden strahlt mit offenem Mund. CNN berichtet von Panik unter den Demokraten über Bidens Auftritt.
Meiner Meinung nach wird eins aber ganz klar: Der Deep State ist real! Und Joe Biden nur die Marionette, wie vielleicht auch Obama und Clinton und so weiter, und bei der Frage, wer Präsident wird, herrschen wohl andere Gesetze. Anders kann man es nicht erklären, dass jemand wie Joe Biden überhaupt ins Weiße Haus gekommen ist. Ebd.

Kurz zuvor: Scholz verteidigt Bidens Gesundheitszustand – und traut ihm Wahlsieg zu [...] „Das ist ein Mann, der genau weiß, was er tut.“ tagesspiegel.de, 15.6.

Der falsche Kandidat

Trump kündigt wie immer an, den Krieg sofort zu beenden. Noch mehr Panik.

US-Präsident Bidens zentrales Ziel beim G7-Gipfel: Die Weltlage vor der Wahl im November „Trump-sicher“ machen.
Er will Pflöcke einschlagen, die Trump nicht ausreißen kann tagesschau.de, 13.6.

Nun, wo Biden nicht mehr zurechnungsfähig zu sein scheint:
Sorge vor möglichem US-Machtwechsel: Nato plant „Trump-sichere“ Ukraine-Hilfe [...]
Nato muss nach schwacher Biden-Leistung umplanen [...]
Die Nato wappnet sich für eine mögliche Präsidentschaft von Donald Trump. Mehrfach spielte der 78-Jährige öffentlich mit dem Gedanken, die Unterstützung im Ukraine-Krieg teilweise abzubauen oder gänzlich zu streichen. [...] „Anstatt dass Washington für die Verwaltung der Ausbildung und Unterstützung zuständig ist, wird die Nato die Verantwortung übernehmen. Selbst wenn die USA ihre Unterstützung für die Bemühungen reduzieren oder zurückziehen, werden diese also nicht eingestellt“, verkündet der ehemalige Nato-US-Botschafter Ivo Daalder. Und Nato plant neuen Stützpunkt in Wiesbaden: Ungarn hält sich raus fr.de, 4.7.

Schon wieder ein Pandemie-„Kandidat“

Vogelgrippe in den USA. Virologe Drosten warnt vor möglicher neuer Pandemie n-tv.de, 29.6.

Wenn Vogelgrippe zur Pandemie wird, war „Corona Spaziergang dagegen“
[...] die EU bestellte nun hunderttausende Impfdosen gegen das Virus. „Alle Fachleute sind besorgt“ n-tv.de, 30.6. Wieder Szenarien. Man warnt. Wieder klassische Grippe-Symptome. Man fordert Maßnahmen: „Und vor allem sollten wir die lessons learned aus der Coronapandemie schnell umsetzen!“ [...] Und falls es doch nicht so schlimm wird: Und selbst, wenn es nicht die Vogelgrippe ist, die die nächste Pandemie auslöst: Laut Ulrichs kommen noch „sehr viele“ Erreger in Frage dafür. Vogelgrippe sei nur einer der Kandidaten.

Tödlicher als Corona! Was Sie über Vogelgrippe wissen sollten [...] Die Zeit der Coronatests, Masken und Lockdowns ist vorbei. Mit der nächsten Pandemie möchte sich derzeit noch keiner beschäftigen. Doch sie wird kommen, sagen Experten. Möglicherweise breitet sie sich in den USA bereits aus - und wird früher oder später weltweit zum Problem. Die Rede ist von der Vogelgrippe. [...]
Die Weltgesundheitsorganisation zählt 463 Todesfälle durch Vogelgrippe im Zeitraum der letzten 21 Jahre, dokumentiert in 23 Ländern. focus.de, 2.7.

„Die Kühe haben absurd hohe Viruslasten in der Milch“
„Es ist bedenklich, was sich da zusammenbraut“, sagt Virologin Isabella Eckerle, Expertin für neuartige und pandemische Viren. Expertin für Dinge, die man nicht kennen kann.
Die Vogelgrippe ist also eine bekannte Zoonose, die allerdings bis heute nicht die Fähigkeit erlangt hat, sich effektiv von Mensch zu Mensch zu übertragen. Das Virus steht aber schon länger auf der Kandidatenliste potenziell pandemischer Viren. n-tv.de, 4.7.
Die Vokabeln: Fähigkeit, Effizienz, Kandidat.

Infektionsstudie auf der Insel Riems: Kühe werden mit Vogelgrippevirus infiziert [...] In den USA werden seit einiger Zeit ungewöhnliche Übertragungen des Vogelgrippevirus auf Milchkühe registriert. Forscher gehen dem in Versuchen nach, bald auch auf der Ostsee-Insel Riems im Greifswalder Bodden. ostsee-zeitung.de, 14.5.

Deutschland gegen Russland

Gabriel: „Russland noch einmal niederringen“ [...]
Jetzt folgt also Gabriels Kritik an Scholz‘ rote Linien im Ukraine-Krieg. [...]
„Wir werden Russland noch einmal so niederringen müssen, wie wir das im Kalten Krieg mit der Sowjetunion gemacht haben.“ fr.de, 15.6. Nicht ganz sicher, was er meint: Die Westdeutschen hätten, dank Amerika, das Wettrüsten gewonnen und damit die Sowjet-Union niedergerungen? Was ist mit Friedensbewegung? Gorbatschow?

„Wir müssen die Russen niederkämpfen!“ Sigmar Gabriel bei Maibrit Illner.
„Deswegen werden wir ganz anders antworten müssen, nicht nur militärisch. Im Grunde müssen wir die Russen so niederkämpfen, wie das mal mit der Sowjetunion gelungen ist!“ [...]
„Der Kanzler hat sich zu ändern!“, forderte auch Außenpolitik-Experte Roderich Kiesewetter (60, CDU). „Das Entscheidende ist, dass andere Staaten um uns herum sehr klar sagen: Wir müssen auch auf russisches Gebiet wirken. Ich glaube, dass sich Deutschland bewegen muss. Das Kanzleramt muss sich bewegen!“ bild.de, 31.5.

Nato baut zivile Präsenz in Kiew aus – Deutschland soll zentrale Rolle spielen welt.de, 4.7.

Alle Zeichen stehen auf einen grossen Krieg. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić weltwoche.ch, 9.6.

„Ich bin mir ziemlich sicher, wir werden eine Katastrophe erleben“. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic bereitet sein Land auf einen grossen Krieg in Europa vor. weltwoche.de, 14.6.

Ich kann nicht sagen, dass es ein Dritter Weltkrieg wird, aber wir sind sehr nah dran an einer großen Konfrontation, die in den nächsten drei oder vier Monaten eintreten wird. Und es besteht die Gefahr, dass es sogar schon früher geschieht.“ Vučić pi-news.de, 19.6. Interview im youtube: Die Weltwoche, 8.6.

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8. Juli, Unser „Way of life“

„Putins Bomben meinen auch uns“

Sorge vor Wahlsieg prägt Gipfel. So will sich die NATO „Trump-sicher“ machen
„Trump-sichere“ Ukraine-Hilfen aus Wiesbaden n-tv.de, 7.7.

Europas „way of life“ gefährdet. Baerbock: „Putins Bomben meinen auch uns“ n-tv.de, 4.7.

Generalinspekteur warnt vor russischem Angriff ab 2029. Begründet wird es nicht dadurch, dass Putin etwas verlautbart hätte, sondern seine aktuelle Aufrüstungsgeschwindigkeit soll offenbar Jahr für Jahr so weiter gehen, und dann hätte es uns 2029 eingeholt, was bedeute, dass Russland uns dann angreifen würde. n-tv-de, 8.7.

Kriegswirtschaft?

Die FDP macht sich für ein Ende des Acht-Stunden-Tags für Deutschlands Beschäftigte in heutiger Form stark. Wir dachten bisher, „sich stark machen“ könne man nur für Schwächere. Nun macht sich also der Stärkere stark für mehr Ausbeutung. Beschäftigungsforscher Enzo Weber meint, das sei im Sinne der Arbeitnehmer: dass die nicht immer länger arbeiten wollten, und zufrieden sein wollen. Der Job müsse sich ans Leben anpassen und nicht umgekehrt. Er bezeichnete den „starren Acht-Stunden-Tag“ als „altes Dogma“. Dieser werde der modernen Lebens- und Arbeitswelt vieler Menschen längst nicht mehr gerecht. Deshalb müsse pro Stunde mehr heraus geholt werden, durch Flexibilität und Technologie, und, wie gesagt, 6-Tagewoche und mindestens 10 Stunden-Tag. Inwiefern man dadurch nicht länger arbeitet, wird nicht klar, aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien sich da einig: Auf die Flexibilisierung sollen sich „Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam im Rahmen von Tarifverträgen einigen können“. Alles unter dem Titel „Griechische Sechs-Tage-Woche bereits möglich“ n-tv.de, 8.7.

Und, nicht zu vergessen: Immer mehr Experten einig: Rente mit 70 unausweichlich fr.de, 5.3.

Um Ausländer anzulocken. Weniger Steuern für Migranten.
Die Ampel-Koalition hat sich bei den Verhandlungen zum Bundeshaushalt 2025 auch auf mehrere Maßnahmen geeinigt, die den deutschen Arbeitsmarkt attraktiver und leichter zugänglich für ausländische Fachkräfte machen sollen. Eine davon ist die Idee, dass neu Zugewanderte in den ersten drei Jahren weniger Einkommensteuer bezahlen müssen. Im ersten Jahr soll es einen Rabatt von 30 Prozent geben, in den beiden Folgejahren dann 20 beziehungsweise 10 Prozent. Erst ab dem vierten Jahr wären Migranten dann Einheimischen steuerlich gleichgestellt. Soll für bestimmten Teil des Bruttos gelten, mit Unter- und Obergrenzen, aber in vorgeführtem Rechenbeispiel hat einer schon mal über 1000 Euro mehr im Jahr. Proteste z.B. von BSW. Auch die Linke und die AfD sind dagegen. Letztere, weil sie es für „Inländer-feindlich“ hielten, was dem Artikel nach nicht der Fall sei. Faktencheck-artig lange Darlegung, warum es für alle gerecht und sinnvoll sei. focus.de, 8.7.
Der Artikel hat über 1000 Kommentare, im Vergleich zu sonst meist vielleicht 200. Beim Durchscrollen alle verzweifelt oder voller Fragen.

Unser „Way of life“.

10. Juli

Deshalb ist's ja so schwer überhaupt über links und rechts zu diskutieren, die wissen ja gar nicht mehr, was das ist! Die meinen ja wirklich, wenn man eben beispielsweise eben für flexible Arbeitsmärkte eintritt, und wenn man eben für flexible Renten und was weiß ich alles eintritt, das sei alles dann links! Und diejenigen, die eben sagen, ja, wir wollen ein Auskommen, Sozialstaat, die wollen zurück in die achziger Jahre. Nein, manches ist auch wirklich zu bewahren. Zu bewahren ist die Menschenwürde, und die verlangt, dass alle so gestellt werden, die etwas leisten, dass sie ein auskömmliches Leben haben. [...] Schon die alten Griechen, die die Polis, die Stadtdemokratie aufgebaut hatten, sie wussten, eine Gesellschaft ist nur dann demokratisch, wenn sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen, und genau an dem Punkt sind wir jetzt. Guckt euch die Demonstrationen an, die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung setzen sich nicht mehr durch in unserer Gesellschaft, und deshalb steht unsere Demokratie auf dem Prüfstand. Ich wiederhole: Eine Gesellschaft, in der sich die Interessen der Mehrheit nicht durchsetzen, ist nicht demokratisch! [...] Wenn sich Vermögen zu sehr konzentrieren, wird Demokratie unmöglich, weil zu sehr Politik gekauft werden kann.
Oskar Lafontaine auf dem 1. Parteitag des BSW, 27.1. BSW, youtube

11. Juli

Kinder-Sorgen

Schönes Sonnensegel-Sommerfest in Brandenburg. Die eröffnete Ausstellung von Kinderbildern, Zeichnungen, Kollagen, beschäftigt sich mit der Medienwelt: Harry Potter immernoch so angesagt wie vor über 20 Jahren, Phantasy im Vordergrund, aber die Invasion des korrupten Ministeriums in die Hogwarts-Schule, die Abgeordnete Umbridge als Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste, eine Art Zeitenwende und Gleichschaltung, aus kritischer friedens- und freiheitsliebender Perspektive fantastisch geschildert, wird keinem Harry-Potter-Leser entgangen sein. Theater im Freien: Witzige Vorführung über Mobbing, Missverständnisse oder verschiedene Perspektiven. Satire von Alltagsbeobachtungen mit wahrem Kern, aus dem Leben gegriffen. Und ernste Wünsche: Kinder wünschen sich eine Welt in Frieden, ohne Kriege und Gewalt. Wird Erwachsenen mulmig, wenn nicht ganz schlecht, wenn Kinder sich um Erwachsenen-Wahnsinn sorgen und von Verantwortung reden. Als meine Generation Kind war, haben wir's auch so gelehrt bekommen, und unsere Eltern, als die Kinder waren, auch schon. Woher kommt diese Politik, die das Gegenteil tut von dem, was jedes Kind lernt? Sebastian Block und die Kindergruppe AUTSCH! haben in der alten Lateinschule schon den ganzen Winter über jeden Montag die Stücke eingeübt: „Wir wollen Fußball spielen, Blumen gießen, zaubern und mit Pfeilen schießen, Dinos streicheln, fliegen lernen, auf Raketen zu den Sternen“ und dann, mal leise und bittend, mal lauthals, klatschend und stampfend, dass die Decke über dem Druckraum gebebt hat: „Wir woll'n eine Welt ohne Kriege, ohne Monster, Ganoven und Diebe, wo man auch hinzieht, wächst Liebe, überall...“ Ich denke an Rolf Zuckowski zu meiner Kindheit. Über Jahre etwa täglich, so muss ich wohl jeden Song insgesamt locker 1000 mal gehört haben, Lieblingssong „Ich schaff' das schon, ich schaff' das schon, ich schaff' das gaaaanz alleine...“, begleitet ein Leben ernsthaft, vielleicht sogar noch bis 80 im Sterbebett. Würde wissen wollen, welche Schule Baerbock besucht hat, welche Kindersongs gehört. „Es braucht Waffen mit Reichweite“ Baerbock. tagesschau.de Wenn ein Kind einen Stock oder Steinchen wirft, Erwachsenengeschrei: „Wenn da ein Mensch steht und das an den Kopf kriegt!“ Im Fernsehen II.-Weltkrieg, Panzer schießen, war ich als Kind erschrocken: Wenn da ein Mensch steht und das an den Kopf kriegt! Aber da soll es so sein. Und heute gibt es wieder Nachrichten, die zeigen, wie schön unsere Nato-Panzer schießen können, und wird auf Leute gezielt, die man nie kennen gelernt hat.

Vor einem Jahr, als wir klein Emil vom Kindergarten abgeholt haben, erzählte er aufgeregt von Krieg und Ukraine. Neulich wollte er wissen: Und wer war die Ur-Oma? Und die Ur-ur-Oma? Und weil man dann nach Ostpreußen und Schlesien kommt, und dass Krieg war – „Wo war Krieg“ – ein Weltkrieg, in Ostpreußen besonders schlimm, dann wird der Kleine nachdenklich und sagt, dass er jetzt ganz traurig sei. Muss man als Erwachsener schnell ablenken.

Ketzerfragen

Offiziell ist Politische Bildung (Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung) eher Baerbock-mäßig. politische-bildung-brandenburg.de P.B. beruft sich z.B. verschiedentlich auf die Amadeu-Antonio-Stiftung oder Faktenfinder-Teams der Tagesschau gegen sogenannte „Desinformation“. Und richtet sich gegen Populismus, worunter sie folgendes versteht: Populismus ist eine antipluralistische und damit im Kern undemokratische Ideologie und ein Stil der Politik, die einen vermeintlich homogenen Volkswillen („Wir sind das Volk“) konstruiert. Diesem Volkswillen stünden korrupte liberale Eliten („die da oben“) gegenüber.
Wobei Begriffe, soweit ich's lese, nie geklärt werden.
Informare = in und Form, einformen, einprägen, einer Art (Roh)masse eine Gestalt geben, Bilden, heißt, es gibt einen Gestalter und den Gestalteten, ersterer formt letzterem etwas ein. Ein Kind, wie ein Rohling, wird erzogen, gebildet. Menschen-Gestaltung mit Absicht und Ziel. Dabei hat einer dies zum Ziel, der andere das. Aber „Des“-Information, was soll das sein? Gewissermaßen ein Unwort, denn wer auch immer seinen Stempel aufdrücken will, der informiert. Vom Wort her ja nicht auf Wahrheit bezogen und nicht neutral, sondern aus einer Perspektive heraus. Aus bestimmter Perspektive sagt der eine Informator (Einformer) zu der Gestaltgebung des andern Informators, der betreibe eine falsche Information, eben eine andere als ersterer will, und nennt's „Des“information. Einer ist für den anderen Desinformator. Wie Mama und Papa, die sich uneins sind, wie man das Kind erzieht. Unsere Erzieher sind in dem Fall die Tagesschau, Baerbock usw. Unsere Perspektive und Einprägung ist: Wir haben eine Demokratie, die sei so gut, dass man („Des“-)Informationen, also was andere Länder mit anderen Ansichten uns einformen wollen, nicht hinnehmen könne. Weltweit müssen unsere Informationen herrschen, das seien die wahren. Aber wie wollen wir das vereinbaren mit unserer Abscheu vor Weltherrschern und was ist daran unser gepriesener Pluralismus? Und wenn Erzieher andere Schützlinge bevorzugen (Baerbock: „Egal, was meine deutschen Wähler denken,...“), ist es nicht verwunderlich, dass die Verlassenen ein gewisses Misstrauen gegenüber den Informatoren entwickeln. Aber bin gar nicht sicher, ob solche Fragen in der Schule erlaubt sind.

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17. Juli, Verbotene Sprüche

„Meine Söhne geb' ich nicht.“

In den letzten Tagen ist's mehrfach vorgekommen, dass im Umfeld über Politik gesprochen wurde – Bekannte, Kollegen. Hier über Israel und Palästina, dort über Deutschland gegen Russland. Ersteres fand aus Zeitgründen noch gar nicht ins Online-Tagebuch, obwohl wir privat viel darüber reden. Schreibe ich noch.

Gestern ein Kollege zur Kollegin: „Meine Söhne geb ich nicht. Ne?“ Und zeigt ihr was am Handy. Die Kollegin mit zustimmendem, aber sprachlosem Gesicht. Kollege noch mehrmals: „Meine Söhne geb ich nicht.“ Beide nicken sich zu, Stimmung wie etwas Verbotenes, Geheim-Code. „Reinhard Mey?“ frage ich. In allen brodelt's. „Erinnert sich kaum noch wer dran“, meine ich. Vielleicht gilt's schon als Volksverhetzung oder sowas. Obwohl, könnte es sein, dass eine Mehrheit so denkt, und man es nur nicht bemerkt?

Will mir den Song zu Hause anhören, aber zu aufwühlend, als wenn jemand gestorben wär'. Eine Idee ist gestorben. Mache nach paar Sätzen wieder aus. Bis vor Kurzem habe ich ihn ohne zu große Übelkeit ständig in meinen ITunes gehört.

„Ostflanke“, „Ostwall“

Um die Ostflanke zu sichern. Im Kriegsfall sind massive Truppenverlegungen über A2 geplant n-tv.de, 17.7.
Die A2 wurde Gebaut zur Zeit des Nationalsozialismus als Hauptstrecke im Reichsautobahnnetz wiki, Bundesautobahn 2 Der Wiki-Artikel klärt uns darüber auf, dass es keine Nazi-Sache sei. Planungen gab es in den 20ern, die NSDAP hätte die Bahnen gar nicht gewollt: Obwohl die NSDAP den HaFraBa-Plänen ablehnend gegenüberstand und sie als „Luxusstraßen für Reiche“ verunglimpfte, war eines ihrer ersten Vorhaben nach der Machtergreifung im Januar 1933 der Bau ebenjener Straßen. Vorrangig wurde begründet, durch den Autobahnbau Arbeitsplätze zu schaffen [...] Trotzdem wurde propagandistisch verkündet, dass die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler die eigentlichen „Erfinder“ der Autobahn seien. Ebd. Bzw. soll heut keiner sagen, die Truppenverlegungen über Autobahnen seien ein Anschluss an die Nazizeit?

Ich wälze Alfred Rosenberg durch, Tagebücher von 1934 bis 1944. Vokabeln: Ostwall, Wende, Haltung, Werte... Zusammenarbeit mit der Ukraine gegen Russland. Führen wir heute den Rosenberg-Krieg?
„Alles für Deutschland“ ist noch nicht aufgetaucht, „der Führer“ hat's noch nicht gesagt, Himmler nicht, der auch von allen Nazis verabscheute Goebbels mit seiner Propaganda nicht,... aber bin noch nicht durch, dickes Buch.

„Alles für Deutschland“

Hoecke jedenfalls wurde verurteilt: Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland, weil letzteres eine typische Nazi-Parole sei. Es sei weder nachvollziehbar noch glaubhaft, dass Höcke nicht gewusst habe, dass die Parole verboten ist, erklärte Staatsanwalt Benedikt Bernzen. Höcke studierte in den 1990er-Jahren Geschichte und Sportwissenschaften für das Lehramt. tagesschau.de, 14.5..
„Darf ich schreiben, dass du es auch nicht präsent hattest?“, frage ich Christoph. „Versierte Leser von Dokumenten und Tagebüchern aus der Zeit hatten diese Parole nicht präsent. Aber du weißt, dass es verboten ist, wenn man sowas nicht weiß? Steht nachher Polizei vor der Tür?“ Christoph stutzt: „Aber, nein anders! So musst du schreiben: Ich habe sehr wohl präsent, dass diese Parole nicht verbreitet gewesen ist. Hoecke ganz schwach in der Hinsicht, der hat keine Ahnung!“ – Aber ist diese Meinung, sei sie Irrtum oder nicht, nicht noch verbotener, als dass man es nicht weiß?
Staatsrechts-Professor Rupert Scholz findet den Höcke-Prozess „lächerlich“. Er habe „auch nicht gewusst“, dass „Alles für Deutschland“ von der SA benutzt worden sei. weltwoche.de, 20.4. Als Jurist (Professor) webarchiv.bundestag.de kannte er nicht die Parole auf der Verbotsliste? Seit wann ist die Parole auf der Verbotsliste? Aufgrund welcher Statistik ist sie als Nazi-übliche Parole gewertet, wenn man ihr beim Nazi-Bücherlesen erstmal nicht begegnet?
(Rupert Scholz war CDU-Minister, aber gebe ich ihn in der Suchleiste ein, schlägt die Auto-Ergänzung vor Rupert Scholz AfD, Rupert Scholz Compact,...)

Jemand musste E. verleumdet haben

Um 6 Uhr klingelten Beamte an Elsässers Haustür vor den Toren Berlins, der 67-Jährige öffnete im Morgenmantel. Ein Duzend Polizisten umringen ihn, schwer bewaffnet, mit schwarzen Gesichtshauben vermummt. Die Presse ist direkt dabei, mit angerückt, und liefert uns die Fotos, wie Elsässer von vermummter, schwer bewaffneter Polizei früh um 6, bevor er sich angekleidet hat, raus geklingelt wird. Ist er ein Mörder? Massenvergewaltiger? Auf frischer Tat? Nein viel schlimmer:
Faeser verbietet rechtsextremes „Compact“-Magazin n-tv.de, 16.7.
Prorussische Propaganda, Pro-AfD-Kampagnen und Revolution von rechts: Das Bundesinnenministerium hat am Dienstag – wenige Monate vor den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern – das Medienunternehmen Compact des rechtsextremistischen Publizisten Jürgen Elsässer verboten. [...] In Brandenburg waren mehr als 200 Beamte der Landespolizei und der Bundespolizei im Einsatz. Sie durchsuchten acht Wohnungen und Büros, darunter auch in Werder (Havel), Panketal und Groß Kreutz. Mit 200 Schwerbewaffneten 8 Wohnungen, von einem Schriftsteller. tagesspiegel.de, 16.7.

Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet [...] „Wer sind Sie?“ fragte K. und saß gleich halb aufrecht im Bett. Den Kafka werden sie dir auch bald verbieten, meinte Christoph mal zu Corona.

Compact

Vor Monaten hatten wir ein Compact-Magazin in der Hand (Ausgabe 4/2023), von Bekannten über 3 Ecken, die es aus missionarischem Eifer herum gereicht haben. Darin z.B. Historisches über die Querfront, dass sie seit den 1920ern links sei und wir sie wieder bräuchten.
Elsässers Traum. EINE QUERFRONT MIT WAGENKNECHT [...] die beiden kennen sich tatsächlich gut. Jürgen Elsässer bezeichnete sich selbst früher als links. Er und Wagenknecht schrieben 1996 sogar gemeinsam ein Buch: „Vorwärts und vergessen? Ein Streit um Marx, Lenin, Ulbricht und die verzweifelte Aktualität des Kommunismus“. Aus dem gleichen Jahr, also 1996, stammt auch ein Interview mit Wagenknecht, das im November 2022 im Compact-Magazin wiederveröffentlicht wurde. belltower.news, 29.11.22

Schlimme Demos (2023)

Vor der Wagenknecht-Demo ist im Vorfeld gewarnt worden:
An diesem Samstag bietet sich nun für viele Rechte eine willkommene Gelegenheit. Die bekannte Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer mobilisieren am Brandenburger Tor in Berlin zu einem „Aufstand für den Frieden“. tagesspiegel.de, 25.2.23 Schon vorher stand der Chefredakteur des extrem rechten „Compact“-Magazins bei einer Demo während der Münchner Sicherheitskonferenz auf der Bühne und rief: „Einen Finger kann man brechen. Aber fünf Finger sind eine Faust. Wir brauchen die Querfront für den Frieden.“ Neben Linken und Rechten denkt er dabei an das Milieu der Querdenker-Bewegung. Ebd.
Wagenknecht und die Rechten: Altlinks oder neurechts?
Sahra Wagenknecht ist es gelungen, sich das Label „Friedensbewegung“ ans Revers zu heften. Rechte lieben die Linken-Abgeordnete dafür.
taz.de, 2023
Bekannte prorussische Desinformationskanäle sowie der russische Staatssender RT teilen Petition und Demoaufruf. Auch der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla warb auf Twitter für die Petition, ebenso wie das rechtsextreme „Compact“-Magazin. tagesschau.de, 14.2.23

„AMI GO HOME“: Das Rechte „Compact“ Magazin ruft zur Großdemo auf! [...] Bis zu 15.000 Teilnehmer werden zu der Kundgebung erwartet, bei der rechte Gruppierungen wie die Freien Sachsen, die Thüringer Patrioten, der „Compact“ und die AfD nach eigenen Angaben für „Frieden, Freiheit und Souveränität“ protestieren und auf die Straße gehen wollen.
Tatsächlich richtet sich die Demo gegen die Politik der USA. Bei seiner Ankündigung hatte Elsässer behauptet, Amerika habe Deutschland besetzt und unterdrückt. Darüber hinaus machte er es für die Sprengung der russischen Ostsee-Pipelines verantwortlich und betitelte dies „als ersten Kriegsakt gegen Deutschland seit 1945“
sachsen-fernsehen.de, 23.11. Wie wir die Demo erlebt haben, Siehe mein Corona-Tagebuch S.316 corona.lydia-lander.de

Vgl. Oskar Lafontaine Ami, it's time to go home.

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20. Juli, Ein Attentat

13. Juli. Auf einer Dorfwiese, auf weitem kahlen Feld, weiße, Container-artige Häuser, Bühne und Pult. Trump hält eine Rede, Publikum steht vor und hinter ihm und hält Fan-Plakate hoch. Sicherheitsleute in Rüstung und Waffen stehen verteilt. Etwas am Rande erscheint ein Unbekannter mit großem Gewehr und klettert auf ein Dach als Schießstand auf Trump. Wie er das gemacht hat? Ich stell' es mir so vor: Er erkundet die Lage, also geht zwischen Leuten und Polizei mit großem Gewehr herum, was keinen stört, und findet zufällig ein Hausdach unbewacht. Nein, oder der kennt sich aus, der weiß Bescheid, und klettert ohne Aufsehens gleich aufs Dach – Nun doch, und das gibt's auf Videos: Leute bemerken ihn, wie er aufs Dach klettert, und rufen minutenlang den Wächtern zu, die aber irgendwie nicht reagieren. Der Schütze positioniert sich relativ in Ruhe und schießt. Trump duckt sich herunter, taucht auch gleich wieder auf und hält sich ein blutverschmiertes Ohr, ein paar Blutspritzer im Gesicht, wird von Sicherheitsleuten gestützt. Das Publikum hat sich kurz auch geduckt, manche sind mit Schild so stehen geblieben, nicht lang, vielleicht 15 Sekunden, richten sich auch dort alle wieder auf. Jemand ist erschossen worden, und paar wurden verletzt, was kein Video oder Foto eingefangen hat, und wir nicht sehen, aber hinterher aus den Nachrichten erfahren. wikipedia.org, Attentat auf Donald Trump Wir wissen also, dass da ein Toter liegt, der scheint aber für die Anwesenden wie unsichtbar. Der Leser wird denken, die Leute sehen sich um, woher das kam, oder machen sich aus dem Schussfeld, aber nein, Die Menge steht exponiert weiter so da, auch ohne sich schockiert untereinander auszutauschen, guckt zur Bühne und zückt Handys zum Filmen. Wir sehen, dass Sicherheitsleute in Anzügen sich um Trump scharen, Reporter rennen herbei für tolle Bilder, auch keine Angst so im Schussfeld. Trump sagt: „Ich brauche meine Schuhe.“ – „Ich hab sie, Sir“, antwortet Security – „Ich brauche meine Schuhe.“ – „Achtung, Ihr Kopf blutet. Sir, Sie müssen nach vorne.“ – „Ich brauche meine Schuhe.“ – „Da sind sie, Sir.“ Trump lässt sich aufrichten, sagt „Wartet, wartet!“, schüttelt die Faust, ruft drei mal: „Fight! Fight! Fight!“ und wird unter Jubel, sich als Sieger gebärdend, von Sicherheitsleuten von der Bühne eskortiert. Von den Schüssen bis dahin gerade einmal eine Minute! Zum Jubeln entschieden sich Trump und die Menge schon nach 40 Sekunden.
Der Spiegel, youtube.com,
Mark Friedrich Zusammenschnitt und Kommentar, Attentat auf Trump: Millimeter vor einem Bürgerkrieg youtube.com

Mark Friedrich bemerkt, dass Qualitätsmedien von einem „Zwischenfall“ sprechen, z.B. Tagesschau:
In den USA hat es bei einer Wahlkampfveranstaltung von Ex-US-Präsident Trump in Pennsylvania einen Zwischenfall gegeben. Es ist die Rede von Schüssen gewesen, die gefallen sein sollen. Der republikanische Präsidentschaftskandidat hob eine Faust, während er vom US-Geheimdienst zu einem Fahrzeug eskortiert wurde, wie Videoaufnahmen von der Veranstaltung zeigten. Das Material zeigt Blut an seinem Ohr und Scharfschützen auf einem Dach in der Nähe der Bühne, auf der Trump gestanden hat. Mark Friedrich Ebd.
CNN soll berichtet haben, Trump sei während einer Veranstaltung hingefallen. Wenn man recherchiert, sprechen jetzt aber doch alle, auch der Spiegel, von einem Attentat.

Turbulente Reaktionen

Dass Trump selbst Schuld sei: Donald Trump spricht in seiner ersten Rede erstmals über das Attentat. Von Läuterung aber keine Spur, sagt SPIEGEL-Korrespondent Marc Pitzke: Sein Auftritt zeigt, dass er es nicht ernst meint mit der landesweiten Versöhnung. spiegel.de, 19.7.
Trumps Anhänger werden weiter aufgepeitscht. Dabei haben sie die Gewalt selbst gesät. In der Wissenschaft nennt sich das affektive Polarisierung: Gegenseitige Verachtung, bis zum Hass. Daraus folgt: Wer Gewalt sät, wird Gewalt ernten. [...] Trump ist in dieser neuesten Episode politischer Gewalt der Leidtragende. Somit wird er bei einigen Menschen Sympathiepunkte erhalten – was sich dann auch in den Umfragen zeigen wird. Eigentlich sollten sich die Wähler fragen: Wer ist schuld daran, dass die Lage so eskaliert? Nach meinem Eindruck sind es vorrangig die Republikaner. Deshalb muss man eigentlich zu dem Schluss kommen: Trump hat diesen Sympathiebonus nicht verdient. Politikwissenschaftler Thomas Greven, wiwo.de, 15.7.

Dass Trump jetzt Sieger sei: Trump, das Opfer. Trump, der Kämpfer. Trump, der Sieger derstandard.at, 14.7.
Attentat auf den US-Präsidentschaftskandidaten: Der Sieger heisst momentan Trump nzz.ch, 14.7.

Dass es Kalkül sei? „Das Timing ist kein Zufall“ [...] Es war vor der offiziellen Nominierung quasi die letzte Chance, ihn aus dem Spiel zu nehmen. Politikwissenschaftler Thomas Greven, wiwo.de, 15.7.

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22. Juli, Wunder

Trump fällt das selbe auf wie uns: das merkwürdige Verhalten der Sicherheitsleute, und auch des Publikums.
In einer Bewegung ließ ich mich zu Boden fallen. Es flogen immernoch Kugeln, als sehr mutige Secret-Service-Agenten auf die Bühne stürmten – und das taten sie wirklich! Sie stürmten auf die Bühne... Publikum mit Tränen in Augen klatscht Beifall. Das sind großartige Leute, die ein großes Risiko eingehen, das kann ich euch sagen. Und sie warfen sich auf mich, damit ich geschützt wäre. Er beschreibt das Wunder, dass er in der Sekunde, wo die Kugel flog, den Kopf etwas gedreht hat, sodass sie nur sein Ohr streifte, sonst wäre er jetzt tot. Er habe gefühlt, dass Gott bei ihm sei. Ergriffener Applaus. Aber das eigentlich Wunderbare sei die Reaktion des Publikums:

Aber das unglaublichste, was an jenem schrecklichen Abend in der untergehenden Sonne geschah, haben wir tatsächlich danach gesehen. In fast allen Fällen, wie Sie wahrscheinlich wissen, wenn auch nur eine einzige Kugel abgefeuert wird, nur eine einzige Kugel, und bei uns wurden viele Kugeln abgefeuert, rennen die Menschenmengen zu den Ausgängen oder geraten in Panik. Aber nicht in diesem Fall! Das ist sehr ungewöhnlich. [Publikum applaudiert ergriffen] Diese riesige Menschenmenge von Zehntausenden stand da und bewegte sich keinen Zentimeter. Tatsächlich standen viele von ihnen mutig, aber automatisch auf und schauten, wo der Scharfschütze sein könnte [Letzteres würde man erwarten, aber in Videos sehen sie keineswegs herum] Sie wussten sofort, dass es ein Scharfschütze war, und begannen dann, auf ihn zu zeigen. Das können Sie sehen, wenn Sie auf die Gruppe hinter mir schauen. [Eigentlich nicht] Das war nur eine kleine Gruppe im Vergleich zu den Mengen vor mir. Niemand rannte und indem kein Massensturm ausbrach, wurden viele Leben gerettet. Aber das ist nicht der Grund, warum sie sich nicht bewegten. Der Grund ist, dass sie wussten, dass ich in sehr ernsthaften Schwierigkeiten war, sie sahen es, sie sahen mich fallen, sie sahen das Blut und dachten – tatsächlich die meisten – ich sei tot.

Anschließend erklärt er, warum so viel Blut an seinem Ohr gewesen sei. Das sei, da gebe es eine interessante Statistik, weil man an Ohren besonders stark blutet. Jetzt, wo er's sagt, hat es eigentlich weiter geblutet, nachdem es einmal dran war?
Dann habe der Secret Service den Attentäter erschossen, was Trump so ausschmückt: Der Täter habe mit vielen Kugeln sein Ziel verfehlt, der Secret Service aber, aus viel größerer Distanz, und mit nur einer einzigen Kugel, habe den Täter sofort getötet. Den Toten und die Verletzten im Publikum erwähnt er nicht, sondern fügt sofort pathetisch hinzu, er, Trump, hätte eigentlich gar nicht mehr unter den Lebenden sein sollen. Menschenmassen rufen im Takt Yes you are! Yes you are! - Doch, du sollst! Trump lächelt sehr, sehr selbstzufrieden, meint noch mal, er hätte tot sein sollen, aber: Es sei die Gnade des Allmächtigen Gottes. Wieder schallender Jubel. Trump erzählt, wie er die er die Faust gereckt habe: Fight! Fight! Fight! Die Menge ruft synchron Fight! Fight! Fight! Fight!... mit erhobenen Fäusten. Und wie seine geballte Faust hoch gereckt gewesen sei und die Leute lauter gejubelt hätten als je,... Donald Trump recalls attempted assassination shooting at rally | LiveNOW FOX, youtube.com, 20.7.

Für Deutsche ziemlich befremdlich,... werde die Rede später weiter hören.

Im Netz wird viel gerätselt, was genau in Videos zu sehen ist, und wie zu deuten.

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25. Juli

Heldentum

Ich höre die Trump-Rede weiter, wo ich letztens abgeschaltet habe.
Er gedenkt innig des Erschossenen aus dem Publikum, der zwei Verletzten und ihrer Familien. Sie seien alle unglaublich hervorragende Menschen. Der Tote sei von Beruf Feuerwehrmann gewesen. Als die Schüsse gefallen seien (innerhalb von Millisekunden nacheinander), habe er sich in die fliegenden Kugeln hinein vor seine Frau und zwei Töchter geworfen als lebender Schutzschild, und dabei sein Leben geopfert. Publikum applaudiert ergriffen. Die Kamera schwenkt herüber zu einem Kleiderständer mit Feuerwehr-Uniform und -Helm, wir nehmen an, genau die originalen des Verstorbenen, die er im Dienst immer getragen hat. Trump stellt sich dahinter, legt ihm von hinten die Hände auf die Schultern und küsst den Helm, geht etwas seitlich herum und sieht ihn an, wie einen ins Leben Erweckten, oder sehr präsent Erinnterten und dankt der Familie und der Feuerwehr, dass sie die Dienstkleidung gesendet haben. Es seien Millionen von Dollars als Entschädigung für die Familien ausgestellt. Kurzes Schweigegedenken. Trump führt fort: Es sei eine große Heldenhaftigkeit, sich für das Leben anderer einzusetzen, das würde Amerika stark machen und das sei, was Amerika brauche. Er sei jetzt entschlossener als jemals, und so auch alle hier...

Keine Überraschung

Die USA werden ab 2026 Langstreckenraketen und Marschflugkörper in Deutschland stationieren. Damit soll Russland abgeschreckt werden. zdf.de, 11.7. Die Hyperschallrekete reicht weit über Moskau hinweg. Atomwaffen sind in Deutschland, Holland, Belgien und Italien stationiert. Weil nun offenbar viele überrascht sind: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bestätigte am Donnerstag in Washington, dass „diese Entscheidung lange vorbereitet“ und „für alle, die sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigen, keine wirkliche Überraschung“ sei. [...] die US-Waffen werden nicht auf unbegrenzte Zeit in Deutschland bleiben. Für Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist damit klar die Erwartung verbunden, „dass wir selber investieren in die Entwicklung und Beschaffung von derartigen Abstandswaffen“, sagte Pistorius an diesem Donnerstag im Deutschlandfunk. Die Verlegung durch die USA werde „uns genau die Zeit geben, die wir dafür brauchen.“

In der Mitte des Artikels kommt nebenbei klein eingefügt, dass Nato-Soldaten früher dagegen protestiert haben. „Nato-Soldaten sagen No!“ Trotz Verbot nehmen Bundeswehrsoldaten in Uniform an einer Großdemonstration am 22. Oktober 1983 im Bonner Hofgarten teil. Davon heut nichts.

Was sagt unser Kanzler dazu?

Der Kanzler begrüßt die Entscheidung der USA, wieder Langstreckenwaffen in Deutschland zu stationieren. Sie füge sich „im besten Sinne“ in die deutsche Sicherheitsstrategie ein. berliner-zeitung.de, 12.7.

Nochmal: Die USA werden... und Der Kanzler begrüßt die Entscheidung der USA. Die USA entscheiden?

Unser Bundeskanzler, der einen Eid abgelegt hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, verkündete Mittwoch vergangener Woche im Handstreich von der Hauptstadt des Großen Bruders aus, man habe beschlossen, [man!] unser Land und dessen gesamte Bevölkerung – mehr als 84 Millionen Menschen – in Geiselhaft zu nehmen, sprich: sie im Krisen- und erst recht im Kriegsfalle zur Zielscheibe gegnerischer Präventiv- oder Vergeltungsschläge zu verwandeln! (Und dies verkaufte er uns auch noch fröhlich als „Erhöhung der Sicherheit im besten Sinne“.) [...] Waffensysteme, mit denen von deutschem Boden aus Moskau, St. Petersburg und andere Städte im Westen Russlands attackiert sowie gegnerische Kommandostellen, Bunker und Radaranlagen pulverisiert werden können. [...] nach wie vor gilt der brandgefährliche Selbstzündungsmechanismus: „Rampen für Raketen sind Untergangsmagneten!“ nachdenkseiten.de, Nachrüstung 2.0 im Handstreich – oder: Eine neue Friedensbewegung, jetzt oder nie!, Leo Ensel, 20.7.

Und Russland?

Noch vor weniger als fünf Jahren wären diese Maßnahmen laut dem 1987 von Michail Gorbatschow und Ronald Reagan unterzeichneten (und im Februar 2019 von Donald Trump gekündigten) INF-Vertrag, der uns über 30 Jahre lang vor einem Atomkrieg in Europa bewahrt hatte, verboten gewesen. Die Antwort aus Moskau ließ nicht lange auf sich warten. Drei Tage später kündigte Kremlsprecher Dmitrij Peskow entsprechende Gegenmaßnahmen an und sagte wörtlich: „Wir haben die Kapazitäten, diese Raketen in Schach zu halten, aber die potenziellen Opfer sind die Hauptstädte dieser europäischen Länder.“ – Man sollte diese Äußerung bitterernst nehmen! nachdenkseiten.de, Ebd.

Der hat aber angefangen!

„Russland hat bereits 2016 in Kaliningrad Iskander-Systeme installiert, die Nuklearsprengköpfe tragen können. Das Lager für selbige wurde von 2016 bis 2018 renoviert. Schon lange vor der russischen Vollinvasion in der Ukraine 2022 stand also wieder eine russische nukleare Bedrohung für uns im Raum.“ Frank Sauer, Universität der Bundeswehr München. zdf.de, 11.7.

Aber:
Diese Stationierung war die Reaktion Russlands auf die Installierung eines Moduls des globalen US-Raketen„abwehr“systems AEGIS vor der russischen Haustür in Polen, das – man nennt dies „offene Architektur“ – mit einer einfachen Veränderung der Software in ein Angriffssystem verwandelt werden kann. Die jetzige aus Washington angekündigte Maßnahme ist demnach eine Gegenreaktion der NATO auf eine Reaktion Russlands. – Der ihrerseits natürlich eine russische Gegen-Gegenreaktion folgen wird … nachdenkseiten.de, Ebd.

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26. Juli, Unsere Demokratie

„Gemeinsam für Vielfalt und Demokratie“

Norbert Häring: Wir erinnern uns: Im Winter 2021/22 waren Demonstartionen gegen die überzogenen Corona-Maßnahmen fast überall verboten, unter dem Vorwand, die Teilnehmer würden sich absehbar nicht an die sogenannten Hygieneauflagen halten. Regierungsgenehme Demos durften stattfinden. Die Menschen trafen sich daher zu unangemeldeten gemeinsamen „Spaziergängen“. Dagegen erließ die schwäbische Stadt Ulm eine FFP2-Maskenpflicht in der gesamten Innenstadt. [Maskenpflicht als Mittel, um Demonstrationen zu unterbinden] Weil diese nicht von jedem Spaziergänger beachtet wurde, „drohte“ die Stadt den potentiellen Spaziergängern in einer Allgemeinverfügung zur Durchsetzung der Maskenpflicht „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch an“. [...] Fast genau zwei Jahre später hat exakt dieses Politestablishment in Ulm und um Ulm herum ein Bündnis „Gemeinsam für Vielfalt und Demokratie“ gegründet und eine Petition gestartet mit dem schönen Titel „Gemeinsam für Vielfalt und Demokratie“ um „aktiv für die Verteidigung der Grundrechte (…) einzutreten“. Unterzeichner sind dieselben.
Dazu passend: Sie berufen sich auf die Geschwister Scholl, aber ersetzen Gewaltstaaten durch Gewalttaten: Im Flugblatt der Scholls hieß es:
Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die Grundlagen des neuen Europa.
Die Politiker schreiben jetzt: Im 5. Flugblatt der Weißen Rose heißt es: „ [...] vor der Willkür verbrecherischer Gewalttaten [...]
Gewalttaten, also nach gewohnter Assoziation ja Ungeimpftsein oder Ablehnung von Waffenlieferungen.
Forderungen der Petition: Wahlen wie die Europawahl im Juni 2024 dürfen nicht zu Protestwahlen werden.
Häring: So sehr Euch auch die abgehobene, militaristische, konzernfreundliche und bürgerfeindliche Politik der Regierung und der loyalen Opposition missfällt, wählt sie trotzdem, der Demokratie zuliebe! norberthaering.de, 11.2.24

Interessant dazu: Ulms OB Czisch nennt die Unterstellung, seine Gewaltdrohung könnte ernst gemeint sein, „blanker Unsinn, Hass und Hetze“ norberthaering.de, 1.2.22

OB von Ostfildern, Christoph Bolay twitterte selbige Drohung, Waffengewalt anzuordnen. Daraufhin erhielt er selbst seinerseits wiederum Morddrohungen: „Die erste Kugel gehört Ihnen“ bayerische-staatszeitung.de, 1.2.22
Er sei Opfer einer konzertierten Aktion rechtsradikaler Portale, die Fake-News verbreiten, Werner Reichel: Gegen das Vergessen, Rottenburg 2023, Kopp-Verlag, S.6 Reichel zitiert swr.de, welcher Artikel nicht mehr verfügbar ist. swr.de, ostfildern-kein-schiessbefehl-bei-coronademo Aber die Allgemeinverfügung mit der Schießandrohung stimmt sehr wohl, die Polizei hat diesen Auftrag nicht angenommen, bzw. sei ein OB nicht zum Schießbefehl berechtigt.

Hass und Hetze

In vergangenen Jahren soll viel Hass und Hetze verbreitet worden sein, indem man nicht gegen Corona geimpft war. Man war Gefährder, Hetzer, Coronaleugner, Coronagegner, Schwurbler, Aluhut, Verschwörungstheoretiker,...

Coronaleugnerinnen und Coronaleugner müssten konsequent dem rechtsextemen Spektrum zugeordnet werden Georg Maier, Thüringens Innenminister, SPD, 7.6.22, Werner Reichel: Gegen das Vergessen, Rottenburg 2023, Kopp-Verlag, S.6
„Jeder, der ernsthaft heute noch nicht gegen COVID-19 geimpft ist, sollte in Handschellen zum impfen gebracht werden.” Björn Casapietra Deutscher Opernsänger, Moderator und Schauspieler.
„Impfgegner sind Staatsfeinde”, Udo Knapp Politologe und Redakteur taz
„Querdenker müssen sterben!”, Sascha Winkler und Constantin Hochwald Brain’n’Dead Medienagentur
„spaziergangs stoppt man am besten mit diesem spazierstock [Schlagstock]” David Lukas Kohler (Knackeboul) Schweizer Künstler, Moderator, Redaktor beim News Online-Portal watson.ch
Zitatesammlung durch Müller-Ulrich ich-habe-mitgemacht.de

Die Ankündigung des Kopp-Verlags Reichel: Gegen das Vergessen, ebd. ist schön zweideutig: 400 Zitate dokumentieren für alle Zeiten Lügen, Hass und Hetze während der Coronakrise. Denn diese Sammlung der Zitate gegen Ungeimpfte und Hetzer entlarvt die Guten selbst als Hetzer. Sie selbst bemerkten die Ironie, und wo sie bis eben ihre Ansichten weit verbreitet wissen wollten, sind sie nun empört über die Sammlung ihrer Aussagen:
Solche Zitatsammlungen seien Cybermobbing und sollten wiederum bestraft werden: Experte fordert Strafen für Cybermobbing. Doch welches Ziel verfolgen Menschen wie Burkhard Müller-Ulrich mit derartigen Listen? Andre Wolf, Fake-Jäger und Experte für Verschwörungserzählungen, gibt im Gespräch mit dem STANDARD die Antwort: „Silencing. Das ist eine Taktik, um Menschen ruhigzustellen.“ Zitatesammlungen wie diese würden, wie im Fall Maria Kellermayr, zu Verfolgung führen. derstandard.de, 3.8.22 Aber die Geschichte Kellermayr hatte eigentlich überhaupt nichts mit einer Zitatsammlung zu tun. Auch in der Suche von ich-habe-mitgemacht finde ich nichts von Kellermayr.

Müller-Ulrich gilt als rechtsextrem, z.B. unter der Überschrift im Focus RECHTSEXTREMISMUS Hetze und Headlines heißt es: begann Müller-Ullrich gegen einen „grün-links-feministisch motivierten Meinungsterror“ und „Gender-Quatsch“ zu wettern. Im Kontrafunk wird über eine „Gesinnungspolizei“ gesprochen, die die AfD stoppen wolle. „Fußtruppen der Herrschenden“ vergingen sich am Volk. focus.de, 2.2.24

Seit der Zeit sah ich ganz mulmig auf mein Corona-Tagebuch zurück: Hatte dort schon vor Müller-Ulrich und Werner Reichel viele Zitate gesammelt, um Erlebtes zu dokumentieren. Man muss sich klar drüber sein: Das ist Hetze, rechtsextrem, gegen die Demokratie, und – es liegt in der Luft: bald verboten.

Demokratiegegner

Wer bezweifelt, dass wir eine Demokratie hätten, ist gegen Demokratie:
Steinmeier geißelt „Lügen“ der Demokratiegegner
Es ist eine fadenscheinige Lüge, wenn die Gegner unserer Demokratie, wenn Populisten und Extremisten behaupten, es sei heute „genau wie damals, genau wie in der Diktatur“, sagte Steinmeier. „Wer so spricht, der verhöhnt die Opfer des SED-Regimes. Wer so spricht, missbraucht die Namen derer, die damals ihr Leben riskierten.“ www.om-online.de, 16.6.23

Wut auf die Herrschenden ist undemokratisch:
„Gibt bessere Ratgeber als Wut“: Bundespräsident Steinmeier warnt vor Abkehr von der Demokratie tagesspiegel.de, 24.12.23

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29. Juli, RKI-Protokolle

Würde man denken...

Neue Dinge, die sich anzusehen vor Ekel schwer fällt. Ungeschwärzte RKI-Protokolle aus den Corona-Jahren. rki-transparenzbericht.de.

Das Enthüllte ist eigentlich alles andere als verwunderlich, eher das Selbstverständliche, wovon wir all die Jahre ausgegangen sind, wofür man uns Verschwörungstheoretiker und Nazis geheißen hat:

Etwa dass Masken von Laien oder gar Kindern getragen unhygienisch und schädlich sind, die begrabbelten, feucht-muffigen Keimschnäuzmaulkörbe aus der Hosentasche unhygienisch; Dass Kinder nicht nennenswert an Corona erkranken; dass sie und junge Leute Schaden nehmen müssen, zum angeblichen Schutz von angeblich Gefährdeten; dass die Impfung nicht ausreichend erforscht war; dass tägliche Massen-Corona-Tests an Gesunden verrückt sind; oder falsch, dass es eine „Pandemie der Ungeimpften“ sei. Das habe man bewusst nicht richtig gestellt und so falsch laufen lassen. Obwohl, sage ich, die Ungeimpften doch täglich negative Tests vorweisen mussten (3G) und weitgehend vom Leben ausgeschlossen waren, während ja Geimpfte ungetestet ihre Infekte verbreiten durften...

Bastian Barucker, Auswertung der entschwärzten Protokolle, ebd., ca. Minute 27:
Corona, und das bestätigte sich in den kommenden Monaten, war für Kinder eben weniger gefährlich als Influenza, der Besuch im Schwimmbad oder den [sic] Straßenverkehr. Zitiert das Protokoll: „Kinder haben ein im Vergleich zu anderen Atemwegserkrankungen geringes Risiko für schwere Krankheitsverläufe“. Das wiederum bedeutet, dass Kinder auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit zu Maßnahmen verpflichtet wurden, um das Wohl anderer zu schützen. Ein historischer Tabubruch.

November '20: „Es ist ungünstig und gefährlich, wenn Masken von Laien benutzt werden. [...] RKI wurde im Vorfeld nicht gefragt.“ Die Maskenpflichten wurden trotzdem eingeführt und entfalteten, wie zu erwarten war, keine medizinische Wirksamkeit, jedoch signifikante Nebenwirkungen vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Ebd.

Das dachte sich also nicht nur der Laie, der im strömendem Regen mit schwerer nasser Maske auf menschenleerer Straße, manchmal eilig, mit Luftnot und Herzrasen sich einbilden sollte, damit Leben nicht anwesender Leute zu schützen. Oder in menschenleeren Museumshallen. Die Keimpickel im Gesicht. Und nicht nur Bhakdi, Wodarg, Köhnlein, Burkhardt, Fiddike, usw., die gelöscht oder verunglimpft wurden. Sie sagten, dass die Maskenpflicht auch dort, wo Leute seien, schädlich wär'... Oder Ärzte, die Maskenbefreiungen ausgestellt haben, deren Praxen von Polizei auf den Kopf gestellt und geschlossen wurden... Sondern auch das RKI und „die Wissenschaft“ sagten das, und das ist das Neue und Erstaunliche. Sogenannte Schwurbeleien, Verschwörungstheorien, Nazi-Ideologie, Aluhüte usw. – im RKI!

„Die Wissenschaft“

Dass Regierende so lügen, um die Bevölkerung zu gängeln, ist wirklich nichts Ungewöhnliches. Oder profitgierige Konzerne wie Pfizer. Die Protokolle zeigen, dass Pfizer maßgeblich Druck gemacht hat. Aber aus den Protokollen sei auch zu schließen, dass nicht die Politik sich nach der Wissenschaft gerichtet, sondern die Wissenschaft sich der Politik hörig gemacht habe, sagt Barucker auf der Konferenz, ebd.. Aber, mit Verlaub, „die Wissenschaft“ wird doch von Konzernen betrieben und finanziert. Und in „die Wissenschaft“ kommt überhaupt erst, wer hörig ist: An unseren Unis, Weimar, Leipzig jedenfalls waren es Wissenschaftler, die sich mit größtem Eifer in der Gängelung ihrer Studenten und Angestellten hervor getan haben.
Die Professorin für Modellierung, die den Studenten stetig Aufforderungen zum Impfen schrieb, mit Verweis auf die Statistik, wo unsereins als Laie doch sah, was für Unfug in den sogenannten Modellierungen und Statistiken betrieben wurde?
Oder der Prof. für Kognition, der alle Zweifler für irre erklärt hat: Es gebe Videos von überlasteten Krankenhäusern, was bräuchte es noch mehr an Beweisen, das fand er wissenschaftlich (Mein Corona-Tagebuch, S. 167, Link hier.
Christophs Kolleginnen, darauf, dass Christoph nicht geimpft war: Gehören Sie etwa auch zu denen? Er: Ich habe Statistiken gelesen. Sie: Auf der Ebene will ich nicht diskutieren (an der Uni!). Als sie alle schon 3 mal geimpft waren, hatten sie Angst, wenn ein negativ getesteter Ungeimpfter im Raum saß. Obwohl sie also dachten, ihre Impfung schützt wohl nicht mal gegen Gesunde, durfte niemand an der Impfung zweifeln und sollte sich unbedingt mit so einer unsinnigen Impfung versehen.
In Weimar meinte ein Prof., die geimpften Studenten müssten vor einem Ungeimpften (täglich negativ getesteten) geschützt werden (Mein Corona-Tagebuch, S. 202, Link hier.
Studenten, die in Prüfungen eine 5 absolviert haben, wurde die 5 gestrichen und eingetragen, sie hätten gar nicht an der Prüfung teilgenommen, hätten gefehlt, Grund: Covid-krank. Ein drittel war auf die Weise aktenkundig laut Prüfungsamt Covid-krank, obwohl sie gesund und leibhaftig da gesessen haben.
Als 3G in den Unis war, bestand die Testschlange dort aus so wenigen Studenten, konnte man an der Hand abzählen, keine Profs oder Dozenten. Christoph tagtäglich der einzige, die anderen waren Mensa-Essen-Ausschenker und Bedienstete. Die „Intelligenz“, „die Wissenschaft“, war durchweg geimpft. In Weimar bei 3G-Stichproben hatten alle Studenten Impf-Ausweise zur Hand, nur ich mein peinliches Test-Zeugnis.
Veras Kolleginnen im Krankenhaus, die Ärzte, alle eifrige Missionare... Vera hat sich wegen des enormen Drucks und der grausamen Missachtung, in Fachkreisen, am Ende impfen lassen.
Wer nicht hörig ist, scheitert schon am Studium. Ungeimpfte Studenten waren in der Praxis so verhindert, sie konnten oft gar nicht mehr zu den Veranstaltungen! Die sogenannten Skeptiker, Schwurbler, Leugner, Covidioten, kommen in „die Wissenschaft“ doch gar nicht hinein. Wer nicht fleißig das lernt, was ihm serviert und abgefordert wird, kommt schon in der Schule nicht weit, geschweige denn im Studium, geschweige denn in Ämtern. Nein, die sogenannte „Wissenschaft“, die ganze Fachwelt in Medizin, Kognition, Modellierung und Medien, kommt bei mir nicht so einfach davon.

Die Konferenz zur RKI-Enthüllung ist wieder mal so ein Video, das ich unterbrechen und in Portionen sehen muss.

Was ich nie verstehe...

Ich verstehe die Politik und die Konzerne. Und die Wissenschaftler an den Unis, Geld, Karriere, Geltungssucht, Interessen, alles nachvollziehbar. Aber was ich nie und nimmer verstehe ist: Warum, aus welchem Interesse, haben alle die „einfachen Leute“, die keine Vorteile haben, die Belogenen, so übereifrig mit gehetzt? Tanten, Rentner, Bekannte, die uns gegängelt haben und uns, wenn wir nicht alles so glauben und zögerlich waren, Unbildung vorwarfen? Brötchenverkäufer, Läden, Restaurants? Im Bösner wollte man mich mit negativem Test als Gesunde kaum einlassen, weil ich keinen Impfnachweis hatte. Laut Gesetz galt 3G: Die Kontrolleurin musste mich zu ihrem Leidwesen doch hinein lassen (Mein Coronatagebuch, S. 254 Link hier).
Im Naumburger Dom ebenso, (Mein Coronatagebuch, S. 262 Link hier). Tanten, zu denen ich ausschließlich Briefkontakt habe, warfen mir vor, ihr Leben zu gefährden (per Brief?), ich solle mich - wir seien doch intelligent - impfen lassen. Der größte Teil der einfachen Leute konnte gar nicht genug haben, dem waren die Maßnahmen noch zu wenig. Die Lügen der Politik und des RKI, der Interessengeleiteten, sind fast harmlos dagegen.

Statistiken waren zu jeder Zeit bekannt, von der Tagesschau hier berichtet: tagesschau.de, 26.11., z.B. sehr früh aus England: Dort war die Sterberate an Corona besonders hoch, nachdem man die erste Impfung bekommen hat. Teilweise mehr als doppelt so hoch wie bei Ungeimpften. Dabei wurde nur erfasst, wer 21 Tage nach der 1. Impfung coronakrank gestorben ist. Aber auch sofort nach 1. Imfpung, nicht erst nach 21 Tagen, dürften Leute an Corona gestorben sein, das wurde gar nicht gezeigt. Altersgruppe 60 aufwärts. Für Jüngere natürlich noch größere Diskrepanz. Erst nach 2. Impfung scheint man seltener zu sterben als ungeimpft, aber da hat man die riskante 1. Impfung ja schon inklusive und sozusagen überlebt. Trotzdem behaupten dieser Faktencheck und alle Nachrichten, die Annahme, dass man geimpft viel häufiger an Corona stirbt als ungeimpft, sei falsch, weil: Nach 1. Impfung gelte man als Ungeimpfter! Die vielen, die nach 1. Impfung an Corona sterben, sind „Ungeimpfte“. So sterben im Vergleich viel mehr „Ungeimpfte“ als 2-fach geimpfte.

Per Verordnung ist eine geimpfte Person, wenn sie Corona-Symptome hat, nicht geimpft: Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung - SchAusnahmV), § 2 Begriffsbestimmungen, gesetze-im-internet.de.
Dazu mein Coronatagebuch, S. 213 Link hier.

Nichtwissen galt nicht. Es war ja unser Verhängnis, dass wir sagten, man wisse zu wenig über die Impfung, man kenne Folgen und Nutzen nicht. Diese Zurückhaltung galt als totale Unbildung, gefährlich, Blödheit, Bösartigkeit, Leugnung,... Im Nachhinein belehrt man uns, wir Schwurbler seien blöde Rechthaber, auch wir hätten es damals nicht wissen können. Ja, aber wir durften nicht nicht wissen. Von denen, die uns für arg blöd gehalten und uns die schlimmsten Vorwürfe gemacht haben: wir hätten Leben auf dem Gewissen, hat sich noch niemand entschuldigt. War 'ne komische Zeit, sagen sie als ihr höchstes Zugeständnis. Sie tun so, als hätten sie's schon vergessen, als sei nichts gewesen. Oder, in Unikreisen, halten einen weiterhin für abseitig.

30. Juli, „Pandemie der Ungeimpften“

„Qualitätssender“ halten weiter an der „Pandemie der Ungeimpften“ fest. „Pandemie der Ungeimpften“. Decken die ungeschwärzten RKI-Protokolle Skandale auf? deutschlandfunk.de, 25.7. Es seien zwar auch Geimpfte krank geworden, aber deutlich weniger, so habe Spahn schon Recht gehabt.

Häring listet auf, wer alles zu Ungeimpften zählt, z.B.:

  • Das RKI zählte bis Ende September 2021 Krankenhauspatienten mit unbekanntem Impfstatus fälschlicherweise als „Ungeimpfte“. Das mussten sogar die notorisch regierungstreuen und regierungsfinanzierten Faktenchecker von Correctiv einräumen. [...]
  • Die von Covid genesenen Intensivpatienten wurden außerdem den Ungeimpften zugeschlagen.
  • Es wurde nicht unterschieden, ob man mit oder wegen Corona auf der Intensivstation lag, und dass weniger als ein Drittel der „Corona-Patienten“ wegen Corona im Krankenhaus lagen.
  • Sowie dass diejenigen, die mit Impfkomplikationen oder wegen oder mit Corona innerhalb von zwei Wochen nach der Impfung auf der Intensivstation landeten, als Ungeimpfte gezählt wurden.

Deutschlandfunk lügt sich Spahns „Pandemie der Ungeimpften“ zurecht. norberthaering.de, 28.7.

Nun waren diese Zählungen und Verordnungen zwar stets öffentlich und jeder verwies sich gegenseitig auf diese jedermann bekannten Daten, und sagen sogar die entschwärzten RKI-Protokolle, die Behauptung sei falsch, aber trotzdem hört die Allgemeinheit eher auf Deutschlandfunk und zieht die üblichen Schlüsse. Es bleibt also wie eh und je dabei, dass wir Gefährder, Leugner und Nazis sind, die den Notstand verlängert hätten, Menschenleben auf dem Gewissen, und zu Recht keine Geschäfte mehr betreten durften.

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30. Juli

Mein Sommer ist sehr schön dieses Jahr, viel baden, grünes Wasser, Hängeschaukel, Wald, Sand an Füßen, Salat und Eis essen, Cocktails trinken, zeichnen... Lassen wir die Nachrichten weg, ist's das Paradies auf Erden.

Am Kulkwitzer See kann ich mir eine Skizze nicht verkneifen. FKK ist eine Alters- und Generationenfrage. Vorher gab es das kaum oder nicht, und heute auch nicht mehr, hier nur „wandelnde DDR-Reliquien“, sagt Christoph.

Abends im Zetkin-Park, Biergarten und Café, Gespräche am Nachbartisch. Eine aktivistische, taffe Professorin um die 60 sieht aus, als hätte sie lange Ärmel an, da sind's Tatoos. Unkonventionell, will das wohl sagen, Habitus: mit Tabus brechen, fash und woke, politisch korrekt, meint zur Freundin: „Also ich glaube nicht, dass alle DDR-Bürger ausländerfeindlich und faschistoid sind, ich glaube eher, das kommt daher...“ – also sie sind doch ausländerfeindlich u. faschistoid – „das kommt daher, dass es da nie eine Vermischung gab... Weißt du, Sozialismus und Nationalismus liegen ganz nah beieinander, überhaupt die Extremismen, die treffen sich ganz schnell...“ Es geht also wieder gegen uns. Unser Denken läge also an der fehlenden Durchmischung mit Ausländern, ist sozusagen genetisch. Was glaubt sie denn, wie lange es die DDR gab, um ein angeblich nicht durchmischtes Volk zu bilden? Jahrtausende? Oder Rasse oder was meint sie? Man müsste uns also mit anderen Ethnien oder Kulturen kreuzen, um uns aufzuwerten? Und das ist nicht völkisch oder rassistisch? Christoph als Hesse versichert aber, dass es im Westen auch selten Ausländer im familiären Umfeld gegeben habe, und wenn da ein türkischer Mitschüler war, habe keiner was mit dem zu tun haben wollen, es sei gar nicht wahr, dass der Westen durchmischt und tolerant gewesen wär'. Andersherum hatten in der DDR fast alle Familien in meinem Bekanntenkreis Kontakte oder sogar Liebschaften in Ungarn, Polen, Bulgarien, Russland, einige fahren bis heute regelmäßig zu Besuch. Und niemand käme auf Idee, etwas gegen Franzosen, Italiener, Holländer usw. zu haben. Mit faschistoid meint sie natürlich, dass Ostdeutsche mehr Abneigung gegen unkontrollierte Migrantenaufnahme und -finanzierung haben als angeblich Westdeutsche.

31. Juli

Christoph findet gleich wieder passende Nachrichten dazu, wie die Faust aufs Auge: Marcus Bensmann vom Correctiv meint, dass Ostdeutsche falsch wählen, weshalb man sie abspalten sollte: Dann sollten wir lieber über eine Trennung nachdenken. Es kann nicht sein, dass eine Mehrheit der ehemaligen DDR-Bürger, die nur 1/6 der Gesamtbevölkerung stellen, mit der Westbindung das Erfolgsmodell der Bundesrepublik zerstören. Die Tschechoslowakei hat es vorgemacht. Worauf ein CDU-Abgeordneter antwortet: Wenn mehr als 50 Prozent der Menschen im Osten #afd und #bsw wählen, dazu noch die Linke, dann hat die @cdu erkennbar keinen Regierungsauftrag und muss sich nicht durch eine untragbare Koalition bundesweit selbst zerstören. Es geht nicht um Details, es geht um unsere DNA #cdu. nachdenkseiten.de, Tobias Riegel, 31.7.

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2. August, Nebeneinander

Schlechte Nazis – Gute Nazis

Ukrainische Neonazibrigade geht auf Europatournee – auch in Deutschland sind Auftritte geplant.
... Bandera, Hitler, Holocaust...
Diverse Symbole der 3. Sturmbrigade sind in Anlehnung an die Insignien der Waffen-SS gestaltet, eines sogar nach dem Truppenkennzeichen der 36. Waffengrenadierdivision „Dirlewanger“. jungewelt.de, 15.7.

Selbstverständlich müsste es mindestens so viel Aufsehens geben wie gegen Ungeimpfte als Nazis. Oder wie gegen Wagenknechts Demo. Oder gegen Höckes Alles für Deutschland.

Aber so ist es nicht. Sondern ganz positiv: Die dritte Sturmbrigade pflegt den Ruf, ein Elite-Verband zu sein. In der Ukraine lädt die Freiwilligeneinheit regelmäßig zu Veranstaltungen ein, um neue Rekruten zu werben. Nun rühren Mitglieder des Verbands auch in europäischen Städten die Werbetrommel. [...] Die dritte Sturmbrigade ist eine reguläre Freiwilligeneinheit der ukrainischen Armee und pflegt den Ruf, ein Elite-Verband zu sein. Im vergangenen Sommer spielte die Brigade, die 2022 gegründet wurde, eine prominente Rolle bei der Gegenoffensive im Raum Bachmut. Nach dem Fall von Awdijiwka Mitte Februar deckte sie den Rückzug der ukrainischen Verteidiger. n-tv.de, 11.7.

Auch Telegram erlebt eine Aufwertung. Sonst für gewöhnlich als „Hassmaschine“ in Schlagzeilen, als Hetze, „Dissidenten-Kanal“ – Dissident gilt mittlerweile wieder als Übel deutschlandfunk.de, dass es verboten oder überwacht gehört,... Aber im Zusammenhang mit der Sturmbrigade scheint es ein ganz normales Medium: Auch in den sozialen Medien ist die Einheit sehr präsent. Der Telegram-Kanal des Verbands hat mehr als 300.000 Follower und veröffentlicht regelmäßig Videos von Einsätzen im Kampfgebiet. n-tv.de, ebd.
Insofern darf ich ruhigen Gewissens meine Screenshots zeigen, wie wir Nachrichten übers Telegram teilen, was ja so verpönt ist, sich Nachrichten über Social Media, besonders über Telegram, zu senden. Habe noch keine Erklärung dafür gefunden, warum es so verpönt ist.

Gute Brigade versus rechtsextreme Kinder

Gegen Nazi-Symbole wie die Wolfsangel-Rune haben wir bei der Ukraine überhaupt nichts auszusetzen. Auf manchen Fotos neben Hakenkreuzfahnen. Sogar im Wiki ist die Wolfsangel-Rune als Symbol der Nationalsozialistischen Partei der Ukraine nachzuschlagen. Wir Deutschen kennen die Rune von alten Nazi-Fotos aus Büchern, Dokus, Museen... Es weiß und kennt ja jeder, aber wird bei einem Regiment, das am Holocaust beteiligt war, im Allgemeinen nicht weiter beanstandet, weil es Ukraine ist. Fast hat man den Eindruck, Deutsche wüssten nichts davon. Können später wieder sagen, sie hätten nichts gewusst.

Viel schlimmer ist: Aus Bausteinen. Hortkinder legen Hakenkreuz. In einem Hort in Pirna soll sich ein rechtsextremer Vorfall ereignet haben. Da die Kinder nicht strafmündig sind, entscheidet die Staatsanwaltschaft, wie es weitergeht. Vier Kinder haben in einem Grundschulhort in Pirna mit Bausteinen und Kieseln Hakenkreuze gelegt. Die Polizei hat Ermittlungen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet, wie ein Polizeisprecher am Mittwoch mitteilte. t-online.de, 24.7.

Zu jung für Theorie, alt genug für Praxis

Diese Schlagzeilen nebeneinander:

[...] Kritik an AfD-Politiker [...] Dennis Hohloch sprach während einer Gesprächsrunde mit einer Grundschulklasse über „Messermänner“ und Gruppenvergewaltigungen. [...] sowie über verstümmelte Soldaten im Ukraine-Krieg. Angesichts des Alters der Grundschüler [12 Jahre] hat das eine Reihe empörter Reaktionen ausgelöst. Tenor: Derartige Themen seien nicht kindgerecht und einem Treffen mit Grundschülern nicht angemessen.

Aber „Elfjährige laufen mit Messer rum“, sagt der „Arche“-Sprecher welt.de, 31.7.

England: Drittes Kind stirbt nach Messerattacke [...] Es handele sich um ein neunjähriges Mädchen, teilte die Merseyside Police mit. Die anderen beiden Todesopfer seien ein sechs- sowie ein siebenjähriges Mädchen. [...] Acht weitere Kinder wurden bei dem Angriff im Badeort Southport nördlich von Liverpool durch Stichwunden teils lebensgefährlich verletzt. Fünf von ihnen schweben noch in Lebensgefahr. Ebenfalls schwer verletzt im Krankenhaus liegen zwei Erwachsene, die nach Polizeiangaben noch versucht hatten, die Kinder zu schützen. Täter ein 17-jähriger, Eltern aus Ruanda. welt.de, 1.8.

12-jährige sind zu jung, um vor Messerattacken gewarnt zu werden, die AfD löst Empörung aus. Allerdings berichten alle Sender zu jeder Uhrzeit ohne Altersbeschränkung über alle diese Themen. Sie brauchen noch nicht mal in die Schulen zu gehen, wir werden schon beim Aufruf des Postfaches (T-Online oder Web.de) mit blinkenden Nachrichten überschwemmt. Der ordentliche Bürger ist angehalten, sich vor die Tagesschau zu setzen, ohne Altersbeschränkung. Das Alter ist folglich nicht das Problem, und auch die Nachrichten nicht. Auch 11-jährige sind nicht zu jung, um mit Messern zu drohen, und 6-jährige nicht zu jung, um erstochen zu werden. Der Auslöser für die Empörung ist, muss man folgerichtig annehmen, dass AfD vor selbigem warnt. Wofür sie bekanntlich ausländerfeindlich u. rechtsextrem ist, bzw. gegen Waffenlieferungen, wenn sie von verstümmelten ukrainischen Soldaten spricht.

29. August, Homo automobilis

Seit paar Tagen aus dem Urlaub zurück. Main – Rhein – Mosel – Lahn. Für uns ein besonderer Urlaub, als Fahranfänger mit dem Auto. Leih-Auto ab Frankfurt und lernen das Reisen aus Fahrer-Perspektive kennen. Bevor ich unsere Reise-Erlebnisse schildere, ein paar Worte vorweg zum Auto, denn Autofahren ist politisch:

Bis vor einigen Jahren war ich so vehementer Auto-Gegner, als Monarch hätte ich Autos verboten. Der Fußgänger, der statt sich ins Trockene zu flüchten, im Regen steht, weil er trocken sitzenden Autofahrern freie Bahn gewähren muss... Oder der Spaziergänger auf dem Waldsträßlein zum See springt minütlich ins Gebüsch und unterbricht sein Gespräch, um einem Auto Platz machen zu müssen wie früher Untertanen dem Fürsten... Zwei Leute zu Fuß müssen Einem den Vorrang geben, weil der im Auto sitzt. Lass es zehn Leute sein, die müssen Platz machen für einen einzigen Typen im Auto. Sogar alte Leute und Rollstühle mühen sich beiseite für eine autofahrende Dame. Wer zu Fuß durch den Wald zum See geht, statt mit dem Auto direkt zum Strand vorzufahren, ist Mensch zweiter Klasse. Ganze Stadtteile und Plätze sind nur für Autos gestaltet, als schattenlose heißeste Betonwüsten, damit die fürstlichen Auto-Sessel-Sitzer schnell und glatt bis vor jede Tür gefahren kommen. Man hat erschöpfende Irrerei, um einen Weg auf die andere Seite einer monströsen Straße zu finden. Der Autolose, der auf seine Füße angewiesen ist, muss durch düstere, verpinkelte Untergrund-Tunnel unter die Straße hindurch, auf Banden und Pöbelei gefasst sein. Muss über Brücken, steile Stufen mit Einkäufen oder Gepäck, weil ebenerdig Autostraßen den Vorrang haben. Oder in grottig stinkende Pisser-Fahrstühle, die hoffentlich nicht stecken bleiben. Der zu Fuß gehende Mensch muss Erschwernisse dulden, um dem autofahrenden Menschen das Autofahren zu ermöglichen.

Christoph und ich waren leidenschaftliche Zugfahrer. Bis vor wenigen Jahren habe ich geschwärmt, wie man im Zug zeichnen oder schlummern kann. Während der Autofahrer nur mit Fahren beschäftigt ist. Verspätungen nicht so schlimm, wenn man ja zeichnet. Beruhigend grade Schiene, keine hektische Überholerei gereizter Autofahrer, selten Unfälle. Und Schienen schneiden nicht wie Autobahnen die Landschaften durch, dass ganze Tierfamilien getrennt sind und Wander-Routen gekappt. Ich war überzeugter Zugfahrer. Erst seit einigen Jahren wird das Zugfahren unmöglich gemacht. Merkwürdig: dieselbe Politik, die vor dem Klima warnt und aufs Autofahren schimpft, schafft zugleich unser Zugfahren ab.

Seit einigen Jahren diese Zustände: Wir verbrachten halbe Tage an eiskalten Bahnhöfen, weil nichts fährt, standen im Sommer in überhitzten Zug-Waggons in dicker Luft, mussten umsteigen in frostigsten Klima-Anlagen-Durchzug, von 40 Grad in 10 Grad, im August keine geeigneten Wintersachen dabei, holten uns eine üble Bronchitis, aber waren froh, dass mit Stunden Verspätung und Bangen um Anschlüsse überhaupt ein Fortkommen gelungen ist. Zur Corona-Zeit, 3G, kam es vor, dass man in einem Kaff landete, wo kein Testzentrum war: Ohne Test war es verboten, in einen Zug oder Bus zu steigen, ein Taxi zu nehmen, in Hotels oder Cafés einzukehren,... Man machte die Erfahrung, dass man obdachlos verhungern könnte, weil man ungeimpft ist. Oder dass man viele Kilometer zu Fuß Bundesstraßen oder Autobahnen laufen müsste. Zur Zeit des 9-Euro-Tickets war weitgehend gar kein Fortkommen mehr möglich: Wo der lebenslange Zugfahrer drauf angewiesen ist, sollten plötzlich Massen genuiner Autofahrer ihm die Züge streitig machen - dem Klima zuliebe. In Werbekampagnen wurden Autofahrer gelobt, wenn sie sich für 9 Euro unbegrenztes Zugfahren gewissermaßen schenken ließen. Die Beschenkten waren plötzlich Klima-Retter. Nie gehört oder gespürt, dass wir als ständige Zugfahrer, die immer teure Tickets bezahlt haben, je als Klima-Nützlinge anerkannt worden wären, geschweigedenn als Klima-Retter. Im Gegenteil wurde uns das Zugfahren vergrault, und hatten wir jetzt keinen Anspruch darauf, einen politisch überfüllten Zug zu bekommen. Folglich fürs Klima mussten wir deshalb den Autoführerschein machen. Und nach so teurem Führerschein wird einer nicht das Fahren gleich verlernen wollen. Man muss immer üben. Und so wurden wir vom Auto-Hasser zum Autofahrer im Urlaub.

Es hat auch sein ausgesprochen Gutes: Wir fühlen uns wie erwachsen geworden, mit 40, oder 50. Durch die gähnend weiten, für Autos gebauten Straßen mit Rädern statt Füßen, straßentauglich, städtebau-konform. Endlich haben wir ein passendes Format. Wie ein Kind, das groß genug geworden ist, um an den Tisch heran zu reichen. Das Auto ist eine anatomische Anpassung an die von Menschen gebaute Umwelt. Jetzt sitzen wir bei Wetter in diesen überdachten weichen Autosesseln, gesund klimatisiert und sind wir es, die den Fußgängern Straßenlärm und Straßenstaub machen, während wir's selbst drinnen leise und frisch haben, wir müssen nicht schreien wie als Fußgänger, wir können Musik hören, und endlich wird für uns an Ampeln gestanden, auf Plätzen springt man für uns beiseite. Der Auto-Mensch ist ein höherwertiger Mensch, dem der gesamte Verkehr untergeordnet ist. Ab und an steigt man aus und bewegt sich zu Fuß durch paar Einkaufs-Gässchen oder in eine Kirche hinein, aber eben nur dort, wo das Fußlaufen sich nicht wie eine Behinderung oder ein Überlebenskampf anfühlt. Wir sind geradezu Auto-Liebhaber geworden. Von der Politik zum Glück gezwungen, muss man sagen. Von der Corona-Gesundheits- und Klima-Politik zum Auto-Genießer gezwungen.

Die größte gesellschaftliche Anerkennung wird man vielleicht verdienen, wenn man nicht nur im Urlaub Auto fährt, sondern ständig, und ab und an Zug, als Klima-Retter. Christoph hat einen passenden Titel: Der Homo automobilis.

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Unsere Reise

12. August, Deutsch-Römische Kaiser

Bis Frankfurt am Main gute Zugfahrt. Als erstes sitzen wir vor dem Kaiserdom, ich Eiskaffee, Christoph Bier. Mir fällt ein lustiger Hund auf, der auf dem Hintern sitzt mit ausgestreckten Beinen, ganz menschlich. Er beobachtet Leute und lächelt. Ich zeichne einen Teil der Fassade des Kaiserdoms, gotisch. Unser Hotel liegt neben der EZB, mit U-Bahn sind wir kurzerhand im Zentrum. Kaufen Postkarten von der Bombenzerstörung.

Frankfurt – die Stadt, in der Kaiser und Könige gewählt und gekrönt wurden; es ist aber auch die Stadt Goethes, die Stadt der Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche, die Stadt der Messen (seit 1240) und der Börse. Frankfurt war eine der prächtigsten deutschen Bürgerstädte mittelalterlicher und zugleich großbürgerlicher Prägung, ... (Knaurs Kulturführer in Farbe Deutschland, 1976)

Kaiserdom: wo von 1356 an die deutschen Kaiser gewählt und seit 1562 auch gekrönt wurden, ebd.
Bzw. Krönungsort der römischen Kaiser. dom-frankfurt.de
Krönungsort bis dahin war Aachen (Pfalzkapelle).

Kurze Geschichte

In spätantiker Zeit eroberten die Römer das Land bis über die Donau hinaus und zum Main. Caesar kam kurz über den Rhein – aber standhafte Germanen. Er konnte die Kelten (Frankreich, Holland, Belgien) besiegen, aber der Rhein blieb die Grenze zu Germanien. Auch Augustus und die Folgenden bissen sich an den Germanen die Zähne aus. Zwar konnten Kastelle jenseits des Rheins errichtet werden, auch Germanen kämpften im Dienst der Römer gegen die eigenen Stämme, aber 5. Jahrhundert: Untergang des Weströmischen Kaiserreichs, unter anderem auch unter dem Druck der Germanen. wiki, Römisch-Germanische Kriege

Römer-Verehrung:
Karl der Große sah sich als Nachfolger der antiken Kaiser, wollte eine Erneuerung des Römischen Reiches. Ließ sich zu Weihnachten im Jahr 800 als erster wieder zum Kaiser krönen, in der Pfalzkapelle Aachen. Aachen seither Krönungsort.

10. Jh. Ottonen-Dynastie. Otto I. Kaiserkrönung am 2. Februar 962. Herausbildung des Heiligen Römischen Reiches. Translatio imperii wiki, Translatio imperii
Heiliges Römisches Reich (lateinisch Sacrum Imperium Romanum oder Sacrum Romanum Imperium), seit dem Ende des 15. Jahrhunderts auch Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation (lateinisch Sacrum Imperium Romanum Nationis Germaniae), war vom Spätmittelalter bis 1806 die offizielle Bezeichnung für das seit dem 10. Jahrhundert bestehende Herrschaftsgebiet der römisch-deutschen Kaiser. Der Name leitet sich vom Anspruch seiner mittelalterlichen Herrscher ab, Nachfolger der römischen Kaiser der Antike und nach Gottes heiligem Willen die universalen, weltlichen Oberhäupter der Christenheit zu sein, im Rang also über allen anderen Königen Europas zu stehen. Auch Altes Reich genannt, im Unterschied zu Nationalstaat seit 1871, wiki, Heiliges Römisches Reich
Amtssprache Latein.

Eine „kulturelle Aneignung“. Politisch-kulturelle Aneignung.

An der Furt

Abends im Café am Main-Ufer, viele spanische Touristen, sehr auffällig gestylt. Ich zeichne Italienerinnen am Nachbartisch. Nebenbei fiel uns auf, kam uns etwas ungewohnt vor, dass anders als in Leipzig, scheinbar weniger Asylanten-Männer-Gangs und -Banden an Bahnhof und Plätzen anzutreffen sind. Heißt es nicht immer, wir seien so ausländerfeindlich, obwohl wir kaum Migranten hätten? Im Hintergrund meiner Zeichnung müsste ich die Brücke über den Main ergänzen. Vor Jahren schon mal hier waren wir beeindruckt: Tausende kleine Schlösser mit eingravierten Namen und Liebesbotschaften an den Brückengeländern. Die Pärchen schließen die Schlösser dort an und werfen die Schlüssel in den Main.

Die Furt der Franken, Frankfurt, war eine Felsbarriere, über die der Main gefahrlos überquert werden konnte, ohne Brücke. Eine Legende Thietmar von Merseburgs: Hier hätten Sachsen gegen Franken (Karl der Große) gekämpft, wobei letztere unterlegen hätten. Karl dem Großen erschien eine weiße Hirschkuh, die ihm die Furt zeigte (Gottes Gnade), um auf die andere Mainseite zu fliehen, woraufhin er die Stadt gegründet habe (Buch 7,75). Soll aber nicht wahr sein. Also nicht das mit der Hirschkuh, sondern Sachsen gegen Franken an dem Ort falsch. wiki, Frankfurt am Main

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13. August

Waldgaststätte „Anikas Dachsstube“. Weit abseits einer Straße, Schotterwege zum Wandern und für Forst-Autos. Steile Abhänge, hohe Fichten und immernoch glühende Hitze. Wie wir eintreffen, sitzen Gäste vorm Haus und starren uns an wie im Western. Alles Holz. Rustikal dunkel lackierte Drechsler-Arbeit, aber lang nicht gemacht, 70er. Möbel aus der Zeit als Anika jung war. Man denkt an Hirsche und Wildschwein, Braten und Soße. Christoph diktiert mir: Da trat die Anika selber auf, Kittelschürze, unverständliche Sprache, dann Deutsch, kein hessischer Dialekt, sondern Hessisch auf Untergrund von Kroatisch oder Serbisch, Raucherstimme. So verraucht, dass neue Vokale gebildet werden, Raucher-Gutturale. Sie tritt in Erscheinung, als Gäste sich unterhalten, Kuchen sei alt und trocken. Sie sitzt am Nachbartisch und hat's gehört, kräht herüber: Den hätte sie selbst gebacken, der sei frisch. Der Konkurrenzgasthof sei eingegangen, der hätte alles bestellt, Fertigware, „Die Leut merge sowas!“, sie mache alles selbst. Nach Kuchen Politik: Der Jude sei an allem Schuld, die Israelis würden Kinder morden, „Das sin doch kei Mensche!“ Sei immer so gewesen, weil alle Juden von Judas kämen, dem Verräter. Da gelten wir Ostdeutschen als Nazis, aber kaum sind wir im Westen... so etwas haben wir bei uns noch nie gehört.

Das Haus hat Ladestationen für Elektro-Fahrräder. Vorm Haus Gäste in Fahrradsportbekleidung, brandenburger Dialekt, oder Berliner, Gesprächsfetzen: gegen Trump, fürs Klima.

14. August

Bad Homburg. Führung durch Kaiser Wilhelms II. Schloss. Eleganter, kundiger Hesse in besonnenem Tonfall macht's hoch interessant. Die Touries, wie die meisten Leute, wissen vor der Porträt-Gemälde-Galerie nicht, wer war Großvater, Sohn, Enkel, oder Ur-..., Onkel, angeheiratet usw. Kurz: Im Jahr 1888 herrschte noch Kaiser Wilhelm I., und starb im März. Ihm folgte der Sohn Friedrich III., aber leider wegen Krankheit nur für 99 Tage. Unter ihm hätte es wohl den ersten Weltkrieg nicht gegeben, sagt der Touri-Führer nachdenklich und alle sehen schweigend mit Schauer auf das Bild. Und so kam im selben Jahr der kriegs-affine Enkel an die Reihe (Dreikaiserjahr), Wilhelm II.
Schwere Geburt, Arm-Nerv eingeklemmt, zeitlebens verkürzter Arm, „Krüppel“, wussten wir gar nicht, wurde auch immer kaschiert, war für den Kriegskaiser etwas peinlich. Wir sehen Speisesaal mit Tafel. Badewanne mit Wasserhahn, aber Abfluss oberhalb des Bodens, sodass Diener den Rest Badewasser ausschöpfen mussten. Sattelstuhl, als Sitzfläche ein Pferdesattel, saß der Kaiser mit Schreibarbeit wie auf dem Pferd - wo sich nur Jimmi Carter einstmals hat drauf setzen dürfen und fotografieren lassen. Paar Touries melden sich, sie oder ihre Tochter hätten als Kind früher auch mal drauf sitzen dürfen. Ach ja? Staunt der Touri-Führer. Heut nicht mehr. Das Schloss war elektrifiziert, elektrische Klingel zum Diener rufen. Telefonzelle in einem Nebengemach = Holzkasten-Räumchen mit Telefon an der Wand. An Wänden und auf Tischen Gemälde, Druckgrafiken und Fotos. Möbel hat sich der Kaiser historisch in altem Stil anfertigen lassen, Historismus, kulturelle Aneignung. Vors Schloss hat er eine imposante Kirche gebaut, außen Romanik, innen Byzanz. Christoph sagt: Ulbricht in Leipzig: Wenn ich aus der Oper komme, will ich keine Kirche sehen, ließ die Pauliner Kirche sprengen. Ganz anders Wilhelm: Kein Schloss ohne Blick auf eine Kirche. Und was für eine! Dagegen ist die Leipziger Dominikanerkirche eine Hundehütte. Scherz, weil Dominikanes mit lat. canes=Hunde, domini=des Herrn in Verbindung gebracht werden.

Römer-Kastell Saalburg (Siehe Fotos). Kaiser Wilhelm hat als Schüler bei der Ausgrabung der Ruinen mit gearbeitet. Und es später wieder aufgebaut. Auch Ruinen-Reste auf dem Gelände noch dazwischen belassen, man erkennt Brunnen, Hauseingänge und kleine Räume. So wie Kaiser Wilhelm das Kastell rekonstruiert und wieder errichtet hat, so hat Christoph als kleiner Bub ein tolles Modell originalgetreu aus Pappe nachgebaut. Da stellen die Römer den Germanen Kastelle vor die Hüttchen und werden bis heute von ihnen verehrt! Wir sitzen im Haupthof und stellen fast, dass es aussieht wie der Kreuzgang einer Kirche, Brunnen innnen und Kräuterbeet, umlaufend Mauern und Pfeiler, Quadrat. Christoph sagt: Mönche als „Krieger Christi“, nach römischem Kriegsvorbild.
Museum mit Erklär-Tafeln: Ausbreitung der Kelten bis 5.Jh.v.Chr. Christophs Heimat. Am Ende ist Christoph Kelte und kein Germane? Ein Raum „Germanen im Dienste Roms“, „Durchmischung der Kulturen“. Opfer-Altäre mit Reliefs der Opfer-Werkzeuge: Messerset, Schlachtbeil, Blut-Schüssel bzw. Fleisch-Schüssel. Siehe die Werkzeuge, mit denen Christus gefoltert wurde, die Arma Christi. Das Christentum hat sich Kult und Bildsprache von den Römern übernommen. „Kulturelle Aneignung“. Ausgestellt auch viele, viele römische Leder-Sandalen, modern wie heute, stehen wie im Schuhgeschäft.
„Fahnen-Heiligtum“ – eine Halle, die Militär-Abzeichen beherbergt, wie eine Fahnenstange mit goldenem Adler. Über dem Adler schwebt ein goldener Lorbeerkranz. Ob der goldene, überm Kopf schwebende Kranz der Vorläufer des Heiligenscheins war?
Zum Abschluss sitzen wir im Museums-Restaurant und essen römisch: Lukanische Würstchen, Boleti (Pilze) mit Honigsoße, Oliven, Moretum (Zaziki).

Kulturelle Aneignung

Ich muss viel grübeln wegen dieser sogenannten „Kulturellen Aneignung“, seit ein nicht unbedeutender Teil unsrer Gesellschaft, ein Ton-angebender Teil, sogenannte „Kulturelle Aneignung“ verbieten will, bzw. um Erlaubnis gefragt haben will, rote Linien:

Eine weiße Musikerin, die von einer Demo wieder ausgeladen wird, weil sie Dreadlocks trug. Der Vorwurf: Kulturelle Aneignung – sie habe sich am Kulturgut einer Minderheit bedient, ohne deren Einverständnis oder Erlaubnis. Wen genau hätte sie fragen sollen? Wer ist der oberste Inhaber der Kultur, dass er befugt ist, die Nutzungsrechte zu verwehren? Dieser Fall wurde in den Medien heiß diskutiert. Ist es in Ordnung, wenn weiße Menschen Rastalocken tragen? Wenn sie Hip-Hop-Musik machen, ein Henna-Tattoo haben oder ein Palästinensertuch tragen? Nein – das ist Kulturraub und Diskriminierung, sagen die einen. Kein Problem, sagen die anderen, .... ardmediathek.de, 07.05.2024 ∙ RESPEKT ∙ ARD alpha

„Durchmischung“ von Kulturen hier also gar nicht gern gesehen. Diesmal nicht der Mangel an Durchmischung Nazi-verdächtig, sondern anders herum.
Die Christen hätten demnach die Römer erst um Erlaubnis fragen müssen, bevor sie sich ihrer Bildzeichen bedienen und ihre Kulte adaptieren. Schließlich war das arme, durch kulturelle Aneignung ausgebeutete, also diskriminierte Römerreich so schwach – es ist sogar untergegangen. Und ohne die Opfer zu fragen, tragen wir bis heute solche Schuhe! Und baut Kaiser Wilhelm ihr Kastell wieder auf.

Noch schlimmer: Die römischen Christen sangen jüdische Psalmen, und haben nicht gefragt. Die Jünger Christi waren Juden (Juden-Christen). Die Generationen danach, die Christus und seinen Opfertod verehrten, waren Heiden (Heiden-Christen). Anfangs verfolgt, aber als das Christentum beliebt und Rom schließlich christlich wird, betreibt Rom kulturelle Aneignung des Judentums in welthistorischem Ausmaß (römische Staats-Christen). Da hätte man die Juden um Erlaubnis fragen müssen.

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15. August

Sonnenterror am Rhein. Christoph hat immer erzählt, wie grell und heiß die Sonne aufs Wasser und die Ufer prallt. Davor stehen die Berghänge düster und lang gestreckt wie Wände, man blickt übers Wasser immer gegen Wände, kärgste Sträucher. Wenn sie nicht ganz so steil sind, wenn auch immernoch steil, sind sie mit grünen Weinplantagen bebaut. Von unten betrachtet kaum vorstellbar, wer dort am Abhang in der Sonne herum klettert und die Reben pflegt.
Jetzt fallen mir viele alte Kupferstiche ein, wo dunkle Berge im Schatten von Wolken liegen, oder weil sie so steil sind, sich der Sonne direkt abwenden und sich selbst den Schatten machen. Und deneben erheben sich Berge mit hellsten Sonnenseiten. Hat etwas von Schwarz-Weiß. Alles verläuft am Fluss entlang, Autostraße, Parkplätze, Schiene, Schifffahrt, eine breite, langer Ader. Immer weiter, weiter, weiter. Die Autos parken am Ufer entlang.

Kaub. Wir parken am Ufer auf der Höhe neben der Pfalzgrafenburg. Sie steht mitten im Rhein, man kommt sich eingefangen vor, zwischen Bergwänden, Fluss und Festung. Man kam nicht um die Burgen und Grafen, um den Wegezoll herum. Bei so vielen Burgen und Abkassierern: Mussten die Schiffe alle Hundert Meter anhalten und zahlen? Andererseits, ohne Burgen säßen wohl überall Piraten und Wegelagerer. Zahlt man lieber festen Zoll, aber weiß, dass man durch kommt und nicht die ganze Ladung einbüßt. Christoph flieht vor der Sonne, ich sehe am Ufer den Auto-Fähren zu, wie ich uns nachher mit Auto da rüber bringen soll, wie man das macht. Wir setzen uns in einen schattigen Biergarten, „Biergarten? Das war ja auch n Loch!“, kommentiert Christoph. „Polen-Kaschemme! Die waren ja sehr nett. Ich saß da und musste meinen Rhein-Sonnenterror-Schreck betäuben, und du sitzt da mit Rücken zum Rhein statt den Blick zu genießen! Wie n Außerirdischer! Das ist unnatürliches Verhalten!“ Gegen fünf wagen wir uns in den Ort. Kaum Leute. Verlassen. Kurpfälzisches Amtshaus 1485. In einer Wand eine Gedenktafel aus alten Zeiten, in alter, für Laien schwer lesbarer Schrift, daneben moderne Tafel mit Umschrift:

Im Jahre 1504 von Christi Geburt an gezählt, von Sonntag nach Maria-Himmelfahrt wurde Kaub sechsundeinehalbe Woche belagert mit ganzer Macht und Heereskraft durch die Landgrafschaft Hessen. Neunhundert Geschützkugeln aus Stein gehauen, deren Größe ihr hier unten schauen könnt, [Unten liegt eine sehr große Steinkugel, wie ein Medizinball in der Größe – aus Stein!] und achthundertdreissig echt gegossene Kugeln sind von den Hessen verschossen, gefunden worden ohne die zerbrochen und verloren sind, auch sind etliche in dem Rhein versunken. Und obwohl das Schloss Burg Gutenfels nicht so erbaut war, wie es seit dieser Zeit her von Pfalzgraf Ludwig neu ausgebaut worden ist, mussten dennoch die fremden Gäste (Belagerer) Kaub bei der Kurpfalz bleiben lassen. Das Schreiben wir Gottes Gnade zu und auch der wehrhaften Hand. Diese erhalten unser Vaterland.

Man hört von Ferne ein dumpfes Schlagen, buff – buff – buff, immer näher. Beim Blick um die Ecke in eine Gasse ein Kind, Mädchen, auf einer Schaukel, aber in Richtung Wand! Es schaukelt gegen die Wand! In eine Wandnische hinein – buff! Ein dumpfer hohler Knall. Erste Sekunde wird einem schlecht, ist das Kind ernsthaft gegen die Wand geknallt? Da kommt's schon zurück geschwenkt und guckt kühl zu uns herüber. Es schaukelt wieder gegen die Wand und wir sehen jetzt, dass es sich mit ausgestreckten Füßen an einer rostigen Metalltür in der Nische abfängt, weshalb es so hohl und dumpf klingt, und sich wieder daran abstößt. Wir lachen vor Schreck und denken uns Horrorfilme aus. Hatte das Kind nicht sogar glühende weiße Augen? Wir gehen eine Treppe zu einer schnuckeligen Restaurant-Terrasse hoch. Hotel und Restaurant zum Turm. Kein Gast, der Kellner deckt einsame Tische ein. Dahinter liegt die Stadtmauer an. Es eröffnet sich ein langer Gang auf der Mauer. Das lockige Hündchen vom Restaurant kommt freundlich ein paar Meter mit, bevor es wieder umkehrt. Nie gesehen: Man kann in die Stadtmauer hinein gehen und in ihr entlang, rechts murksige Wohnungstüren und Fensterchen, links hinter Pfeilern Hinterhof-artige Balkons. Hellhörig, Ausländer, Fernseher, Kinder, aber insgesamt still, wie aus der Welt gefallen. Blick auf den Rhein, Eisenbahnen rauschen am anderen Ufer entlang. Ich wünsche mir Kafka herbei. Wir gehen an der Mauer unten entlang zurück. Wieder nähert sich das Buff – buff – buff. Als wir aus der Richtung in die Gasse blicken, sehen wir die Mauer erst nur von der Seite, also sehen nicht, dass darin eine Nische ist, in die das Kind schaukelt, sieht aus, als wenn das Kind gegen die Mauer zu prallen droht, aber dann in der Wand verschwindet – buff – und unbeschadet wieder zurück kommt, ein Junge diesmal. Gäbe es hier doch ein sechswöchiges Stipendium für Künstler, um Grusel-Romane zu schreiben oder mystische Holzstiche zu entwerfen! Auf unserer kurzen Reise finde ich Kaub am inspirierendsten.

Auto und Fähre geht sehr einfach und schnell. Autos dicht aneinander wie in der Sardinenbüchse, Tür versperrt, kein Aussteigen, mit Rheinsonne auf dem Dach, armer Christoph, Fenster auf bringt keine spürbare Linderung. Neben uns ein Auto voll Teenie-Mädels, auch mit offenen Fenstern, sitzen wir so dicht und gucken einander in die Autos. Sie zappen sich Songs im Handy durch und entscheiden sich für Forever young, Alphaville, singen laut mit, Mädels-Party auf der Fähre, gerade 18, sehen aus wie 15, singen, dass sie forever young sein wollen. Rhein-Nymphen.

Kaub (bis 1933 Caub geschrieben) ist eine Stadt am Rhein im Rhein-Lahn-Kreis in Rheinland-Pfalz. Sie gehört der Verbandsgemeinde Loreley an, die ihren Verwaltungssitz in St. Goarshausen hat. Kaub ist nach der Zahl seiner Bevölkerung mit etwa 860 Einwohnern die kleinste Stadt in Rheinland-Pfalz und vor allem bekannt durch die im Rhein gelegene Burg Pfalzgrafenstein. Die Stadt ist seit 2002 Teil des UNESCO-Welterbes Oberes Mittelrheintal.
Nach der Völkerschlacht bei Leipzig überquerte Blücher hier den Rhein. Der Rhein war die Grenze zu Frankreich. Napoleon hatte alles erobert. wiki

Grenzen – rote Linien, die sich auf der Karte verschieben.

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16. August

Oberwesel – In der Liebfrauenkirche fällt uns ein bunt bemalter Skulpturen-Altar auf, mit großer Inschrift, die Maria als starke Kriegslenkerin, fortis bellona, verehrt. Erklär-Tafel: 30-jähriger Krieg.

Bacharach – Heinrich Heine: Unterhalb des Rheingaus, wo die Ufer des Stromes ihre lachende Miene verlieren, Berg und Felsen, mit ihren abenteuerlichen Burgruinen, sich trotziger gebärden, und eine wildere, ernstere Herrlichkeit emporsteigt, dort liegt, wie eine schaurige Sage der Vorzeit, die finstre, uralte Stadt Bacherach. Nicht immer waren so morsch und verfallen diese Mauern mit ihren zahnlosen Zinnen und blinden Warttürmchen, in deren Luken der Wind pfeift und die Spatzen nisten; in diesen armselig häßlichen Lehmgassen, die man durch das zerrissene Tor erblickt, herrschte nicht immer jene öde Stille, die nur dann und wann unterbrochen wird von schreienden Kindern, keifenden Weibern und brüllenden Kühen. Diese Mauern waren einst stolz und stark, und in diesen Gassen bewegte sich frisches, freies Leben, Macht und Pracht, Lust und Leid, viel Liebe und Haß. Bacherach gehörte einst zu jenen Munizipien, welche von den Römern während ihrer Herrschaft am Rhein gegründet worden, ...
Heinrich Heine, Der Rabbi von Bacherach, 1. Kapitel handelt in Bacharach, 2. in Frankfurt am Main Judengasse, das Viertel hinter dem Dom, vor dem ich gezeichnet hab', im 2.Weltkrieg total zerstört.

Begehbare und bewohnte Stadtmauer wie in Kaub. Das erste Foto zeigt den Gang, der oben auf der Stadtmauer gelegen ist. Über schmale krumme Treppen kommt man dort hoch. Putzige Gärtchen auf den Balkons, an einer Haustür hängen Flyer, dass dort eine Künstlerin wohnt. Blick auf Eisenbahnschiene und Rhein. Einmal rauscht ein Zug vorbei, man sitzt so dicht an durchfahrenden Zügen wie am Bahnhof, hier in Rheinblick-Cafés. Eine Etage höher in der Stadtmauer ragen Balkons hervor, wer dort wohnt, beobachtet den schmalen Stadtmauergang unter sich, die Leute in den Lokalen, den Nachbarn bei der Gartenarbeit, die Züge, die Rheinschiffe,...

Als es dunkel wird, sitzen wir im Posthof, Restaurant unter der hoch gelegenen Ruine der Wernerkapelle. Eine echte Verschwörungstheorie: Werner, ein Winzerjunge, wurde in Oberwesel von Juden ermordet und seine Leiche am Gründonnerstag bei Bacharach entdeckt. Die Juden sollen sein Blut für ihr Pessach-Fest verwendet haben. Ritualmord-Legende. Daraufhin ging eine große Judenverfolgung in der Gegend bis um die Mosel los. Die Christen verehrten Werner dann als Heiligen, errichteten ihm die Kapelle und stellten dort die angebliche Martersäule auf. Uns fällt „Anikas Dachsstube“, die Waldgaststätte von vor paar Tagen (13.August) wieder ein, wo Anika laut über alle Tische tratschte, dass Juden Kindermörder seien.

Quellen: Christoph bearbeitet originale Texte zu der Legende auf seiner Webseite → unter Civitates > Bacharach. durander.de
Bonfini schrieb (Acta Sanctorum):

Wozu der Jude Christenblut braucht
Dafür, dass diese verruchten (Juden)Menschen, solche Kindermorde begehen,
werden verschiedene Gründe / Theorien angeführt.
[...]
Als man (die christlichen Richter und Verhörer)
von den alten Juden, mit allen Mitteln der Folter,
die Gründe herausfinden wollte,
warum sie solche Scheußlichkeiten (Kindermorde) begehen,
da hat man entdeckt, dass es vor allem 4 Motive waren,
[...]

Motiv Nr. 1: sie hätten es so von ihren Vorfahren übernommen,
dass das Blut eines Christenmenschen,
bei der Beschneidung auf die Vorhaut aufgetragen,
ein wirksames Medikament sein kann, um den Blutfluss zu stillen.


Das zweite Motiv: sie glaubten (so die Juden unter Folter),
dass das Christenblut (eumdem), als Nahrungsergänzungsmittel,
höchst wirksam sei, um „die Liebe untereinander zu erhalten“ =
um des innerjüdischen gesellschaftlichen Zusammenhalts
und sozialen Friedens willen.


Motiv Nr. 3: sie hatten herausgekriegt, dass,
da ja bei ihnen Mann und Weib gleichermaßen
unter der Monatsblutung / Menstruationsbeschwerden litten,
das Blut eines Christenmenschen, als Trank verabreicht,
eine hervorragende Arznei gegen dieses Übel sei.


Viertens, dass sie bei sich ein altes,
aber (trotz seines Alters) absolut geheimes Arkandekret befolgten,
wodurch sie gezwungen seien, in irgendeinem Gebiet,
in Form eines täglich vollzogenen Rituals (ihrem Juden)gott
Christenblut zu opfern: und so sei es gekommen,
so versichterten sie wiederholtermaßen,
dass in diesem Jahr dieses Los den Juden von Tyrnau zugefallen sei.

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16. August, Rhein-Romantik

St. Goar – Blick auf die Burg Rheinfels. Knaurs Kulturführer schreibt: 1797 von den Franzosen gesprengt und seither als romantische Ruine erhalten, zog zahlreiche Literaten an, unter ihnen Ferdinand Freiligrath, Hans Christian Andersen, A.H. Hoffmann von Fallersleben und Emanuel Geibel. Die Ruine wurde zu einer wichtigen Station der romantischen Dichtung in Deutschland.

Geschichtlicher Abriss learnattack.de
Koalitionskriege:
1.) Revolutionskriege
Frankreich gegen Österreich und Preußen 1792-1797
Frankreich gegen Österr., Russl., Portugal, Engl. 1799-1802

2.) Napoleonische Kriege:
Frankreich gegen Österr., Russl., Schweden, Engl. 1805
Frankreich gegen Preußen 1806/07
Frankreich gegen Österreich 1809

3.) Befreiungskriege
Gegen Napoleon 1812-1815.

Schon in den ersten Kriegen hatte Frankreich das ganze linke Rheinufer eingenommen und viele mittelalterliche Burgen mutwillig gesprengt. 1815 Wiener Kongress: Wiederherstellung der alten Grenze von vor den Kriegen, heißt, im Norden nun beide Seiten des Rheins wieder deutsch. Deutscher Bund, souveräne Fürsten.

Rheinkrise – 1840 Franzosen immernoch empört, Adolphe Thiers drohte wieder mit Krieg gegen den Deutschen Bund, für Aufrüstung. Deutsch nationale Bewegungen, Verteidigung beider Rheinufer.

Trauer der Deutschen um die zerstörten deutschen Rhein-Burgen. Sehnsucht nach alten Zeiten, nach deutschem Mittelalter, Rhein-Romantik seit der Jahrhundertwende, und vorher schon unterschwellig.
[...] so sehr Romantik ein europäisches Phänomen ist, war doch die deutsche Romantik, im 19. Jahrhundert zumindest, vorbildgebend für die anderen Romantiken. Die deutsche Romantik war gewissermaßen das Vollbild [...] Rüdiger Safranski. youtube. PhilosophieKanal. Rüdiger Safranski – Die Labyrinthe der Reflexion. Über die Romantik (Gespräch 2007)

Foto 1: Wir sitzen in der Heerstraße, ich Eiskaffee, Christoph Schweppes, Blick auf die Burgruine, ich verpacke meinen Holzstich Katze im Schnee, und schicke sie als Cat in the Snow nach England für die Ausstellung Small but Mighty. Sie sitzt frierend vor verschlossener Glastür, hinter ihr ein dunkler Weg ins Ungewisse, Wald, Nacht, und – lassen wir sie ein? Sperren wir sie aus? Wird sie überleben und morgen wieder da sein? Verloren, einsam, heimatlos.

17. August, Deutschland, Deutschland über alles!

Oberwesel – Knaurs Kulturführer schreibt, dass heute, am 17. August, 1843, hier in Oberwesel, Hoffmann von Fallersleben zum erstenmal sein Deutschlandlied gesungen hat. Das Hotel Goldener Pfropfenzieher hat eine Gedenktafel am Haus. goldener-pfropfenzieher.com Haben wir auf der Reise übersehen: In diesem Gasthof, einer Zufluchtsstätte der Romantiker, sang Hoffmann von Fallersleben am 17. August 1843 vor Winzern und Freunden sein Deutschlandlied. Im Westen des Reiches erklang an dieser Stätte zum ersten male das Lied der Deutschen. Am Tage der Jahrhundertfeier des Deutschlandliedes 26. August 1941. Gedichtet am 26. August 1841 auf dem damals britischen Helgoland, im Jahr der Rheinkrise, gegen die Franzosen.

Aber vor allem für die Einigkeit der Deutschen:
Die vielzitierte Anfangszeile „Deutschland, Deutschland über alles“ fordert dazu auf, die Einheit Deutschlands höher zu schätzen als die Fürsten der zahlreichen Einzelstaaten des Deutschen Bundes. [...] Später galt diese Formulierung allerdings als Symbol deutschen Großmachtwahns. wikipedia → Das Lied der Deutschen

Ich muss wieder an die Leipziger Antifa denken: Den Deutschen Geist austreiben. Für Fürstentümer und Kleinstaaten? Oder Mittelalter-Burgen sprengen?
Manche Leute meinen, die ersten beiden Strophen von Fallersleben, zumal mit der Zeile Deutschland, Deutschland über alles öffentlich zu singen sei verboten. gutefrage.de Obwohl die dritte Strophe immerhin unsere Nationalhymne bildet. Manchen ist die Hymne peinlich, welt.de, 12.02.2017, aber verboten seien die ersten Strophen nicht: Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem Urteil im März 1990 entschieden, dass das ganze Lied – also auch Strophe eins und zwei – unter dem Schutz der Kunstfreiheit interpretiert werden darf. Strafrechtlich geschützt ist allerdings nur die dritte Strophe. – Wie ist das zu verstehen? Der Text sorgte in Europa für Verunsicherung – vor allem mit der Zeile, Deutschlands Grenzen sollten „von der Maas bis an die Memel“ und „von der Etsch bis an den Belt“ reichen. Damit waren auch Gebiete in Belgien, Italien und Dänemark gemeint, wo auch Deutsch gesprochen wurde. – Nun sind das aber einfach die Grenzen des damaligen Deutschen Bundes, wie er gerade bestand, und keine spezifische Forderung von Fallersleben (Abb. 2). Europa ist heut also verunsichert, weil die heutigen Grenzen nicht schon immer so waren.

Fallersleben wählte die Melodie der österreichisch-ungarischen Kaiserhymne (Joseph Haydn): „Gott erhalte Franz den Kaiser, unsern guten Kaiser Franz“. Sozusagen eine kulturelle Aneignung zur Provokation, ein vereintes Deutschland auf selber Stufe mit, bzw. gegen Österreich-Ungarn?

Wegen seines Eintretens für ein einheitliches Deutschland und seiner liberalen Haltung, die sich in seinen Unpolitischen Liedern äußerte, wurde Hoffmann 1842 von der preußischen Regierung pensionslos seiner Professur enthoben. Die Regierung warf ihm aufgrund der Schriften unter anderem „politisch anstößige Grundsätze und Tendenzen“ vor. Ein Jahr später entzog man ihm die preußische Staatsbürgerschaft und verwies ihn des Landes. Dies war der Wendepunkt in seinem Leben; Hoffmann ging ins Exil. Er irrte quer durch Deutschland, wurde aber von politischen Freunden aufgenommen. [...] Ständig von der Polizei bespitzelt, wurde er 39-mal ausgewiesen, darunter dreimal aus seiner Heimatstadt Fallersleben. An etlichen Stationen seines Wanderlebens wurden im 20. Jahrhundert Schrifttafeln an Gebäuden angebracht. wikipedia → August Heinrich Hoffmann von Fallersleben

(Laut Wiki soll die Uraufführung in Hamburg 1841 gewesen sein. „bei Fackelschein und mit Hornmusik“ des Hamburger Bürgermilitärs Und auch dort, an Streit's Hotel hängt eine Gedenkttafel: Dem Dichter Hoffmann von Fallersleben wurde anlässlich seiner Anwesenheit in Streit's Hotel im Jahre 1841 eine Huldigung dargebracht, bei der das Lied Deutschland, Deutschland über alles durch die Hamburger Turnerschaft u. Hamburger Liedertafel von 1823 zum ersten Male öfffentlich gesungen wurde. wikipedia → Das Lied der Deutschen)

Hoffmann in sein Tagebuch: 15. August in Coblenz. [...] [Trifft Freiligrath]. Den andern Morgen [also 16. August] wollten wir zusammen reisen. Ich wachte spät auf und erfuhr, daß sich Freiligrath bereits fort begeben hatte. Ich fuhr bald darauf mit dem nächsten Dampfschiffe nach St. Goar. Ich kehrte in die Lilie ein und besuchte Freiligrath, der daneben wohnte. Frau F. schien etwas verlegen. Als ich nach einigen Stunden wiederkehrte, war sie ganz freundlich und gesprächig. Geibel, den ich auch traf, blieb lange sehr ernst und zurückhaltend. Freiligrath schlug einen Spaziergang nach Oberwesel vor, Geibel betheiligte sich. Das Wetter war schön und die Abendkühle am Rhein erquickend. In Oberwesel aßen wir zu Nacht, tranken einen guten Wein und waren recht heiter. Ich sang viel, erziehlte viele lustige Geschichten und suchte Alles zu vermeiden was unangenehm hätte berühren können. Als ich anstimmte: „Deutschland, Deutschland über alles!“ sagte Geibel: „Auf diesem Gebiete sind wir Eins!“ – Um Mitternacht gingen wir heim, heiter und friedlich wie der schöne Sternenhimmel, über dem Lurleifelsen ging der Mond auf. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Das große Lesebuch, Mein Leben, 1.Bd., 1798 bis Frühling 1823.

Wir waren schon 2 mal an der Loreley, mit Zug, der rauscht aber schnell vorbei. Schiff? Das hält auch nicht an, wenn einer vorhätte, zu zeichnen. Da bleibt noch die Autostraße (Foto 3). Eine Gaststätte kam auf die Idee, dass man sich die Loreley vielleicht etwas länger ansehen möchte, und bietet die einzige Möglichkeit überhaupt, mit Blick auf die Lorley anzuhalten. Autoparkplatz. Sind wir gestern also mit dem Auto entlang und bedauern die armen Fußgänger und Radfahrer, die neben Tempo-Hundert-Lärm, auf Beton ohne Busch und Baum, Rhein-Romantik versuchen. Panorama-Restaurant geschlossen (Foto 4). Auf der Webseite präsentiert sich die Gaststätte mit selben Bildern wie wir: Immer steht einer vor seinem Auto, Blick auf Straße, Rhein und Loreley. Seit den 50ern! (Abb. 5).

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18. August, Rote Linien als Dekoration

Trier – Unsere Fahrt setzt sich fort an der Mosel. Knaurs Kulturführer schreibt: Trier ist die älteste Stadt Deutschlands. Eine Inschrift am Roten Haus behauptet, die Stadt sei 1300 Jahre älter als Rom. Tatsächlich wurde Trier 15 vor Christus von den Römern selbst gegründet., später Residenz des Kaisers, besonders Konstantins des Großen. [...] und trotz mehrfacher Zerstörung durch die Germanen wurde sie, dreimal so groß wie Köln, zu einer Weltstadt des Imperiums.

Christoph findet alte Texte, wie Konstantin, positiv gemeint, Terror ausgeübt hat, was viel wirksamer sei als die Rheingrenze:
Konstantin hat die Frankenkönige Ascaricus und Merogaisius zur Abschreckung hinrichten lassen, findet man bei Panegyricus um 310.

Daher der Friede, mein Kaiser, dessen wir uns jetzt erfreuen.
denn nicht durch die Strudel des Rheins werden wir mittlerweile
(mehr schlecht als recht) geschützt, sondern
von dem mit deinem Namen verbundenen Terror = durch Abschreckung.
Mag er nun im Sommer ausdörren, oder im Wintereis erstarren, wie er will:
der Feind wird, in beiden Fällen nicht wagen, ihn als Furt zu benutzen.
Klar, die Franken wissen, dass sie den Rhein überqueren können,
soweit du sie gerne hinüberlässt - als Selbstmordkommando;
aber auf (ihren) Sieg oder (deine) Gnade hoffen
(nach dem Rheinübergang) können sie nicht
(nachdem du ihre Könige in Trier den Bestien vorgeworfen hast).
Ja, was sie erwartet, das können sie sich,
nach der brutalstmöglichen Hinrichtung ihrer Könige,
ohne weiteres ausrechnen; und daher sind sie so weit davon entfernt,
einen weiteren Rheinübergang zu bewerkstelligen,
dass sie schon die pure Verzweiflung überkommt,
wenn sie nur die ersten Pfosten für die Brücke eingeschlagen haben.
Wo bleibt nun jene Wildheit bzw. die immer untreue =
legendäre Perfidie und Beweglichkeit (der Franken,
in ihrem Bestreben den Rhein zu überqueren, vgl. Tac. Hist. IV 74).
Jetzt wagt ihr (Franken) nicht einmal mehr,
euch weit entfernt vom Rhein anzusiedeln,
und sauft die Binnenflüsse (z.B. Lippe, Ruhr) aus,
ohne euch eine Sekunde lang sicher zu fühlen!
Ganz anders auf unserer Seite:
Unsere Kastelle, die in einigen Abständen aufgereiht sind,
schmücken nun die Grenze eher, als dass sie sie ernsthaft verteidigen müssten =
dienen nun eher der Dekoration als der Verteidigung des Imperiums.
Nun zieht der Bauer, (sicher) ohne Waffen,
an diesem (einstmals) schrecklichen = kriegsumtosten (Rhein)ufer seine Furchen,
und unsere Schafherden nehmen endlich im ganzen Rhein
(also nicht nur an der linken Hälfte, zaghaft) ihr „Vollbad“ =
wir können endlich das Niederrheinland als Viehschwemme nutzen.


durander.de → Civitates → Trier → Rheingrenze → Der Limes als Deko (Panegyricus)

„Und das paar Jahrzehnte, bevor das Römerreich untergegangen ist!“ meint Christoph. „Was Typen, diese Franken! Erst wollen sie links über'n Rhein, haben da die Macht, wollen sie wieder nach rechts, die Franzosen, und zerstören die deutschen Rheinburgen! – Gut, dazwischen liegen natürlich Jahrhunderte. Das Römerreich hielt genau genommen, schon noch 100 Jahre, Höhepunkt der Trierer Kultur 370, aufgegeben 400, 5.Jh. Verfall. Und Franken verteilten sich auf beiden Rheinseiten, auch in Deutschland. Sozusagen französische Franken gegen deutsche Franken...“

Vor der Porta Nigra (schwarzes Tor, das mal weiß gewesen soll, hören wir im Vorbeigehen einen Touristenführer zu seiner Gruppe sagen) bemerken wir nicht, dass sie von oben wie eine Kirche aussieht. (Foto 1) [...] dieses mächtigste Stadttor der Römerzeit auf dem Boden des römischen Weltreichs – einst Nordtor der römischen Stadtbefestigung, schreibt Knaurs Kulturführer. 1028 hat sich Simeon, ein Freund des Erzbischofs Poppo, hier einmauern lassen und sieben Jahre als Einsiedler in einer Zelle gelebt.
Christoph hat alte Texte, wonach es vier Tore gab, und das Tor auch damals schon schwarz war, nicht weiß, das schwarze Kriegstor: Nach Mars war es benannt, da er ja als Kriegsgott galt; und durch dieses Tor zogen sie also, wenn sie Krieg führen wollten, aus; „schwarz“ aber heißt es wegen der Traurigkeit, denn durch dieses Tor kehrten sei jeweils dann voller Trauer zurück, wenn sie aus dem Krieg flohen = sich blutige Nasen geholt hatten.
Ein anderes war das Weiße Tor, Porta Alba: Ein zweites Tor wurde dann im Osten errichtet, mit ganz feinen Türmen: durch dieses zogen sie ein, wenn sie den Krieg gewonnen hatten, und wurden dann durch ein Volksfest, in Fröhlichkeit, empfangen, weswegen das Tor das „Weiße Tor“ hieß. durander → Civitates → Trier → Porta → Nigra → Die Vier Tore (Gesta Treverorum)
Wir sind beeindruckt von der Konstanstins-Basilika. Neben dem Pantheon in Rom ist die Basilika der größte und großartigste Innenraum, der aus römischer Zeit überkommen ist. Friedrich Wilhelm IV. von Preußen hat Befehl gegeben, sie in „ursprünglicher Größe und Stilreinheit mit Benutzung der sehr bedeutenden Reste“ wiederherzustellen.

Wir sind sehr lange im Museum und notieren für unsere Zettelkästen. Raum 1: Kelten – 3.Jh.v.Chr. die Treverer, daher der Stadtname Trier. Keltische Münzen, meist Pferdemotive. Gefäße, Speerspitzen, klobiger Schmuck wie ihn heut moderne Künstlerinnen lieben,... Raum 2: Kommen schon die Römer, 1.Jh.v.Chr., prachtvollste Steinarchitektur und feinste Kunst, die armen Kelten haben wohl die Welt nicht mehr verstanden oder dachten, da kommen Übermenschen. Eine Halle großer Mosaiken von Böden und Wänden, Grabmäler, wieder viele Motive, die das Christentum übernommen hat: Beerdigungsmahl → Abendmahl, Trinkkelch mit Wein, Tauben, Lebensbaum... Oft Kapitelle an den Ecken mit grotesken Figuren wie später die Gotik. Hier finden wir ein Beispiel, wie eine Rhein-Nymphe ausgesehen haben mag (Foto 2), bzw. Mosel-Nymphe. Viele antikische Kalksteinfiguren 12.Jh., Mittelalter sieht immernoch aus wie Antike. Eine Kammer mit riesigem Münzenschatz, Gold und Silber. Christoph stellt sein Museumstühlchen am Eingang ab. Schon der vorige ist uns einfach heimlich entwendet worden, ich habe durch Etagen und Treppen irren müssen, um einen neuen aufzutreiben – hole ich ihn vorsichtshalber in die Kammer mit rein. Der Aufseher ermahnt mich, sei verboten, man könnte damit Scheiben einschlagen und den Schatz stehlen. So sehe ich aus? Stelle das Stühlchen wieder vor die Tür, Christoph muss stehen. Gruppe Museumsführung kommt hinzu, die Führerin plaudert süffisant eine Anakdote, wie der Goldschatz schon mal fast entwendet wurde. Aber ich hätte gar nicht den großen römischen Goldschatz genommen, sondern die dunklen keltischen Silbermünzen, die kaum einer anguckt, der „hessischen“ Kelten, die mit dem Vogelmensch, oder tanzendes Männlein, oder geflügeltes Männlein. Wie wir mit Raub-Plänen wieder vor die Tür treten, ist Christophs Stuhl verschwunden, Christoph bemerkt, dass derselbe „Opa“ von vorhin schon wieder seinen nun schon 2. Stuhl geklaut hat, und die „Oma“ sitzt auf dem ersten. Als die beiden demnächst aufstehen, und sich dick und träge aufrichten, und der Stuhl lose da steht, ziehe ich ihn, schwups, kurz weg, der „Opa“ merkt es aber, beschwert sich, ich schimpfe, dass es bereits der 2. Stuhl sei, den ich durch alle Etagen geholt hätte, er sagt, ihm sei „seiner“ auch schon 2 mal entwendet worden. Nun hole ich aber nicht für alle Bedürftigen ständig Stühle herbei. Der Aufseher steht daneben, irritiert darüber, dass Stühle umkämpfteres Raubgut sind als der Goldschatz. Am wertvollsten finde ich persönlich ein kleines allerliebstes Metallfigürchen, das einen Kelten darstellt, das Treverer-Männchen: Kelten hatten Mäntelchen mit Zipfelmütz-Kapuze an, den Cuccullus musium-digital.de, wie so ein Rotkäppchen, so stelle ich mir vor, hat Christoph ausgesehen, falls er Kelte und nicht Germane war. Bezeugt auch in einer römischen Wandmalerei: ein keltischer Bauer, und als Relief.

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19. August

Kloster Pfalzel Trier – In Kloster Pfalzel haben wir unsere Unterkunft: Frühstück unter Kreuzganggewölbe, oder auf der Terrasse vor der gemütlichen Mosel unter grünen Bäumen. Zimmer mit Barockstuck. Auf hochwasserfreier alluvialer Sandterrasse gelegen, erheben sich, kaum 60 m von der Mosel, in dem von wehrhaften Mauern umgebenen Stiftsbezirk von Pfalzel die Stiftskirche mit anschließendem Kreuzgang und Klostergebäude (heute Klosterschenke) sowie die bischöfliche Burg. Römische Mauerreste bis 11 m hoch. (Frühchristliche Zeugnisse im Einzugsgebiet von Rhein und Mosel, hrsg. v. Theodor K. Kempf u. Wilh. Reusch, Trier 1965). Mit der Verlegung der Präfektur von Trier nach Arles um 400 n. Chr. unter Stilicho und dem Abzug der Limesbesatzungen wird das Rheinland und auch das Trierer Land schutzlos dem Zugriff der Franken überantwortet, die 407, 428 und 431 sowie 436 den Rhein überschreiten und das Hinterland heimsuchen. Ebd. – Heimsuchen? Sind nicht die Römer die Heimsucher und die Franken hier zu Hause? „Nee,“ meint Christoph, „die Römer sind doch schon seit 400 Jahren dort! Und die Franken, die gab es unter Caesar doch noch gar nicht, die erwähnt er gar nicht. Die Franken, das sind so ganz grobe Burschen, tjo, wo kommen die eigentlich her?“ Erst 291 erstmals erwähnt. Franken (sinngemäß „die Mutigen, Kühnen“) waren einer der germanischen Großstämme aus der Gruppe der Rhein-Weser-Germanen. Sie formierten sich im 3. Jahrhundert im Umfeld des von den Römern besetzten Teiles Germaniens durch Bündnisse mehrerer Kleinstämme, haben Gallien verwüstet,... wikipedia → Franken (Volk) Also doch Einheimische?

Thermen – (Fotos 1-3) Heute besuchen wir die römischen Thermen in Trier. Laut Schautafel 3.Jh. gebaut, für wenige Jahrzehnte in Betrieb gewesen, 4.Jh. schon als Kaserne missbraucht und verfallen lassen. Das Porta Alba, weiße Tor, das ich gestern erwähnt habe, wurde hier einfach eingebaut, wurde aus Thermen gebaut. Christoph hat Sonnenterror, große, kahle Sonnenfläche, niedrige Mauerreste. Wir beginnen dort, wo noch hohe Mauern sind, ich skizziere die Bauweise, dünne und dicke Ziegel geschichtet, oder viele tragende Bögen aus dünnen Ziegeln übereinander verschränkt. Treppe hinab, überraschend großes Keller-Areal, lange, Hallen-hohe Kellergänge wie ein Gitternetz angeordnet, dass sie sich immer kreuzen, in regelmäßigen Abständen kleine Tageslicht-Fenster in der Decke. Teilweise moderner Putz an Wänden und angebrachte Pfeile als Wegweiser, damit man sich im Keller nicht verläuft. Heizräume, wo von unten das Wasser geheizt wurde, nicht nur fürs Badwasser, sondern bekanntlich die Fußboden- und Wandheizung (hypokaustum). Und besonders interessant: ein kreissegment-förmiger schmaler Gang mit vielen kleinen Rohröffnungen und darin steckenden Rohrresten aus rotem Ton auf beiden Wandseiten, alle in gleicher Höhe, ca. 1,30 m – wir sind im unterirdischen Bewässerungssystem. Insgesamt arbeiteten im Durchschnitt in den großen Thermen wie Traians-, Caracalla- oder Diokletians-Thermen ca. 3.000 Sklaven. In den kleineren Thermen ca. 1.000 Sklaven imperium-romanum.info Einige Kellerschächte sind ohne Oberfenster, da mussten die unterirdischen Sklaven eifrig heizen und Zeug tragen in dunkelste Schächte hinein. Mit Fackellicht, denk' ich.

Oberirdisch: Christoph meidet die Sonne und kommt nicht mehr mit. Piscina. So ein kleines halbkreisförmiges Becken mit rundum Sitzstufen. Da Piscina Fischbecken heißt, meditierten sie dort vielleicht über schöne Fische wie vorm Aquarium. „Nee, du redest Quatsch!“, korrigiert mich nachher Christoph, „das sind Schwimmbecken! Dort wurde geschwommen.“ – Nicht jedes Schwimmbad hatte das: In einigen Thermen gab es in der palaestra auch ein Außenschwimmbecken (piscina).imperium-romanum.info. „Aber bisschen arg klein zum Schwimmen!“ meine ich ungläubig, und stelle mir vor, wie 10 dicke, nackige Römer auf den Stufen herum sitzen und alle zugucken, wie drei andere dicke in der Mitte in dem kleinen Becken planschen.

Während auf den Sportanlagen im Außenbereich der thermae körperliche Betätigung im Vordergrund stand, diente der Besuch im Inneren der Anlage vor allem der Entspannung und bot damit die Möglichkeit zum zwanglosen Gespräch mit Verwandten, Freunden, Parteigängern, Klienten und Geschäftspartnern. Dementsprechend konnten Aufenthalte in den Thermen mehrere Stunden dauern. Auch Schriftsteller und Dichter nutzten den Besuch in den Thermen, um den anderen Badegästen ihre Werke vorzutragen, was nicht unbedingt immer auf die ungeteilte Begeisterung der Zuhörer stieß. imperium-romanum.info Es gab auch medizinische Bäder: Schlammkuren, Heiß- und Kaltbad, in Wein oder Sand...
Ein Mauerrest zeigt: auf Steinen Putz (Kalkmischung), darauf Abdrücke von Fliesen, darauf wiederum sollen Marmorplatten befestigt gewesen sein. Alles prachtvoll, Malerei, Mosaik – Schwimmbad-Paläste.

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Amphitheater Trier – Nicht weit von den Thermen, nur über öde Autostraßen etwas berghoch durch Wohnstraßen, gelangt man zu einem römischen Amphitheater. Wir passieren den Eingang und stehen überrascht mitten auf dem Arena-Platz unten drin, gucken entsetzt wie Löwen in die Zuschauer-Ränge (heut Rasen). In den Wänden kleine Buchten, carceres, in denen die Tiere eingesperrt waren, bzw. die geöffnet wurden, um Tiere aufeinander zu hetzen. Zuschauer betraten damals natürlich nicht die Bühne wie wir hier, es gab imposante große Eingänge direkt zu den Sitzreihen, mit Marmor, Mosaiken, Skulpturen,... Man kann heut die Tierbuchten betreten und sich darin umsehen, sehr enge, kleine Ställchen und ganz dunkel, riesige Langbeinspinnen-Horden über den Türchen, und nach außen geguckt, denkt man als Löwe wohl, man muss hier raus, aber ist erschrocken, was einen erwartet auf weiter, greller Sonnenfläche, und prompt stehen da andere böse Löwen, oder Bären oder Menschen, und da die Buchte einmal offen ist, kann man sie nicht mehr zum Rückzug verwenden, man säße dort in der Falle, man muss sich zu Tode kämpfen.

Ob es etwa hier war, wo Kaiser Konstantin die Frankenkönige hingerichtet hat und für diesen Terror gelobt wurde? (Eintrag gestern, 18.8. → Der Limes als Dekoration). Hier wurde eine noch wirksamere rote Linie als der Rhein überschritten: die Ermordung der Frankenkönige, auf so unwürdige Weise den Tieren vorgeworfen.

Aus Christophs Text-Sammlung:
Der junge Konstantin zu Trier profiliert sich als Barbarentöter; Höhepunkt: die Ermordung der Reges Francorum im Tierkampf
In Gallien = zu Trier regierte er unter gewaltiger Zustimmung
sowohl der Soldaten wie der Provinzialen,
indem er die Franken und Alamannen verheerend schlug
und ihre Könige gefangennahm, die er sogar,
unter Veranstaltung einer spektakulären Show im Amphitheater,
den Tieren vorwerfen ließ.
Selbst die Könige des Frankenreichs höchstpersönlich,
die, in der Absenz deines Vaters (Constantius weilte zuletzt in York)
den Frieden (in den Rheinprovinzen) verletzt hatten,
hast du ohne zu zögern, unter den schlimmsten Foltern strafen lassen,
ohne Rücksicht auf den
ewigen Haß und unsühnbaren Zorn dieses Volkes.
Warum sollte auch ein Kaiser irgendeine Konsequenz
aus seiner strikten Erbarmungslosigkeit fürchten,
wenn er in der Lage ist,
die Folgen seines Handelns unter Kontrolle zu halten.
Damit hast du, mein Kaiser,
jenes alte Selbstvertrauen des Römischen Reiches erneuert,
das ja die Strafe an den gefangenen Führern der Feinde
durch Hinrichtung zu vollziehen pflegte.
Darin (in der Sicherheit der Rheingrenze) besteht, mein Konstantin,
der täglich spürbare und nachhaltige Effekt des Sieges,
den du durch die Hinrichtung des Ascaricus und des Merogaisus errungen hast,
und er verdient mehr Respekt als alle einstmals gewonnene Schlachten zusammen:
denn in der Schlacht siegt man nur einmal,
endlos aber durch ein „Lehrstück“ = durch das statuierte Exempel
(indem man den Franken zeigt, wo am Niederrhein „der Hammer hängt“).
Das Volk, da mögen so viele gefallen sein wie wollen,
bekommt von seiner Niederlage nichts mit;
daher ist es eine sinnvolle Abkürzung (statt einiger 100.000 Franken)
die Führer der Feinde, über die man siegen will, zu ermorden.
Du, mein bester Kaiser, hast gleich zu Beginn deines Prinzipats,
obwohl noch unreif an Jahren, aber umso reifer für das Reich,
deutlich genug demonstriert, dass man, wenn die Leistung es eilig hat,
nicht auf den (langsamen) Lebenslauf erst warten muss.
Du hast, gleichermaßen tüchtig am Hof wie zu Felde,
nirgends eine Stufe erklommen,
ohne dass dir der Ruhm gefolgt wäre wie ein Schatten.
Du bist, durch die Festsetzung
des Königs Ascaricus und seines Genossen,
in militärischer Hinsicht derart erfolgreich durchgestartet,
dass wir dadurch eine Bürgschaft haben
für eine Größe von unerhörtem Ausmaß!
Hercules, so die Sage, soll, noch im zarten Säuglingsalter
zwei Schlangen eigenhändig umgebracht haben,
sodass schon im Kleinkind sein Kraftgenie aufleuchten konnte;
genauso, mein Kaiser, auch du: noch in der Wiege deiner Macht
hast du, als ob du zwei Zwillingsdrachen töten würdest,
durch die die sensationelle Hinrichtung der grausamsten Könige
deine Krippenspiele veranstaltet.

durander.de → Civitates → Trier Amphitheater → Francos ad leones

Hier ist übrigens der erste Christ, der erste König, der das Christentum angenommen hat, beschrieben. Man kann alles machen, wenn man die Folgen seiner Tat schützen kann. Dann gibt's kein Recht mehr, erklärt Christoph.

Das Theater ist unterkellert, um Grundwasser abzuleiten. Christoph stellt sich vor: auch für Hebebühnen-Technik. Im Collosseum, dem größten Amphi-Theater, konnte man Seestück-Schauspiele aufführen, Seeschlachten. Bewegliche Kulissen, die zur Spannung verändert wurden, richtige Shows wie bei Rammstein. Auf dem Rückweg zum Auto rechnet Christoph herum, wie teuer so ein Löwe gewesen sein muss. Wenn reiche Leute, wie Elon Musk so reich, zu ihrem Ruhm ein Spektakel haben aufführen lassen und dafür so viele Löwen geopfert,... ein Löwe etwa wie eine Luxus-Limousine?

welt.deDie Römer metzelten Hunderte wilde Tiere an einem einzigen Tag nieder.

Den Christen wurde vorgeworfen, Kinder zu schlachten, Messen zu feiern mit Kinderblut (das, was später die Christen wiederum den Juden vorgeworfen haben). Darauf antwortet Tertullian, als Christ, den Römern, sie müssten sich an die eigene Nase fassen: [...] will ich zeigen, daß Derartiges bei euch teils öffentlich, teils im geheimen verübt wird, was vielleicht der Grund ist, warum ihr es auch von uns geglaubt habt tertullian.ogr → 9. Kap.

Die Frau des Marc Aurel soll ihren Unterleib in Gladiatoren-Blut gebadet haben. Die Story: Sie hat sich, als die Gladiatoren vorüber gingen, so in einen verliebt und ist darüber so liebeskrank geworden, dass sie es ihrem Mann erzählt hat. Er befragte das Orakel, was zu tun sei. Das Orakel entschied, dieser Gladiator müsse umgebracht werden und die Frau solle sich den Unterleib mit seinem Blut waschen, bevor sie mit ihrem Mann schläft. So sei später erklärt worden, warum der Sohn des edlen Marc Aurel so anders geraten sei als der Vater. (Marc Aurel-Vita des Iulius Capitolinus, Kap. 19, 1-5 penelope.uchicago.edu).

Die spätere Christus-Blut-Verehrung hat offensichtlich lange Tradition. Und dann wird solches den Juden vorgeworfen, wie vor paar Tagen beschrieben.

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20. August

Bernkastel-KuesKues wurde berühmt durch Nicolaus Cusanus, Kardinal, Philosoph und Theologe, der 1447 seinem Geburtsort das Hospital für 33 alte bedürftige Männer stiftete. Nach seinem Tod wurde sein Herz in der Kapelle beigesetzt, sein Körper ruht in Rom. Am Hospital schließt eine Kapelle an, worin seine Grabplatte liegt, daneben der besonders schöne spätgotische Grabstein seiner Schwester, schreibt Knaurs Kulturführer in Farbe. Wir stehen vor dem Stift, Altenheim, sieht sehr privat und verschlossen aus. Draußen viele alte Frauen an Tischen unter einem Zeltdach, mit Kaffee und Kuchen und Blaskapelle, schunkeln. Soll großartige Bibliothek besitzen, nach Anmeldung, lesen wir ehrfürchtig.
Ins Ortsgetümmel, Massentourismus, Cafés alle überlaufen, nach vielen Runden ein kleines Tischchen für zweie frei, schnuckeliger Blick auf die Weinstube Spitzhäuschen. Kaum dass wir die Taschen abgelegt haben, überfällt uns, wie allgemein üblich, die Kellnerin, was wir trinken möchten, und will notieren. „Eiskaffee bitte“, sage ich. „Haben wir nicht. Wir haben Kaffee oder heiße Schokolade“, sagt sie an, Stift bereit, soll ich eins von beidem wählen. Klingt beides ziemlich heiß statt eisig. „Oh, äh, hätten Sie bitte eine Karte, würde ich erstmal schauen.“ Sie guckt beleidigt und protestiert: „In der Karte steht kein Eiskaffee, das können Sie mir glauben.“ – „Oh, äh, ja, ich meinte, ob ich vielleicht schauen dürfte, was Sie haben...“ Ziemlich verbittert geht sie Karten holen und wirft sie uns auf den Tisch. Ich muss an Corona denken, weil Karten verpönt. Christoph guckt von unserem Tisch hoch zu den Touristen, die um uns rum stehen. Wir sitzen gewissermaßen an der Hausecke mit rechts bergab und links berghoch, in einer Touristen-Überflutung, in der Strömung. Bevor die Kellnerin wieder kommt, machen wir uns still und heimlich aus dem Staub. Ich gewöhne mich langsam daran, Fotos zu machen statt zu zeichnen, aber bisschen weh tut es doch, so schöne Zeichenmotive.
Den normalen Besucher zieht es wie magisch zur Burgruine Landshut hoch. Soll renoviert sein, Römer, Ritter, Ränkespiele und sehenswerter Ausblick. Kurfürst Boemund II. soll schwer krank gewesen sein, die teuerste Medizin konnte nicht helfen, aber ein guter Wein dann doch. So kam der Bernkasteler Doctorwein zu seinem Namen. Die berühmte Weinlage ist noch heute die Teuerste der Welt. mosel.de/freizeit/burgen In Wahrheit ganz anders: Die erste urkundliche Erwähnung fällt in das Jahr 1677. Damals erbte ihn der Geistliche Rat Heinrich Linden. Belegt ist allerdings, dass ihn König Edward VII. von Großbritannien als „Medizin“ trank. Im Jahr 1900 erwarb Geheimrat Julius Wegeler, Mitinhaber der Sektkellerei Deinhard, eine 43,22 Ar große Parzelle am Doctorberg zum Preis von 100 Goldmark pro Rebstock inklusive der im Keller befindlichen Weine. Seither hat die Steillage den Ruf, Deutschlands teuerster Weinberg zu sein, da dieser Kaufpreis bislang (Stand 2012) für einen deutschen Weinberg nie wieder erreicht wurde. wikipedia → Bernkasteler Doctor

Wein als Medizin – nichts besonderes, meint Christoph. Apostel Paulus rät Thimotheus, weil der oft krank sei, zu Wein statt immer nur Wasser (1. Timotheus 5, 23). Und wie gesagt, vor ein paar Tagen in Trier, römische Thermen, Bäder in Wein.
Nach unserer verpatzten Gelegenheit vorhin, einzukehren, finden wir keine zweite. Rettung Döner, eine echte Döner-Empfehlung! Tröstet uns über den Blick Richtung Autostraße hinweg. Dahinter, unterhalb der Straße die Mosel. Ähnlich wie der Rhein hängen Mosel und Autostraße immer aneinander wie ein Stromkabelbündel.

Kröv – Hier haben wir unser Hotel an der Mosel. Am Ufer campen Wohnwagen, Leute spielen auf der Wiese Kugeln werfen in der Abenddämmerung. Gestern hat eine Gänsefamilie lange Gras geknabbert. Eine Gans hat sich zum Schlafen zusammen gekuschelt, sich erst aufwendig geputzt und dann das Köpfchen in den Flügel gesteckt, woraufhin die Gans daneben ebenfalls müde geworden ist, immer nach und nach hat sich eine Gans daneben gesetzt und zum Schlafen fertig gemacht. Als endlich alle schliefen, kam eine Frau mit Hund vorbei, Gassi am Ufer, alle Gänse wieder wach und watscheln unter Schimpfgeschnatter zum Steg, sprungbereit fürs Wasser, bis der Hund vorüber ist. Die lange Schlafengeh- und Putzprozedur von Neuem. Wegen Störungen noch einige mal. Beim Herumsehen entdecke ich auch kein Uferplätzchen, wo nicht irgendein Hund nochmal entlang käme. Müssen müde sein, die Gänschen.
In den stillen dörflichen Straßen ein Winzer am andern, vor den Türen Weißweine zum Verkauf. Heute sitzen wir abends bis Mitternacht in einem Weinlokal, und lauschen Winzergesprächen. Wir sind fast die einzigen Gäste, Nachbartisch große Runde Einheimischer, Kellner und Kellnerin sitzen dabei und bedienen ab und an. Auf jedem Tisch alles weiße Moselweine. Gespräche übers Weinmachen, wie es der Nachbar macht, oder die Großeltern schon gemacht haben, ob wer gepanscht hat. Dialekt verstehe ich nicht immer, Christoph sagt, zwischen Rheinländisch, Koblenz, Hessisch. Inhalte und Gesten wie Dudenhöffer (Heinz Becker), jetzt über Abwasserrohre und Ventile. Wer sich ein Bild machen will, guckt Dudenhöffer: youtube. Christophs Onkel aus Wiesbaden ist immer mit Auto in die Moselwein-Orte gefahren und hat den ganzen Kofferraum voll geladen.

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21. August

Bad Ems – ist nicht unter B und nicht unter E in Knaurs Kulturführer. In der Mitte liegt die Lahn, Bad Ems ist immer ein Panorama, von der einen Uferseite aus rüber geguckt, oder von der anderen. Auf der Brücke ist es von einem roten Blumenrand unterlegt. Berühmter Kur-Ort, 19.Jh. „Weltbad“, Kaiser, Zaren, Künstler. Kaiser Wilhelm I., die Zaren Nikolaus I. und Alexander II. von Russland, Richard Wagner, Dostojewski.
Unser Hotel Monet liegt direkt beim Künstlerhaus Schloss Balmoral. Schloss Balmoral fördert bildende Künstler:innen aus aller Welt und jeden Alters durch jährlich ausgeschriebene Stipendien. [...] Die geförderten Künstler:innen leben und arbeiten im Schloss Balmoral in Bad Ems. balmoral.de
Liste der Stipendiat:innen: Dora, Liza, Mary, sind jeweils Künstler:in.
2-3 mal habe ich mich für ein Stipendium beworben, immer abgelehnt, und betrachte das Haus jetzt, als ungeförderte Tourist:in auf eigene Kosten, etwas wehmütig.

Jahresthema 2025
Call for Applications: Tricksters, Unite!
In einer sich radikalisierenden Welt können die Figur des Tricksters und die ihm anhänglichen Kulturtechniken subversive Gegenmodelle zu vorgeblichen Eindeutigkeiten bieten. Als Propagandist:innen der Wegkreuzungen und der Vieldeutigkeiten laden Trickster zum Spiel mit Wahrnehmungen, zur Infragestellung absolut geltender Regeln und zur wohldosierten Kollision mit Gewissheiten ein.
– „Hier kann sich Selenski bewerben“, meint Christoph. – Trickster können kosmologische und ideologische Ordnungen ins Wanken bringen. Tricksterism charakterisiert das Spiel mit dem scheinbar Unvereinbaren [...] Positionen rund um das Verschieben von Perspektiven, das Ausdehnen von Möglichkeitsbereichen, das Schmuggeln als Verhandeln, – „Selenski!“ – das Ermöglichen des Utopischen; – Mir fällt die Mars-Besiedlung ein. Elon Musk war bisher nicht unter den Balmoral-Stipendiaten:innen? – Techniken des Widerstands und des Andersdenkens [...] Das Jahr 2025 wird zu einer Konstellation von Versammlungen im Namen des Tricksterism.
Dem Beirat gehören an: der:die für Wissenschaft zuständige Minister:in oder der:die ständige Vertreter:in oder Vertreter:in als Vorsitzende:r
balmoral.de
Wie Uni Leipzig: Brich jedes Gesetz! steht im Eingang des Seminargebäudes. Vgl. Keine roten Linien mehr, Olaf Scholz einst. Sozusagen ruft der Staat (staatlich gestützte Institute) zum Verfassungsbruch auf, während er die Opposition vom Verfassungsschutz beobachten lässt, staatlicher „Widerstand“ gegen Bevölkerungsgruppen.

Unser Hotel Monet nebenan hat sich künstlerisch nicht beeinflussen lassen, zwar sehr offensive „Malerei“ auf sehr großen Leinwänden im ganzen Haus, aber nicht von Künstler:innen und Tricksters, sondern eher Ärzt:innen, die sich in die schönen grellblauen Farbtuben im Laden verliebt haben.

Es ist etwa 19 Uhr und die Rezeptionist:in, die aber nicht gendert, empfiehlt uns zwei letzte Restaurants, die noch geöffnet seien, Thailänder:in und Inder:in, könne man sehr gut noch was zu essen bekommen. An der Brücke, wo tatsächlich alle Lokale rundherum, wenn nicht schon geschlossen, ihre Tische abräumen und blank wischen, die Kissen stapeln und Stühle zusammenbinden, bekomme ich Hungerpanik. Döner-Rettung, schließt spätestens halb 9. Lockdown. Wir sitzen, vorm Verhungern gerettet, in fremdem, geschlossenen Lokal an der Lahn und krümeln speckiges Kalbfleisch herum.

Mondäne Villenstraße. Die berühmte Spielbank, wo die feinen Leute ihr Geld verspielt haben. Kurpark. Frauen mit Kopftüchern. Jugendliche Kerle chillen an Fenstern, Jugendherberge-Stimmung. Aufgehängte Wäsche hinter kaiserlich schmuckvollen Balkon-Schmiede-Geländern.

Wir finden doch noch ein offenes Lokal in der Dämmerung, mit Gästen, beim Kaiser-Wilhelm-I-Denkmal. Aber kaum steht mein Aperol Spritz auf dem Tisch, räumt die Kellner:in, Tatoos Swinger-Style, die Kissen rundherum ein. Wir fotografieren die Speise- und Getränkekarte: Preise wie Leipzig vor 20 Jahren, Grauburgunder 4,50. Liköre 1,80. Pott Kaffee 2,50. Wir nehmen an, wie so oft, man verdient hier im Westen mehr als in Leipzig, aber zahlt weniger.

Nachts wieder am Hotel Monet, stehen wir vor verschlossener Tür, grackeln und kommen nicht rein. Der Schlüssel schließt nicht auf. Infragestellung absolut geltender Regeln, schon der Einfluss von Schloss Balmoral? Christoph ruft die Nummer an, die wir anrufen sollten, falls was ist. Geht keiner ran, Christoph spricht drauf. Akkus leer, seins immerhin noch hoffnungsvolle 7%. Auto hat USB-C Anschluss, Handykabel USB. Auf der Straße schlafen, im Busch, im Auto. Neues Hotel googlen, anrufen, wo noch eine Rezeption wach ist. Christoph wird fündig. Ich frage nicht, wieviel Prozent Akku noch, Christoph telefoniert mit Philologen-Sprach-Ökonomie, präziser als Nato-Raketen und dabei noch höflich, Park-Hotel, persönliche Daten durchgeben, navigiert uns hin, checkt unter telefonischer Anleitung digital ein, von Rezeption niemand vor Ort, mit verstecktem Schlüsselkasten, Zahlen-Code und wie man ins Zimmer kommt. Nach größter Anspannung und Erleichterung stehen wir in unserem – riesigen – Hotelzimmer. Akku 3% übrig. Das Ausdehnen von Möglichkeitsbereichen, Christoph könnte sich im Schloss Balmoral bewerben... das Ermöglichen des Utopischen. Wir sitzen auf dem Balkon, haben direkt die Wilhelmskirche vor uns, in der Christoph früher Cello im Konzert gespielt hat. Jetzt umzäunt, zum Abriss. Mit Blick auf den Mond und die beleuchtete Bergbahn-Schiene am Abhang lassen wir den Tag ausklingen.

Die Veröffentlichung der Emser Depesche trug zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 bei, der zur deutschen Reichsgründung führte. Des Weiteren unterzeichnete Zar Alexander II. im Jahre 1876 im Haus Vier Türme den Emser Erlass, der die Verbreitung von literarischem Schrifttum in ukrainischer Sprache unter Strafe stellte. wikipedia.org → Bad Ems Gerade jetzt in den Tagen Nachrichten: Die Ukraine verdrängt das Russische systematisch aus dem öffentlichen Raum, obwohl es auch die Muttersprache vieler Landsleute ist. Die Großtadt Iwano-Frankiwsk greift nun zu drastischen Maßnahmen: Bürger sollen auf Patrouille gehen und Russischsprechende über eine Hotline melden können. n-tv.de, 12. September Schon lange: 2018 hat der Rat des Gebiets Lemberg (Lwiw) die öffentliche Darbietung jeglicher Werke in russischer Sprache verboten. Das Verbot betrifft u. a. Filme, Lieder, Bücher, Theaterstücke und Konzerte auf Russisch. Zuvor hatte die Ukraine rund 40 Medikamente (!) aus Russland oder mit russischen Beipackzetteln und Beschriftungen verboten. europarl.europa.eu, Parlamentarische Anfrage Diskriminierung der russischen Sprache in der Ukraine — was tut die Europäische Union?

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22. August

Das Park-Hotel ist mondän und alt. Abgewetzte Teppiche, Holz geschrammt, alter Lack, und große Räume frischer Luft, so großzügig, dass wir das freie Gefühl haben, die einzigen Gäste zu sein. Gestern Nacht ein Typ Trickster, aber weit am Flur-Ende. Auf dem Weg zum Frühstücksraum, in der Treppenhalle, unter der Treppe, liegt ein zusammengerollter gemusterter Teppich so, als wäre eine Leiche eingewickelt, aber wir gehen der Sache nicht weiter nach. Im Empfang ist Leben eingekehrt, eine hübsche, sehr klug und freundlich aussehende Dame. Wir schildern ihr unser Einchecken gestern Nacht, unser telefonisch-elektronisches Code- und Schlüssel-Bekommen, ohne jemanden anzutreffen (schlechtes Gewissen), ohne Ausweis zeigen, auf Vertrauensbasis. Sie lächelt freundlich und, ohne weitere Checks, woraufhin wir uns jetzt legitimiert und angekommen fühlen, weist sie uns zum Frühstücksraum. Design etwas DDR-artig, der Westen hat ja teilweise auch mal wie DDR ausgesehen. Erst ein Gast dort, und frühstückt: Business-Mann, ein Teller, diszipliniert portioniert, und ein Käffchen, und arbeitet schon. Wir betrachten das Buffet, aber obwohl noch niemand weiter hier war, ist nur noch ein Brötchen im Korb. Ein Korb mit letzten Plastik-Mini-Marmeladen, und zwei leere Körbe deuten an, dass hier auch Honig und Schokolade und weitere Marmeladen denkbar wären. Ecke Herzhaftes: Eine Sorte gelber Standard-Käsescheiben für jeden Geschmack, also weil er kaum Eigengeschmack hat. Salami. Joghurtbecher und fade Flocken. Der Frühstücksservice scheint das letzte mal vor Tagen hier gewesen zu sein. Wir klauben uns was Karges zusammen. Deshalb hat der Business-Mann so disziplinierte Portionen. Wir sitzen glücklich und amüsiert wie in einem dystopischen Roman. Nur eine Sache drückt uns aufs Gemüt: Irgendwann nämlich wird unser Hotel Monet wach sein und sehen, dass Christoph die Wenn-was-ist-Nummer angerufen hat. Und wird sich zurück melden. Wir hatten dort Frühstück gebucht. Die Rezeptionistin hatte gesagt, wir seien die einzigen Gäste, um wieviel Uhr wir denn wollten, dann käme extra jemand hin, wir waren zu verlegen, als es noch rückgängig machen zu können. Um 9, haben wir dann gesagt, und den Abend mit der Vorstellung verbracht, morgens in privater Dreisamkeit sagen zu sollen, welche Marmelade extra für uns geöffnet werden soll, und über welche Themen man spricht. Noch ist nicht 9, kein Rückruf. Allmählich kommen andere Gäste, meist noch schlaftrunken, schlurfig, ungekämmt, wohlig wie zu Hause, in den stillen Frühstücksraum und gucken mit fragenden Blicken in die leeren Körbe. Ein Pärchen sitzt jetzt mit zwei Schwarzbrotscheiben und Standard-Käse, es gibt wohl auch keine Butter mehr. Frühstückspreis pro Person 20 Euro. Da kommt schließlich doch noch ein Mitarbeiter ans Buffet, ein Schwarzer, der augenscheinlich gewissenhaft nach dem Rechten sieht und zufrieden feststellt, dass alles recht ist. Wir staunen nicht schlecht, als er wieder weg ist, und immernoch kein neues Brötchen im Korb liegt, und gar nichts. So, das ist also Absicht? Kurz vor 9. Christophs Handy leuchtet auf: Hotel Monet. Wir ahnen Streit, Christoph guckt erschrocken, ich sage, „Nein, erst Frühstück genießen“. Erst, als wir gepackt haben und gleich weiter reisen, gehe ich raus ins Freie, Blick ins Grüne, Vorsatz nicht aufregen, und rufe zurück. Ich schildere, dass wir nicht rein kamen. – „Ja gut, Sie haben Frühstück bestellt zu um 9, kommen Sie jetzt noch zum Frühstück oder...?“ – „Verzeihung, wir standen nachts vor verschlossener Tür und wussten nicht, wann sich einer meldet, wie hätten wir jetzt zum Frühstück kommen können?“ – „Aber Sie haben noch den Schlüssel! Sie müssten bitte her kommen und den Schlüssel abgeben!“ ... Selbstverständlich kommen wir nochmal hin. Sie befindet unseren Schlüssel für richtig. „Gucken Sie mal, ich probier es gleich mal selbst aus.“ – „Sie müssen mir nicht vorführen, wie man eine Tür aufschließt. Wir haben es zu zweit lange versucht.“ – „Gucken Sie mal, hier!“ Prompt lässt sich die Tür völlig leicht und einfach auf- und zuschließen und wird mein Vorsatz Nicht-Aufregen zertrümmert. „Ihre Kollegin hat gestern erklärt, wir dürften nicht von innen zuschließen, sonst würde es von außen nicht aufgehen! Vielleicht ist das die Ursache? Aber wie hätten wir denn von außen innen abschließen sollen?! Das ist doch nicht unsere Schuld!“ – „Davon weiß ich nichts, der Schlüssel funktioniert jedenfalls, ...“ – „Wollen Sie mich verarschen?“, rutscht es mir heraus, Christoph kommt hinzu. Christoph hat so eine Aura, dass das Mädchen plötzlich wie ausgewechselt und ganz freundlich ist. Sie entschuldigt sich das erste mal, sie könne sich das nicht erklären. Derweil ich die beiden allein lasse, darf ich nochmal hoch in unser Zimmer, holen, was wir haben liegen lassen. Als ich wieder runter komme, plaudern die beiden sehr nett und vertragen sich prächtig. Ich beiße mir auf die Zunge, damit es so bleibt. Ja, nun sei ja das Frühstück gemacht, natürlich müssten wir das gebuchte Zimmer nicht bezahlen, auf gar keinen Fall, und sie lädt uns jetzt so zum Frühstück ein. Wir lehnen bedauernd, und vollkommen ausgesöhnt, ab, weil wir gerade auf dem Sprung zur Weiterreise sind. Zimmer und Haus sahen übrigens sehr gut aus! Vielleicht versuchen wir's irgendwann nochmal.

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