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1. Juni, „In Zukunft eine Regel: Es gibt keine Regeln“

„Ein vollständiger Sieg“

FDP schlägt Zentrum für psychologische Kriegsführung vor, norberthaering.de, 28.5.
Die Nato plant eine „kognitive Kriegsführung“ Nato-Broschüre The Three Swords 39/2023, The 21st-Century Game Changer. Cognitive Warfare, Kommandant Cornelis van der Klaauw von Strategic Communications and Information Operations des NATO Joint Warfare Centre, (übersetzt):
Kognitiver Krieg ist ein strukturierter und wohlüberlegter Ansatz, der darauf abzielt, die menschliche Kognition von Individuen, Gruppen und Gesellschaften so zu beeinflussen, dass ihre Entscheidungsprozesse und letztlich ihr Verhalten betroffen sind. S. 98.
Eines der vielversprechendsten Projekte ist die Entwicklung eingebetteter synthetischer DNA (sDNA). [...] Derzeit ist es möglich, 2,14 × 10^6 Bytes an Daten auf sDNA zu speichern. [...] Im Bereich des Neurocomputing können Implantate genutzt werden, um das Hören und Sehen zu verbessern. Darüber hinaus kann neurale Nanotechnologie verwendet werden, um nanoskalige Roboter über den Blutkreislauf in die Nähe eines Neurons zu bringen und so eine direkte Verbindung des menschlichen Gehirns (d.h. nicht durch unsere Sinne abgefangen) mit einem Computer zu ermöglichen, wobei künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. S. 101.
In Zukunft wird es in der Kriegsführung nur noch eine Regel geben: Es gibt keine Regeln. Während in anderen Bereichen taktische und operative Siege möglich sind, ist der menschliche Bereich der einzige Bereich, in dem wir einen vollständigen Sieg erringen können.

In the future, there will only be one rule in warfare: There are no rules. While other domains can provide tactical and operational victories, the human domain is the only domain in which we can secure a full victory.

Geimpfte sind grün, für Nato und Atomkrieg

Vor kurzem noch schrieb ich im Corona-Tagebuch Zitate, dass Ungeimpfte Verschwörungsmythen anheim fallen. Und Ungeimpfte gegen Nato seien.
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Aus meinem Corona-Blog, 2022:
STUDIE. Ukraine-Krieg: Mehrheit der Ungeimpften glaubt an eine Verschwörung […]
die NATO habe Russland so lange provoziert, dass dieses in den Krieg ziehen musste. derstandard.at, 7. Mai.
Ob Putin ungeimpft ist?
Russlands Präsident Wladimir Putin begründet den Krieg gegen die Ukraine mit der Expansion der Nato. dwn.de, 9. Mai.

Besonders auffallend an den Ergebnissen ist, dass Gegnerinnen der Corona-Maßnahmen und Impfverweigerer besonders offen für derartige Aussagen [sind]. Denn während gerade einmal 14,5 Prozent der Geimpften Verschwörungserzählungen rund um den Ukraine-Krieg zustimmen, sind es unter den Ungeimpften über 56 Prozent. derstandart.at, s.O.

Grünen-Wähler kaum betroffen. Verschwörungsmythen zu Ukraine-Krieg vor allem unter AfD-Wählern und Ungeimpften verbreitet. tagesspiegel.de, 5. Mai.
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Vor über einem Jahr, am 14. März 2023 tagte ein Symposium im Bundesverteidigungministerium, marshallcenter.org, Normative Strategic Competition in an Era of Choice, Symposium Aide Memoire, Federal Ministry of Defence, Berlin, 14 March 2023.
Darin die Ansicht, Deutschland leide unter Spannungen zwischen den Wählern - „Gewinnern“ und „Verlierern“ (diejenigen, die sich ausgeschlossen und nicht repräsentiert fühlen). In einer Demokratie würden diese Spannungen, bzw. Rechtspopulisten, die Demokratie untergraben, und die Solidarität für die Ukraine beeinträchtigen. Also Rechtspopulisten gegen Waffenlieferungen.

Die Nato-Broschüre widmet sich ihrer:
Menschen, die das Gefühl haben, dass sie in Institutionen nicht gehört oder richtig repräsentiert werden und dass die „Elite“ ihre Anliegen ignoriert, sehen im Populismus die Lösung ihrer Probleme, was sie besonders anfällig für kognitive Manipulation macht. S. 101. Die Lösung: DNA ins Blut → Weisheit durch KI. Deshalb Ungeimpfte gegen Nato?

Die Grünen (die, wie gesagt, ja auch gerne geimpft seien) werden auf dem Symposium gelobt: Sie befinden ihre früheren Werte - Frieden, keine Atomwaffen, Schutz wehrloser Frauen und Kinder - für unvereinbar. Zum Schutz von Wehrlosen billigen sie Krieg und Atomwaffen. Offenbar sind Wehrlose vor Atomwaffen geschützt und werden nicht betroffen. Germany’s Zeitenwende was shaped by values. The Ukraine war caused a shift in the strategic culture of the Green Party. Formerly compatible norms of pacificism, anti-nuclear outlook and protection of non-combatant women and children became incompatible when Russia invaded. Protection of the innocent was privileged above pacifism and anti-nuclear discourse.

„Es darf keine roten Linien geben, das hat uns diese Pandemie nun wirklich gezeigt. Wir müssen immer bereit sein umzudenken, wenn die Umstände es erfordern.“ Kanzler Scholz, stern.de, 12.12.2021.

Christoph und ich essen Abendbrot. Fällt dir nicht ein Künstler ein? Krieg in Medien, aber auf den Straßen unsichtbar. Leute im Café, selten ein Wort über Krieg. Fast nie. Leipzig feiert sich vom Wave Gothic Festival übers Weinfest ins Stadtfest hinein, um nächste Woche zum Bachfest überzugehen. Das Stadtmuseum hat eine Ausstellung über Queere. Und für Queere. „Queer Voices“. Man kann sich in rosa Kissen kuscheln, Museumsbesucher, und muss, um die Ohrhörer zu nehmen, liegend, die Köpfe recht nah aneinander stecken. Rotlicht, oder rosa. Kollege von der Aufsicht will den Dienst verweigern, nicht noch mal ganzen Tag im Rotlicht-Keller. Beim Zeichnen denke ich an Otto Dix. Golden-Zwanziger Jazzkapellen, Sex, Partygirls, dazwischen aber verkrüppelte Soldaten. Die gibt es derzeit noch nicht. Was ich in Straßen also sehe und zeichne, keine Trümmer, keine Panzer, ist das dieser kognitive Krieg, Krieg in den Köpfen?

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2. Juni, Köpfe zu Schlachtfeldern

Die Polizei hat fest gestellt, dass diese „Verschwörungstheorie“ kursiert: Bei der Corona-Impfung werde „gleichzeitig ein Mikrochip-Implantat in den Körper eingepflanzt, um die Menschheit zu bespitzeln (tracken) und zu dezimieren“. Prof. Dr. Stefan Goertz, Bundespolizei, Hochschule des Bundes Lübeck, polizeipraxis.de, 23.6.21, Absatz 2.2. Er zitiert aus rp-online.de, 4.3.21.
Wie die Theorie entstanden sei, wisse man nicht, nur wo etwa sie sich dann verbreitet hat, in QAnon-Kreisen und anderen, rp-online.de, ebd. Aber ist sie nicht sehr nah an der Nato-Theorie, Siehe Tagebuch gestern? Nato = Verschwörungstheoretiker? Darf man sicher nicht so sehen. Also welcher Teil davon ist nun die Verschwörungstheorie? Laut Nato will man DNA ins Blut injizieren, um ans Gehirn zu docken und KI dran zu schalten, „kognitive Kriegsführung“. Dann ist es wohl nicht das, was als Verschwörungstheorie bezeichnet wird. Vielleicht ist die Verschwörungstheorie, dass es speziell bei der Corona-Impfung beabsichtigt sei. Man müsste also erst warten und vielleicht andere Impfungen verdächtigen? Oder ist die Verschwörungstheorie, dass die Absicht das Dezimieren der Menschheit sei? Man beabsichtigt anderes.

The human mind becomes the battlefield. Countering cognitive warfare: awareness and resilience Johns Hopkins University & Imperial College London 20 May 2021, nato.int.

Keine Tabus

EU will aufrüsten: Das Schulden-Tabu wackelt. Die EU gibt so viel für Rüstungsgüter aus wie nie – und EU-Ratspräsident Charles Michel fordert mehr.
Die EU brauche mehr Raketen, mehr Munition, mehr Luftverteidigung, taz.de.

Westliche Truppen für die Ukraine: Fallen die Tabus? focus.de, 2.6.24.

Bei der EU fallen die Tabus, In Berlin spricht man von einer Zeitenwende, taz.de, 28.2.22.

Strack-Zimmermann will 900.000 Reservisten aktivieren, n-tv.de, 1.6.

Rote Linien werden rosa

Vor einem Jahr:
Scholz zieht rote Linien. Keine Kampfjets und Bodentruppen - „Darauf können sich alle verlassen“, n-tv.de, 25.1.2023.

Heute:
Deutsche Waffen in der Ukraine. Ist Olaf Scholz’ rote Linie nun rosa? spiegel.de.

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3. Juni, ... niemand wird dein Hirn durchwühlen

Christoph hat ein Zitat vom Pseudo-Varro:
Für jedermann ist die Zunge schädlicher als der Geist =
Deine Zunge bringt dich eher vor Gericht als dein Kopf =
Wenn du was falsches gesagt hast, landest du eher beim Verfassungsschutz, als wenn du's nur denkst.
Schließlich wird einem keiner „die Eingeweide durchstöbern“ =
das Hirn aufbohren, um nachzugucken, was er gedacht hat.


Lingua mente cuique nocentior est.
non rimaberis viscera ad videndum, quid senseris.

Sententiae Varronis 103f.

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7. Juni

Das Bachfest wird eröffnet, High society im Rathaus, im Festsaal des Museums erwartet. Sachsens Ministerpräsident, Vorstände der Bach-Gesellschaft und des Bach-Archivs, Koryphäen, Musiker. Kollege und ich bauen die Garderobe auf. Techniker richten ein Rednerpult ein. Catering-Firma arrangiert ein langes, buntes Buffet und eingedeckte Stehtische mit Knabberstangen. Kollege und ich sind vor allem fürs Zugucken zuständig: Meine Lieblingstätigkeit. Dass keiner Essen und Gläser etwa auf die eisenbeschlagene Einbaum-Truhe stellt.

Kurz vor Einlass stehen die Catering-Mädchen am Eingang stramm mit Tabletts, dass die Gäste, die zur Tür eintreten, sofort ein Wein- oder Sektglas haben. Ich nehme an, sie kommen direkt vom Eröffnungskonzert aus der Thomaskirche. Nicht viele Jacken und Beutel muss ich entgegen nehmen, ist Sommer.

Jemand hält die Eröffnungsrede, recht kurz, Willkommen, Danksagung, Lob, Andenken. Buffet wird eröffnet. Ich luge herum, ob ich den Ministerpräsidenten entdecke, noch nicht entdeckt, Kollege macht nicht den Eindruck, dass er ihn überhaupt entdecken will. Sarah Wagenknecht hat doch geäußert, mit Kretschmer zusammen arbeiten zu wollen. Ach ja? fragt mein Kollege höflich, aber desinteressiert. Die Catering-Mädchen schlängeln sich mit Getränke-Nachschub durch die Stehtische. Gäste dürfen sich auch in den historischen Vertäfelungs-Holzbänken entlang der Wände setzen. Die Galerie gemalter Ratsherren und Richter, Porträts aus dem 17. bis 19. Jh., die gesamten Wände rundherum entlang, blickt auf uns alle herab, lauter weiße und graue Barockperücken. Hier und dort richten sich Gäste auf Museums-Möbel oder an der Kasse mit Essen ein, Kollege und ich müssen sie dann freundlich bitten. Da endlich entdecke ich Herrn Kretschmer! Sieht genauso aus wie im Fernsehen. Ich sehe ihn vor mir, wie er Leute wie mich für bösartig erklärt hat, wenn sie eine Corona-Impfpflicht befürchtet haben.

2021 schrieb ich in mein Corona-Tagebuch:
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Letztes Jahr:
Niemand wird in Deutschland gegen seinen Willen geimpft. Auch die Behauptung, dass diejenigen, die sich nicht impfen lassen, ihre Grundrechte verlieren, ist absurd & bösartig. Lassen Sie uns Falschnachrichten & Verschwörungstheorien gemeinsam entgegentreten. Michael Kretschmer Twitter, 5.5.2020. Nicht „Impfzwang“ ist böse, sondern die Befürchtung. [„Und lassen Sie uns gemeinsam auch solchen Leuten entgegen treten.“ Ebd.]

Heute:
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer weicht von der Linie der Bundeskanzlerin ab und schließt eine Impfpflicht nicht mehr aus.
Er rede sogar von Zwang, wie er selbst sagt, das käme aber nicht gut an, deshalb überlege er sich eine psychologische Strategie: Der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sagte Kretschmer, dass er eine Impfpflicht zum aktuellen Zeitpunkt ablehnt, die Frage im Sommer aber neu bewerten will. „Es ist eine psychologische Frage. Immer dann, wenn ich über Zwang spreche, machen Menschen zu, die ansonsten noch erreichbar wären. Deswegen ist jetzt der falsche Zeitpunkt für diese Debatte“, sagte Kretschmer. welt.de, 27.2.21. Ob denn die Vermutung des „Impfzwangs“ heute immer noch bösartig ist?
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Wagenknecht fordert nun immer wieder eine Corona-Aufarbeitung. Aber:
Wagenknecht schickt Liebesgrüße an Kretschmer
[...] immer wieder Flirtattacken in Richtung Sachsen-Premier Michael Kretschmer (49, CDU). Der fahre ja beim Thema Ukraine und Russland einen anderen Kurs als etwa Friedrich Merz mit seinen Taurus-Raketen, lobt sie. Und auch Kretschmers Grünen-Bashing nimmt Wagenknecht dankbar auf. Deren Regierungsbeteiligung wären „der Worst Case für Sachsen“, so Wagenknecht im Kretschmer-Sound. „Neue Politik gibt es nur mit dem BSW.“ bild.de, 19.5.24.
Wagenknecht flirtet mit der CDU: Die Chefin von der Partei BSW lobt den Sachsen-Premier Michael Kretschmer für seine Ukraine-Politik und seine Anti-Grünen-Haltung weltwoche.ch, 21.5.24.

Ich stelle mir vor, derweil ich Herrn Kretschmers Abend mitorganisiere, ich würde ihn fragen, wie er seine Corona-Politik vorhat aufzuarbeiten. Aber selbstverständlich kommt es mir nicht zu, hier Fragen zu stellen. Eine rote Linie. Gegen Lohn bin ich heut Diener und sorge, zurückhaltend im Hintergrund, für einen reibungslosen Ablauf. Er, hoher Beamter, geht von Tisch zu Tisch und unterhält, Wortführer, viele Gäste. Ich stelle mir vor, wie er mit Barock-Perücke gemalt und in die Rathaus-Galerie eingereiht wird. Ich könnte doch malen.

Gegen 22 Uhr, als die Feier beendet und alle Gäste raus sind, öffnet der Kollege ein Fenster, die Bühne vom Markt spielt Bach, ein Dirigent im Rollstuhl wirbelt wendig herum, vor dem Chor steht ein „schweigender Chor“ mit synchroner Gebärdensprache – Chor macht Gebärdensprache. Johannes-Passion barrierefrei, inklusiver Gebärdenchor. Auch Taube sollen Bach „hören“, Mit den Augen hören, Johannespassion barrierefrei für Hörbehinderte singandsign.de. Ich zeichne den Platz voller Leute.

Das Bachfest ist eröffnet.

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8. Juni, Wahlomat

Morgen Europawahl. Gestern Test am Wahlomat gemacht: Fragen wie

Die EU soll mehr Waffen für die Ukraine finanzieren. Klicke ich Nein, bin ich also für Waffenlieferung, nur nicht für mehr.

Die Ukraine soll Mitglied in der EU werden. Wobei es schon längst drin zu sein scheint.

Mehr außenpolitische Entscheidungen der EU sollen mit Mehrheit statt einstimmig getroffen werden.
Bisher gilt Einstimmigkeit.
Diese Regel [Einstimmigkeit] gilt zum Beispiel, wenn die EU gegen einen anderen Staat wie Iran oder Russland Sanktionen verhängen will.
Ständig blockiert Ungarn wichtige EU-Entscheidungen mit seinem Veto. Kanzler Scholz und andere Regierungschefs wollen deshalb das Einstimmigkeitsprinzip in außen- und sicherheitspolitischen Fragen abschaffen. sueddeutsche.de, 22.9.22, Der Widerstand der Kleinen.
Draghi gegen Russland. de.euronews.com, Draghi will Reform der EU. Einstimmigkeitsprinzip soll weg.

Hin und wieder das Argument, dass so kleine Staaten wie Malta alles blockieren könnten, so wenige Einwohner gegen den Rest der EU, gegen unser aller Interesse, ungerecht.
Problem: Das Veto in der Außenpolitik blockiert die EU
In der Praxis bedeutet das: Die EU hat fast 450 Millionen Einwohner. Wenn die Regierung von Malta sich querstellt, dann kann diese „Macht“ von 475.000 Menschen (weniger EinwohnerInnen als Bremen / 0,1 % der EU-Gesamtbevölkerung) alles blockieren. So schaffen wir das Einstimmigkeitsprinzip in der EU endlich ab
Aber doch sind viele Deutsche, die durchaus Freundschaft mit Russland wollen, froh über Ungarns Veto,… Es steht nicht 100% Bevölkerung hinter jeder Regierung.

Ohne Veto wird jedes EU-Land Nato-konform. Nur noch 4 Länder, die in der EU, aber nicht in der Nato sind, neutral, Österreich, Zypern, Irland, Malta. Die Nato kann Russland also umzingeln, die Nicht-Nato-nur-EU-Länder müssen nicht auf Kriegsfuß mit Russland stehen. Doch ohne Veto müssen sie es, wenn die Mehrheit Sanktionen will. Kein EU-Land mehr neutral.

Betreiber sozialer Netzwerke sollen frei entscheiden dürfen, wie sie mit Desinformation auf ihren Plattformen umgehen.
R: Joa, frei entscheiden.
S: Nee!
R: Wie? Klar, bin ich für frei entscheiden, dass so akribische Journalisten wie Paul Schreyer oder Norbert Häring nicht mehr gelöscht werden müssen.
S: Aber ist doch sicher anders herum gemeint. Ausgehend vom Rechtsstaat mit freier Meinungsäußerung dürfen Plattformen nicht einfach löschen. Dann heißt „Ja“, sie sollen einfach löschen dürfen, ohne dass ihnen das Gesetz der freien Meinungsäußerung im Weg steht.
R: Ach so meinst du? Tja, wenn man nicht weiß, klick ich auf „neutral“.

Hoffentlich lassen sich nicht allzu viele ihre Entscheidung vom Wahlomaten machen.

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9. Juni, Bachfest

Morgens um 7 übernehme ich die Obhut der Alten Börse. Licht und Sicherungen anschalten, Dokument führen, oben im Konzertsaal stimmt eine junge Frau mit Wuschelkopf die Instrumente. Ich sitze unten und tue, was mich die Kollegin als allererstes angewiesen hat: Bringen Sie sich eine Beschäftigung mit.

Mittag, nette Mädchen in schwarzen T-Shirts mit Aufschrift Team Bach Archiv haben feierlich die schweren, rot gemusterten Vorhänge zu den Treppen-Aufgängen zugezogen und managen den Einlass, viele Leute auf einmal. Die Vorhänge sind nur geschlossen worden, um vor den Gästen festlich aufgezogen zu werden. Die obere Etage, der Konzertsaal, wird vollständig gefüllt, also müssen's 199 Gäste sein, notiere ich ins Dokument, weil stehen, laut Bestuhlungsvorschrift 199 Stühle. Die Hauptdame vom Bach-Archiv meldet, sie hätten noch 4,5,6 Stühle hinzu gestellt ohne Armlehne, weil kamen Leute nicht in die Reihen an den Armlehnen vorbei. Ich streiche durch und schreibe 205. Eine sehr schicke schwarzhaarige Dame eilt geschäftig und Bühnen-fertig strahlend von hier nach dort, eine Musikerin, und schließlich auch die Treppe hoch in den Konzertsaal. Vorhänge wieder zu, leere untere Halle. Oben beginnt das Konzert. Die Empfangsmädchen vom Bach-Archiv haben sich hinterm Tresen auf den Boden gesetzt, ich privilegiert mit Tisch, Tee und Stuhl in meiner Kammer am Fenster und Beschäftigung. Das ganze Haus erfüllt von Cembalo, Truhenorgel, Viola da gamba. Laut Programm Bach: Sonate g-Moll, BWV 1029 • G. P. Telemann: Sonate e-Moll, TWV 41: e5 • R. Sharman: Following Bach 1 • J. S. Bach: Sonate G-Dur, BWV 1027 • R. Sharman: Following Bach 2 • G. P. Telemann: Sonate a-Moll, TWV 41: a6 • J. S. Bach: Sonate D-Dur, BWV 1028.
Ich denke immer, dass musikalische Schwingungen in solchen Mauern und Wandvertäfelungen und Fassaden-Schnörkeln hängen bleiben und noch weiter ausstrahlen. So kurzweilig, dass ich überrascht bin, als schon zum Abschied applaudiert wird. Vorhänge feierlich aufgezogen, begeisterte Leute die Treppen herunter. Kaum wer, der Deutsch spricht. Die Musiker stellen sich auch unten noch mal zum Abschied auf und schütteln freudig viele Hände. Vanessa Hunt Russell, Stephen Moran, Rafaela Salgado.

Nachmittag. Typ Handwerker bauen die Instrumente ab, packen sie ein, tragen sie die Außentreppen der Börse hinunter in einen Transporter. Ich muss an jammernde Katzen in Boxen denken, im Auto zum Tierarzt, so muss sich das Cembalo jetzt fühlen. Aber ins Dokument muss ich nur eintragen, dass die Bühne sauber hinterlassen wurde, Flügel abgedeckt, laut Vorschrift steht nur noch Flügel und ein Hocker. Ich öffne alle Fenster, erstaunt, was eine Halle in zwei Stunden Konzert müffelt, und sammle feuchte Knautsch-Schnäuztücher aus den Sitzreihen auf, die der ein oder anderen Zuhörerin aus der Tasche gefallen sind, oder nachdem sich einer nicht so hat bücken können.
Ich werde von einer nächsten Handwerkergruppe überrumpelt, die mirnichts-dirnichts die eben bereinigt ins Dokument verzeichnete Bühne, schon unterschrieben, wieder voll baut. Elektro-Boxen mit Kabeln. Ich frage, weil's dokumentiert werden muss. Pfff, keine Ahnung, sagt er, die Frau *** meinte, wir hängen gleich Proben hinten dran. Mit wissendem Blick dann: Stück 39! Soviel kann ich sagen! Ich springe in die Wache rüber, die weiß auch nichts. Wieder in die Börse. Ich muss ein paar zufällige Touristen sehr höflich raus bitten, weil ist nicht öffentlich. Da ab nun wieder nichts zu tun ist, habe ich im Kämmerlein meine Beschäftigung. Coole Musik ertönt von oben, modern, aus der Musikbox. Schöne alte Instrumente stimmen ein, auch wieder ein Cembalo. Als ich wieder zur Bühne hoch gehe, ist also, nachdem das vorherige Cembalo abtransportiert wurde, ein nächstes antransportiert worden, und eine ganze Gruppe Musiker, Streicher, Bläser,...
Moderner Bach, super poppig, das Moderne heraus geholt, trance-artige Schwebe-Musik, Lauf-Musik, dabei das Tragische, Passion, Verhängnis, Triumpf,... Was meine Zeichnung hier damit zu tun hat? Sie ist vor paar Tagen skizziert und nun zeichne ich unter dieser Musik die Pflastersteine, klick klack, Linie Linie, klick klack,... Der Leser kann hier einen Eindruck erhalten: Ach Golgatha, ab Minute 32 Burak Özdemier, Musica Sequenza, Istanbul.

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Bald Dienstschluss. Börse ist 16 Uhr 15 abzuschließen. Die Musiker spielen unbeirrt, unabrückbar in Höchstform. Ich sehe kurz zu, aber kann mich nicht überwinden, die Passion zu unterbrechen, stapfe wieder runter. Darf ich denn überhaupt unbezahlt länger machen? Zur Wache rüber, fragen. Er schiebt die Unterlippe vor und kommt mit rüber, ob er was machen kann. Treppe hoch, die Musiker in Extase, wir stehen beide, um uns zu zweit nicht zu überwinden, sie zu unterbrechen. Sind ja noch paar Minuten, entschließt er sich, und geht wieder rüber. Ich erste Schließaktionen und Kontrollgänge unten. Schon wieder unbefugte Besucher in der Halle, oh Entschuldigung, ich muss Sie leider raus bitten, hier sind Musiker-Proben. Der Mann motzt mich an: Müssen Sie eben abschließen! Ich überlege kurz: freie Musiker ein- oder aussperren? Manche Touristen kommen wegen Bachfest angereist, aber wenn Organisationsarbeit hinter steckt, kennen sie nichts.
Musikstück kommt vollwertig entwickelt zum Abschluss, ich sprinte hoch, bevor das nächste beginnt. Ich frage, weil wird in 15 Minuten geschlossen. Ja, wir sind gleich fertig, alles klar, das Cembalo bleibt da, und für Technik kommt nachher die Firma so in 20 Minuten. Nur 15 Minuten? Dann setzen Sie sich bitte mit meiner Firma in Verbindung. – Welche Firma? Nein, Sie als Veranstalter sind zuständig. Ich zur Wache rüber, die ist entschlossen, dass pünktlich abgesperrt wird. Bleiben die Sachen eben drin. Die Musiker trudeln glücklich aus dem Saal und machen nebenbei Selfies von sich und Kronleuchter. Ich schließe alle Fenster. Notenständer und Geräte noch auf der Bühne verblieben, notiere ich bedauernd ins Dokument. Die eben hinaus beorderten, unbefugten, knirschigen Besucher schon wieder drin, schlüpfen heimlich in die Toilettentür. Na, das erlaub' ich grad noch. Aber fast hätte ich sie eingeschlossen, wenn sie erstens nicht hören können, und zweitens sich auch noch verstecken. Ich warte mit dem Abschließen. Nach ihrem verrichteten Geschäft schleichen sie sich wieder raus, ich grüße freundlich: Schönen Abend noch. Sie ignorieren mich mit ziemlich bösen Gesichtern und trotten im Schneckentempo zur Tür raus. Ich muss die schon kontrollierten Toiletten noch mal kontrollieren. Leicht verspätet schließe ich die Alte Börse ab.

Abends sitzen Christoph und ich am Markt im Café, die Open-Air-Bühne entwickelt nach Tagsüber-Schlaf abendliches Leben. Lautsprecher-Tests, Fiepen und Dröhnen. Und dann kommt diese Musik, die trance-artige, schreitende, moderne Bachmusik, das sind sie! Die Musiker von eben aus der Börse! Schreckliche Bühnentechnik. Der den Bass einstellt, denkt wohl an Rammstein, hat keine Ahnung von Bach, meint Christoph. In den Proben in der Börse lag der Bass so tragend und weich wie ein belebender Pulsschlag unter den klassischen Instrumenten, aber der Rammstein-Techniker dreht den Bass so auf, dass er brutal auf die Musik eindrischt, wie eine Axt es in Stücke zerhaut.

Zu Hause überrede ich Christoph zum Live-Konzert noch mal in die Stadt. Er protestiert gegen sein Klappstühlchen, sei ja schon wie Rollator. Guck mal, noch mehr Leute mit Klappstuhl. Die Stadt ist nicht in der Lage, außer paar Brettbänken ohne Lehne, was viel zu wenige sind, Aufenthaltsmöglichkeiten hinzustellen. Das Rathaus-Café macht pünktlich und unerbittlich zu, sobald ein Bachkonzert beginnt. Ich mache mir Sorgen, weil ich die Notenständer habe in der Alten Börse einschließen müssen. Was machen sie jetzt ohne Notenständer? Da treten sie auf die Bühne, Jubel, nehmen Platz, und das Konzert beginnt. Alles perfekt. Haben wohl Ersatz-Notenständer. Der Rammstein-Bass-Techniker ist offenbar überredet worden, dass es sich um Klassik handelt. Es wird dunkel und der Boden des Marktplatzes sitzt sich warm von der heißen Tages-Sonne. Christoph holt sich ein Bier. Der Musiker ist doll im Geschäft weltweit, Burak Özdemir, ob er mit Özdemier verwandt ist? Und was er aus so einem Fagott raus holt! In freakigem Disko-Hemd springt er beständig und spielt Fagott im Wechsel. Ich zeichne, und da ich diese Musik schon seit dem frühen Nachmittag hatte, finde ich, sie macht süchtig, mit ihr zeichnen ginge endlos.

Musica Sequenza: Kaori Kobayashi (Violine), Edi Kotlyar (Violine), Chang-Yun Yoo (Viola), Linda Mantcheva (Violoncello), Pedro Alcàcer (Bass), Charlie Zhang (Theorbe), Tilmann Albrecht (Cembalo), Leitung: Burak Özdemir (Fagott, Electronics)
Im Projekt „Sampling Baroque: Bach“ entwickeln Burak Özdemir und Musica Sequenza eine neue Art von Musik: frei von Ideologien, neugierig, klangorientiert und jenseits des jeweiligen musikalischen Ursprungs. Wo Barock auf zeitgenössische Klänge trifft, erklingen historische Instrumente des 18. Jahrhunderts neben Synthesizern und digitalen Klangelementen und versprechen musikalischen Expeditionen in die unentdeckte Welt des Elektrobarock.
bachfestleipzig.de

Lieber Leser, die genannten Musiker sind im Internet zu finden und auch Stücke zum Anhören.

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14. Juni, Militärische Lage

Nato versus Russland

Die Nato hat gegenüber Russland ein Vielfaches an Militär.

Nato Russland
Flugzeugträger 16 1
Militärisches Personal 7.628.782 3.570.000
Aktive Soldaten 3.390.797 1.320.000
Reserve 3.440.165 2.000.000
Luftstreitkräfte 22.308 4.814
Hubschrauber insgesamt 8.950 1.547

statista.de, Vergleich der Militärstärke von NATO und Russland im Jahr 2024

Alleine die USA geben schon 9 mal soviel Geld für Rüstung aus wie Russland. statista.com, Ausgaben 2023.

Pistorius heiter

Pistorius hält Russland für nicht sehr bedrohlich: Pistorius erwartet angesichts der Bedrohungslage durch Putins Russland kaum, dass junge Leute sich aus Angst vor einem Kriegseinsatz gegen den Wehrdienst entscheiden. Deutschland habe mit seiner Wehrpflicht-Armee die Erfahrung gemacht, dass es nie zum Konflikt gekommen sei, „weil wir wirksam abschrecken konnten“, sagt Pistorius. Es gehe darum, alles dafür zu tun, dass Deutschland in der Abschreckung so glaubwürdig und fähig werde, „dass es gar nicht erst zu einem Konflikt kommt und alle gesund und heiter nach Hause gehen können“. Eine Heiterkeit, die der Minister durch seine eigene unterstreicht. n-tv.de, 12.6.

Die „Hausnummer“

Pistorius schließt mit einer klaren Hausnummer: 2029. Ab dann, davon müsse man nach Einschätzung aller internationaler Militärexperten ausgehen, werde Russland in der Lage sein, „militärisch einen NATO-Staat oder einen Nachbarstaat anzugreifen“. Nun gilt es also, die Bundeswehr mit Blick auf 2029 „kriegstüchtig“ zu machen. n-tv.de, 12.6.
Also die Nato noch übermächtiger gegenüber Russland.

Wehrpflicht

Trotz dieser enormen Übermacht der Nato, meint Deutschland, jetzt wieder Wehrdienst zu brauchen. So werden wir auf Trab gehalten.
Beschluss auf Parteitag. CDU stimmt für Rückkehr zur Wehrpflicht
Die Wehrpflicht wurde 2011 von einer unionsgeführten Regierung ausgesetzt. 13 Jahre später fordert die CDU jetzt eine Kehrtwende. tagesschau.de, 7. Mai
Wehrpflicht: Wer muss zur Musterung? ZEIT.de, 12.6.
Fragebogen, Musterung, Auswahl. So soll die neue Wehrpflicht aussehen n-tv.de, 12.6.

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14. Juni, „Lesarten“

Noch eine Zeichnung vom Musica-Sequenza-Konzert-Abend. Lauter Skizzen warten auf ihre Ausführung und kommen nicht so schnell nach, wie's Neues über Krieg gibt.

Die „russische Lesart“

1990 stimmte Gorbatschow der deutschen Wiedervereinigung zu und zog, aus eigenen Stücken, seine Truppen aus Ostdeutschland ab. Der Westen hatte versprochen, die Nato nicht Richtung Russland auszuweiten.

Soweit unser Schulwissen und was wir im Allgemeinen als Grundlage gehalten haben.
Seitdem erweiterte sich die Nato aber um Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Albanien, Kroatien, Montenegro, Nordmazedonien. Russland immer näher, sieht mittlerweile recht umzingelt aus.
Amerikanische Truppen stationieren sich bis heute in Deutschland und sind nicht abgerückt.
2014 wird in der Ukraine die Russland-freundliche Regierung gestürzt und eine Amerika-freundliche errichtet (Maidan-Putsch).
2020 sahen Christoph und ich am Weimarer Bahnhof Züge voll Nato-Panzer auf dem Weg Richtung Osten.
2022, während längst Nato in der Ukraine steht, vor Russlands Haustür, schreitet Russland dann doch zur Tat, und der Westen ist überrascht.

Aber das soll die „russische Lesart“ sein:
Nach russischer Lesart gab es eine Zusage an den sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow, dass sich die Nato nicht ausdehnen würde. Bis heute beharrt Russland auf dieser Deutung. Die Archive sind da längst weiter. sueddeutsche.de, 23. Dezember 2021

Die „westliche Lesart“

Wir werden darüber belehrt, dass es sich 1990 überhaupt nicht um ein Versprechen gehandelt habe, das sei immer ein Missverständnis gewesen. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, Februar 1990, habe es zwar so gesagt:
„Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten. Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die DDR, die wir nicht einverleiben wollen, sondern das gilt ganz generell.“ Das hat Genscher tatsächlich so gesagt. Zur Wahrheit gehört aber auch: Genscher gibt tatsächlich nur seine persönliche Haltung wieder. Die Äußerung war kein Zugeständnis in einer Verhandlung, sondern allenfalls ein weiches Signal [...] Er habe auch gar nicht die Entscheidungsbefugnis. swr.de/wissen/...

Oder:
Vor allem der Amerikaner Baker hinterließ in seinem Gespräch mit Gorbatschow am 9. Februar den Eindruck, dass ein vereinigtes Deutschland zwar Mitglied in einer „(politisch) veränderten Nato“ werden könne, deren Geltungsbereich aber „nicht ostwärts“ ausgedehnt würde (so festgehalten in seinen eigenen Notizen). sueddeutsche.de, 23. Dezember 2021
Aber das Weiße Haus, Präsident Bush, überrumpelt, schickte an Kohl eine Klarstellung. Kohl kannte beide US-Positionen und konnte keinen Zweifel an der Entschlossenheit Bushs hegen, als er im entscheidenden Gespräch mit Gorbatschow am 10. Februar die mündliche Formulierung wählte, dass „sich die Nato natürlich nicht auf das Territorium Ostdeutschlands ausdehnen“ werde. In diesem Gespräch erhielt Kohl die Zusage Gorbatschows zur Vereinigung. Gorbatschow stand natürlich unter dem Eindruck der Zusicherung Kohls, musste aber auch gewusst haben, dass der deutsche Bundeskanzler keine Entscheidung im Namen der gesamten Nato treffen konnte. – Ätsch, reingelegt, aber selbst Schuld. Muss er gewusst haben!

Es ist ein großes Verhängnis, dass zu diesen Fragen keine schriftlichen Verträge abgeschlossen worden sind. War Gorbatschow so gutmütig?

Aber sogar „Gorbatschow bestreitet energisch, betrogen worden zu sein“, erklärt ein Osteuropa-Historiker Ignaz Lozo. Ebd.

Kompromiss

1997 unterzeichneten beide Seiten die NATO-Russland-Grundakte. Darin erkennt Russland erkennt [sic] an, dass es kein Vetorecht gegen die NATO-Mitgliedschaft anderer Länder hat. Spätestens damit macht Moskau den Weg frei für die Aufnahme weiterer osteuropäischer Staaten ins Natobündnis. Moskau bekam dafür auch etwas, nämlich zum einen weitere wirtschaftliche Unterstützung, zum anderen auch eine Zusicherung, [...] „Es wird keine Atomwaffen in den neuen Mitgliedsländern geben. Es handelt sich um eine feste und verbindliche Zusage der Unterzeichnerstaaten.“, freut sich Jelzin. swr.de/wissen/...

Kurz: Russland selber erlaubt der Nato, näher heranzurücken, wozu auch immer, aber freut sich darauf, dass keine Atombomben drohen, statt dessen Wirtschaft und Handel betrieben werden. Sozusagen rückt die Nato in freundschaftlicher Absicht vor Russlands Tore. Nun, da sich Russland doch gegen Nato in der Ukraine wehrt, was ihm gar nicht zustehe, wird der Westen es auch nicht mehr mit seinen Handelsbeziehungen belohnen und etwa preiswertes Gas oder Öl von ihm annehmen. Wir werden Russland nicht den Gefallen tun, dass wir warm und in Wohlstand leben.

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15. Juni, Ausgang der Europawahl

Laut Google live vorläufige Ergebnisse.

CDU/CSU 30%
AfD 15,9%
SPD 13,9%
Grüne 11,9%
BSW 6,2
FDP 5,2

Vor sechs Tagen, am Abend nach der Wahl schon bekannt:
Union vorne, AfD auf Platz zwei, Grüne stürzen ab [...] Vor allem die Grünen sinken in der Wählergunst deutlich: Die Partei liegt bei 11,9 Prozent und damit weit unter ihrem Rekordergebnis von 2019 (20,5 Prozent) [...]
Für die Ampelkoalition ist die Wahl ein Dämpfer. Alle drei Parteien verlieren Stimmen.
Der Artikel nennt explizit CDU, SPD und Grüne mit dem Schlagwort „Frieden“. tagesschau.de, 9.6.
Scholz's Wahlplakat trug den Slogan „Mitte, Maß und Frieden“.
Und natürlich tritt vor allem das BSW, Sarah Wagenknecht, für den Frieden auf. Erstere meinen Frieden durch Waffen, Wagenknecht ohne Waffen. Auch AfD für Verhandlungen und Aufhebung der Sanktionen.

„Erfreulich“ wenig Frieden

„Mitte, Maß und Frieden“? – auf dem G-7-Gipfel ist davon erfreulich wenig zu sehen
Viele Deutsche erliegen derzeit der Friedenssäuselei von AfD und BSW – und der des Wahlkämpfers Olaf Scholz. Klaus Geiger. welt.de, 13.6.

Frieden klingt immer gut. Wer will denn keinen Frieden! Eine Binse also. Ein wohlfeiles Gerede, nicht mehr.
Carin Pawlak focus.de über Talkrunde bei Maybrit Illner, 14.6.

Angstmacher

Amira Mohamed Ali (vom BSW) warnt vor Waffen und Krieg, was gefährlich sei:
Wagenknecht-Getreue entlarvt sich im TV als gefährliche Angst-Macherin. Carin Pawlak focus.de über Talkrunde bei Maybrit Illner, 14.6.
Amira Mohamed Ali vom „Bündnis Sahra Wagenknecht“ weist die Nähe zur AfD weit von sich. Glaubhaft ist das nicht.

Ein Land übt mentale Kriegsverweigerung.
Während die Ukraine um ihre Existenz kämpft, fliehen die Deutschen in Ersatzdebatten über Völkerrecht, Anstand und Schweinswale. Kolumne Hendrik Wieduwilt. n-tv.de, 6. Mai 2022

Generation Kriegsangst
Warum die Älteren so große Angst vor dem Atomkrieg haben. Unter denen, die gerade besonders laut vor einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Krieges warnen, sind auffällig viele Ältere: Die Babyboomer-Generation ist aufgewachsen mit der Angst vor der Apokalypse. Millannials dagegen fällt der Ruf nach Waffenlieferungen leicht - zum Glück.
Peter Huth welt.de, 1.5.22

Auf der richtigen Seite

Auf der richtigen Seite der Geschichte. Erst in der Ukraine, jetzt in Israel: Joe Biden beweist moralische Klarheit und weltpolitische Führungskraft – gegen das Lager der Autokraten um Xi Jinping und Putin. Kolumne von Matthias Naß zeit.de, 25.10.2023

Wie Joe Biden: Auch Kanzler Scholz auf der richtigen Seite:
Sie [die G-7] beschlossen neue Sanktionen und Scholz stand fest in einer Reihe mit seinen sechs Amtskollegen. Nicht in der Mitte, sondern – auch das ein Zitat aus einer seiner besseren Reden zu diesem Krieg – auf der „richtigen Seite der Geschichte“. Klaus Geiger. welt.de, 13.6.

Unter Klaus Geigers Artikel darf die Leserschaft abstimmen: „Teilen Sie die Meinung des Autors?“ Ergebnis Ja: 125 | Nein: 224
Die Mehrheit dieser Leser ist auf der falschen Seite.

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17. Juni, Friedenskonferenz und drum herum

Die letzten zwei Tage hat eine Friedenskonferenz getagt. Und, blättere ich den Tagesschau-Überblick durch, die Liste der Artikel, finde ich davon kurz vorher fast gar nichts, bleibe also erstmal an anderen Artikeln hängen:

„Präsidentin-Macher“

Grüne nach der Wahlschlappe. Weniger Einfluss - und doch „Präsidentin-Macher“?
tatsächlich könnten die Grünen zu „Präsidentin-Machern“ werden. tagesschau.de, 13.6.

EU einig über Beitrittsgespräche mit Ukraine 14.6.

Böses China verlängert den Krieg

Die G7-Staaten wollen von China die Einstellung jeglicher Unterstützung von Russlands Rüstungsindustrie verlangen. [...] Die sieben führenden Industrieländer drohen zudem mit Sanktionen gegen alle, „die Russlands Kriegsmaschinerie materiell unterstützen“. Chinas anhaltende Unterstützung für die russische Rüstungsindustrie ermögliche es Russland, „seinen illegalen Krieg in der Ukraine fortzusetzen“, heißt es im Entwurf. tagesschau.de, 14.6.
Zur Vollständigkeit: Die anhaltende Unterstützung des Westens für die ukrainische Rüstungsindustrie ermöglicht es auch der Ukraine, ihren Krieg fortzusetzen.

Wagenknecht und CDU

Über das BSW hatte Merz am Montag gesagt, die CDU arbeite mit „rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen.“ Für Sahra Wagenknecht gelte beides: Sie „ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem.“ Heute revidiert er seine Meinung und könne mit solchen wohl doch zusammen arbeiten: Merz schließt Zusammenarbeit mit BSW auf Länderebene nicht aus tagesschau.de, 14.6.

Fußball

Einen Tag vor der Friedenskonferenz ist von morgens um 0 Uhr bis abends 24 Uhr in der Tagesschau nichts von einer solchen zu finden.

Die Stuttgarter Abfallwirtschaft bereitet sich auf die EM vor ebd.

Überblick: Start der Fußball-EM / Tempo-30 / Blutspendetag ebd.

Die Uni orientiert sich am Fußball. Nebenan auf dem Augustusplatz Bildschirme und Bühnen, Lärm und Tausende Fans. Dafür sollen Uni-Gebäude geschlossen werden. Während der Semester- und Prüfungszeit, Fußball wichtiger? Ach dann doch nicht, für Uni-Anlieger seien die Gebäude zugänglich. Mündliche Prüfungen bei den hellhörigen Fenstern!?

Am ersten Tag der Friedenskonferenz Nachrichten wie:
Schwarz-rot-goldene Hasenohren für Deutschland tagesschau.de, 15.6.

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Am Tag der Friedenskonferenz ab 18 Uhr vermehrte Infos:

Friedenskonferenz ohne Russland

„Wir werden auf diesem Gipfel Geschichte schreiben“. Selenskyj.
Russland war nicht eingeladen, weil es von Anfang an signalisiert hatte, ohnehin nicht an dem Gipfel teilnehmen zu wollen. Außerdem hatte sich Selenskyj klar gegen eine Einladung Putins ausgesprochen. faz.net, 15.6.
Bevor jemand ablehnt, laden wir ihn also gar nicht erst ein.

Mit dem Aggressor Russland reden - aber wie?
In der Schweiz hat der zweitägige Ukraine-Gipfel begonnen.
Der Gipfel in der Schweiz soll die Grundlage schaffen für mögliche Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland.
Im Vorfeld hat Putin Bedingungen genannt: Die Ukraine soll ihre Pläne für einen NATO-Beitritt aufgeben, und sie soll vollständig auf die vier Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja verzichten - sowie auf die Schwarzmeer-Halbinsel Krim.
Das geht natürlich nicht. Deshalb: Zu dem Gipfeltreffen in der Schweiz war Russland nicht eingeladen worden - wohl aber Länder, die Russland nahe stehend gelten. Dessen wichtigster Verbündeter China hat allerdings abgesagt.
Am ersten Tag standen zwei Themen im Fokus: die Frage, ob und wie der Aggressor Russland in den weiteren Friedensprozess einbezogen werden kann. Und die Bedingungen, die Russlands Präsident Wladimir Putin am Freitag für einen Waffenstillstand und für Friedensgespräche gemacht hatte. [...] Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, Russland müsse an einem Friedensprozess beteiligt werden. „Es ist wahr, dass der Frieden in der Ukraine nicht erreicht werden kann, ohne Russland mit einzubeziehen“, so Scholz.
Setzt sich aber nicht durch: Die Nato-freundliche Regierung der Ukraine, die US-Vizepräsidentin, Macron, Van der Leyen finden Russlands Bedingungen inakzeptabel.
„Es ist ein Rezept für zukünftige Angriffskriege.“, meint Van der Leyen. tagesschau.de, 15.6.

Russlands zukünftige Angriffskriege

Wenn ich's richtig verstehe, heißt es also: Russland zog 1990 seine Truppen aus eigenen Stücken aus Ostdeutschland ab, vertraute – so die „russische Lesart“ – darauf, dass die Nato nicht nachrücken wollte, statt dessen Handel zwischen den Staaten betrieben wird. Trotzdem rückte die Nato nach – weil hat andere „Lesart“ – und zwar nicht nur nach Ostdeutschland, sondern bis in die Ukraine, bis vor Russlands Haustür. Weil sie Angst habe, Russland plane Angriffskriege (nachdem es – „russische Lesart“ – freiwillig abgezogen ist, und Handel betreiben will).

Frieden in weiter Ferne

Zweiter Tag des Ukraine-Gipfels Der Frieden ist noch in weiter Ferne tagesschau.de, 16.6. Viel Symbolik vor malerischer Kulisse. Zwei Tage lang wurde in der Schweiz über die Zukunft der Ukraine diskutiert. Nicht alle der 93 Teilnehmerstaaten unterzeichneten das Abschlussdokument. Das Ergebnis der Konferenz hat vor allem symbolischen Charakter.
Weil Russland seine Teilnahme ausgeschlossen und China seine Einladung ausgeschlagen hat, ist das Ergebnis der Konferenz vor allem von symbolischem Charakter.
Wohl gemerkt: Russland habe seine Teinahme ausgeschlossen! Aber es ist ja nicht eingeladen worden.
Ob, wann und wo Selenskyj und Putin an einem Tisch sitzen, bleibt unklar. Beide sind zwar gesprächsbereit, aber ihre Vorstellungen liegen weit auseinander. tagesschau.de, 16.6.

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Letzte Woche war vereinzelt die Konferenz angekündigt, auch schon ohne Putin:
Ukraine-Konferenz in der Schweiz: Ohne Putin auf dem Weg zum Frieden? [...]
Die neutrale Schweiz richtet am 15. und 16. Juni eine Ukraine-Konferenz aus. [...]
Die neutrale und bündnisfreie Eidgenossenschaft, die aber die EU-Sanktionen gegen Russland mitträgt, fühlt sich als Vermittlerin berufen. [...]
„Die Erwartung ist nicht, dass wir bei der Konferenz einen Friedensvertrag unterschreiben, der direkt umgesetzt werden kann“, dämpft Bundespräsidentin Amherd den Optimismus. [...]
Präsident Selenskyj wird versuchen, möglichst viele Regierungen auf die Positionen Kiews einzuschwören. [...]
Hinter vorgehaltener Hand äußern Schweizer Offizielle jedoch die Befürchtung, dass Selenskyj das Treffen nach Belieben dominieren könnte. [...]
Putin hält den Schlüssel für Krieg und Frieden in der Hand. Doch hat die Schweiz Vertreter des Kreml-Machthabers „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht zu der Konferenz eingeladen. Russland habe „mehrfach, auch öffentlich, gesagt, dass es kein Interesse an einer Teilnahme an dieser ersten Konferenz hat“, heißt es seitens des Außenministeriums in Bern. [...]
Diplomaten bei den Vereinten Nationen betonen, dass sich die Schweizer mit der Nichteinladung in eine schwierige Lage manövriert hätten. „Das Ignorieren der Russen ist ein Fauxpas“, sagt ein Unterhändler. Gemäß der Neuen Zürcher Zeitung besteht noch die Möglichkeit, dass die Verantwortlichen in Bern im letzten Moment umdenken und Russland um Teilnahme bitten. Doch dann dürfte Putin den Eidgenossen die kalte Schulter zeigen.
Für [Russlands] Botschafter Gatilow ist klar: Ohne Russland mache das Stelldichein „sicherlich“ keinen Sinn. Nur die Hotelindustrie in der Region werde gewinnen, höhnt Gatilow. derstandard.de, 7. Juni

Putin Schuld

Das Institute for the Study of War hingegen sieht bei den Russen überhaupt keine Gesprächsbereitschaft: Putin halte an seinen maximalen Zielen fest, „die auf eine völlige Kapitulation der Ukraine und des Westens“ hinausliefen. Russland habe „kein Interesse an Verhandlungen mit der Ukraine, die aufrichtig sind“. Ebd.

Verkehrte Welt

Nur so gedacht:
Russland stellt sein Militär vor die Haustür der USA. Folgendermaßen: Es schließt ein Militärbündnis mit Brasilien, Venezuela, Columbien, Cuba, mit ganz Südamerika ab, stellt Panzer, Bomben, Flugzeugträger hin. Die USA warnen über Jahre, dass sie kein russisches Militär vor der Haustür wollen. Erst war Brasilien rote Linie gewesen, dann Columbien, dann Cuba. Zuletzt Mexiko: Die rote Linie zieht sich immer weiter zurück. 2014 wird Mexikos Regierung gestürzt und Russland-affin. Russland stellt Militär in Mexiko auf. Die USA, mit Russland vor der Haustür (rote Linie überschritten), greifen an. Die Medien schreiben, USA seien ein „brutaler Aggressor“, Russland könne das nicht hinnehmen, das Russland-affine Mexiko fordert Beistand, Russland fordert weltweit Staaten auf, sich gegen die USA zu wenden, denn wer weiß, auf wen sie als nächstes los gehen werden. Die neutrale Schweiz hält eine Friedenskonferenz ab und läd die USA nicht ein. Denn die halten an ihren „maximalen Zielen“ fest, an ihrer roten Linie, und haben „kein Interesse an Verhandlungen mit Mexiko, die aufrichtig sind“.

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21. Juni, das Fußball-Fest

Das Bachfest ist vorüber, und ich muss meinen Satz von zu Anfang ergänzen:
Leipzig feiert sich vom Wave Gothic Festival übers Weinfest ins Stadtfest hinein, um nächste Woche zum Bachfest überzugehen... – und vom Bachfest zur Fußball-Party.

Besonders die Fußball-Party erscheint in neuem Design: Vor Jahren zur WM zwar auch Massen an Fans, Bildschirme in jedem Pub, aber heute mit viel Polizei. Wo Fußgängerzonen anfangen, sind schwarze, mannshohe, viereckige Säcke aufgestellt, wie es aussieht, tonnenschwere, dass immer wieder Leute, weil wir solche Säcke nicht kennen, bemüßigt sind, zum Test gegen zu drücken, eine Frau vor uns hat im Vorbeigehen gegen geboxt, Box-Säcke. Und auch kegelförmige schwergewichtige Sperren auf Straße und Gehweg. Dient der Sicherheit, falls Terroristen mit Auto in die Fußgängerfußballfanmassen brettern. In unseren Wohnsträßchen campiert Polizei. Vor paar Tagen bestaunte ich einen Leichenwagen, schönes großes schwarzes Auto, hinten verdunkelt, und ich hatte spontane Einfälle, wer in der Nachbarschaft in Frage käme, da stand noch ein zweiter Leichenwagen, direkt vor unserer Haustür, und da käme altermäßig niemand in Frage. Frühzeitige Heimsuchung etwa? Beim genauer Hinsehen sind aber hinter den verdunkelten Scheiben Sitzreihen, also doch keine Leichenliege drin! Da fiel mir ein, dass zum Corona-Lockdown solche Autos, nur in ganz weiß, die Parkwege entlang patrouilliert sind, und wenn eine Mama mit zwei Kindchen auf der Wiese saß, sind schwer bewaffnete Polizisten ausgestiegen. Das wird's sein: Ist Polizei! Schwarz diesmal. Und um die Ringstraße, wenn wir an der Ampel warten, fahren schon mehrere solcher Polizei-Leichenwagen.

Heute haben die jugendlichen Nachbarn, er meist in grauer Jogging-Hose gestylt (er trägt sie so, dass die Absicht schick und gepflegt ist), und sie jedesmal zum Nichtwiedererkennen, BWL-Studentin, oder Jura, oder Disko-Party-Girl, oder Influencerin, oder Handballerin sportlich, oder in Tennis-Miniröckchen, oder Ukrainerin oder Ölscheich-Kurtisane - ich dachte schon mal, der Junge hat schon die zehnte Freundin, aber es muss wohl, zumindest ab und an, dieselbe sein - nun haben die beiden bei uns geklingelt: Ihr Auto vor unserer Haustür sei abgeschleppt worden, ob uns ein Parkverbotsschild aufgefallen sei, aber wir haben kein Auto und sind in Park-Angelegenheiten unaufmerksam. Wobei, eine Auto-leere Straßenseite, wenn man aus der Haustür tritt, wäre uns aufgefallen. Ja Ordnungsamts-Frauen, die Zettelchen an Autos klemmen, sind oft und emsig anzutreffen. Hinterher fiel mir ein, ob dieser Leichenwagen vor unserer Haustür etwa hat unseren Nachbarn abschleppen lassen, weil es in der besagten Parklücke stand? Lässt Polizei Anwohner abschleppen, um verdeckt zu parken? Zu krude.

Abends. Ich werde ungeduldig, weil meine Tagebücher dieser Schreiblastigkeit anheim fallen. Im Bodensee-Tagebuch hatte ich mal geschrieben, ein Maler ist jemand, dem das Malen besonders schwer fällt. Schreiben ist die Drückebergerei vor dem Malen. Die Maler-Faulenzerei. Fast wie Computerspielen. Nur mit der bequemen Ausrede, dass sie, weil's politische Reflexionen sind, einen Erinnerungsnutzen hat. Aber die Zeichenmotive warten nicht, das Grölen und Trompeten aus der Stadt dringt bis zu unserem Balkon. Und Christophs Büro im Turm der Uni verschafft uns das Privileg des besten Überblicks von oben, wofür viele Fußball-Fans Eintritt gezahlt hätten, dort sitze ich im Fenster und zeichne, Christoph arbeitet an Texten (ist kein Maler, bei ihm also keine Maler-Faulenzerei, echte Arbeit).

Ein Schriftsteller ist ein Mensch, dem das Schreiben schwerer fällt als allen anderen Leuten. Thomas Mann.
Schriftsteller sind bekanntlich Menschen, denen das Schreiben schwer fällt. Nur – bei den schlechten merkt man es. Hans Ritz.

Die kleinen Stroppelstriche in meiner Skizze muss man sich als Tausende, Zehntausende Fußballfans vorstellen, die meisten in Orange, ich glaube Niederlande. Und brüllen ein ohrenbetäubendes Getöse bis zu unserem Büro hinauf, dass einem blöd im Kopf wird, kurz dachte ich, schon dusselig, es gäbe noch Beschwerden aus Nachbarbüros über den Lärm in unserem Raum, dabei steht natürlich das ganze Gebäude, der ganze Augustusplatz unter Lärm. Außerdem, Dienstschluss, sind wir die einzigen hier im Turm. Vorhin waren wir auch so kleine Pünktchen da unten und haben uns umgesehen: Eine Bühne, und statt Kulisse oder Akteuren ein riesiger Bildschirm an der Bühnenwand, wo Fußball ausgestrahlt wird. Die Gattung Bühne oder Theater ist in den Bildschirm übergegangen. So etwas hatte Sedlmayr (Verlust der Mitte) noch nicht geahnt.

Wir wollten näher heran gehen, von vor Jahren (WM) gewohnt, dass zu Freilicht-Fußball-Bildschirmen immer freies Kommen und Gehen war. Aber es hat sich viel geändert: Viel Polizei, Zugangssperren, Regulierungen, Eintritts-Schlangen, man kommt nicht mehr einfach heran. Und das Gefühl, hier nicht entlang zu dürfen, dort falsch zu sein,... Zum Büro mussten wir ja direkt neben Polizei-Autos und Polizei-Schwadronen entlang, und wie Christoph neben denen den Rucksack abnahm, nach Schlüssel kramen, sah ich genau, wie sie guckten, in Rüstung und Waffen - Ich traue ihnen zu, dass sie den Philologen des Terrorismus verdächtigen, als holt er eine Bombe raus oder wär' Messerstecher, die moderne Polizei ist geschult, Gefahr zu „erkennen“, bei allem und bei jedem.

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Später sitzen wir, bis Mitternacht, im Barfußgässchen, mit Polizei nebenan auf dem Marktplatz. Manches Lokal hat mehrere Bildschirme, eine Bildschirm-Meile, viele Fans sind schon vor Spielbeginn auf Tischsuche getorkelt. Aller Augen auf Bildschirme gerichtet, dabei kräftig Bier geschluckt, und immer mal klug kommentiert. Der allgemeine Kleidungsstil, Trikots oder ärmellose Sport-Flatter-Hemden, betonen Armmuskeln und Bierbäuche. Ein Typ, der gut Bescheid weiß, schlägt sich die Faust in die Handfläche, als droht er einer Mannschaft Prügel an. Frauen kleiden sich genauso, gebärden sich breitbeinig lümmelnd oder Beine hoch, brüllen und saufen. Jemand klatscht schrill und plauzig in die Hände, also knallt mit den Händen, seh ich hoch, ist's eine Frau. Die andere, so verwundert wie ich, probiert es ebenso, stellt fest, dass da ein Unterschied ist, die erste knallt wieder und freut sich stolz über ihre kerl-artigen Fähigkeiten. Eine andere Art Frauen trägt so knappe Blusen und so lange Beine über den hohen Hacken, als Ausdruck dessen, dass sie großen Gefallen an diesen Sauf-Kumpanen hat. Alle warten gespannt wie in Startlöchern auf ein Ereignis, um gemeinschaftlich los brüllen zu können, ein- oder zweimal tritt so ein Ereignis ein. Im Barfußgässchen wird aufgesprungen und mit weit aufgesperrten Mündern gebrüllt. Warum habe ich nicht mitverfolgt, ich zeichne.

Bei fortgeschrittenem Spiel möchte die Kellnerin freundlich abkassieren. Oh, schließt das Lokal schon? „Nein, nein, wir haben nur Anweisung vom Chef, egal ob Stammgast oder Fußballfan, weil hatten wir letztens eine Gruppe, 70 Mann immer Bier bestellt und dann einfach abgehauen, nicht gezahlt.“ Wir zahlen unseren Wein und Aporol Spritz.

Auf dem Heimweg bedauert Christoph die Prostituierten nachher. Ich denke schon wieder an Otto Dix.

EM: Politik warnt vor Prostitutions-Anstieg
Während der Europameisterschaft könnte es in Deutschland zu einem deutlichen Anstieg von Prostitution kommen. Bei der Warnung schwingt Kritik an der Ampel-Koalition mit.
zdf.de, 8.6.24

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23. Juni, Geheimer Plan

Hier noch Zeichnungen von der EM im Barfußgässchen, Fans vor Bildschirmen. Das ist der optisch sichtbare und zeichnerisch skizzierbare Live-Alltag. Nachfolgend der parallele Medien-Alltag:

„Kriegstüchtig“ werden

Geheimer 10-Punkte-Plan: So soll ganz Deutschland „kriegstüchtig werden“ [...] Warum „geheim“?
„Unser Föderalismus muss verteidigungsfähig werden“, sagt Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU). [...]
Deutschland würde zwar wohl kein Frontstaat werden, aber „Drehscheibe Deutschland“ für Nato-Truppen auf dem Weg zur Ostflanke, das sind so die Vokabeln.
Wo es genau hakt, um den geheimen „Operationsplan Deutschland“ umsetzen zu können, ist auf der Fachebene schon länger Thema bei Treffen mit Vertretern der Bundeswehr. focus.de, 19.6. Seit wann wird nicht gesagt.

Gegen Desinformation

„Besonders im Verteidigungsfall müssen wir die Menschen überall in Deutschland schnell warnen können“ Thomas Strobl.
Als Aufgabe vor Ort sieht man auch die Weitergabe gesicherter Fakten, weil „vorsätzlich gestreute Falschinformationen Panik auslösen“ könnten: „Dies gilt besonders, wenn entsprechende Inhalte über soziale Medien verbreitet werden oder Netzstrukturen zusammenbrechen.“ Ebd.

Eigentlich möchte ich zustimmen, aber unwillkürlich muss ich an Corona denken, wo es anders herum war. Politiker haben es zur Absicht erklärt, Angst zu verbreiten. Wie könne man das erreichen: Als Beispiel nannte Kollaritsch [Tropenmediziner] dem Protokoll [Österreichisches Regierungsprotokoll] zufolge die Kommunikation rund um die britische Masernepidemie der 1990er-Jahre. Dort habe man mit der Angst der Bevölkerung gespielt. Als Vorbild. [Kanzler] Kurz verdeutlicht, dass die Menschen vor einer Ansteckung Angst haben sollen bzw. Angst davor, dass Eltern/Großeltern sterben. Hingegen sei die Angst vor der Lebensmittelknappheit, Stromausfälle etc. der Bevölkerung zu nehmen. nachrichten.at Es wurde „Stoppt die Corona-Panik“, Wodarg, gelöscht, oder von seriösen Qualitätssendern und Faktenchecks wegen Falschinformation vor ihm gewarnt. So herum geht's auch.

Das erste Opfer des Krieges ist immer die Wahrheit wiktionary.org

„Sicherheitspolitische Bildung“

9. Die Bevölkerung für den Ernstfall ausbilden [...]
Zivilschutzübungen [...]
Die CDU-Vizechefin hält „eine intensivierte sicherheitspolitische Bildung“, mindestens aber eine Debatte darüber für notwendig, bereits jetzt gebe es eine Kooperation mit Jugendoffizieren: „Zivilschutzübungen an Schulen und Hochschulen sind im Rahmen einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung zu mehr Resilienz denkbar“ [...] „Insbesondere Schulen sollten hier nicht an erster Stelle stehen.“
Ich hatte politische Bildung an der Schule, das war noch die Zeit der Friedenspolitik.

Kulturelles Erbe

Das Berliner Landeskommando der Bundeswehr will auch einen Punkt in die Debatte bringen, den möglicherweise noch weniger Menschen auf dem Schirm haben: Wie sichert man das kulturelle Erbe? focus.de, 19.6.

Die letzte Frage stelle ich mir oft. Wenn eine Wasserstoff-Bombe alles pulverisieren kann, dass kein Stein mehr übrig bleibt. Wie rettet man Gebäude und Gemälde davor?

Der „Vater der Wasserstoffbombe“: Edward Teller. Angetrieben von seinem Hass auf die Sowjetunion trieb der ungarisch-amerikanische Physiker Edward Teller (1908 - 2003) seinerseits die Entwicklung der amerikanischen Wasserstoffbombe maßgeblich voran. Man schaltet vor den Fusionssprengsatz eine Atombombe. ardalpha.de/wissen/...
Hass scheint ein Bumerang zu sein, die Waffe kehrt sich einfach um, denn kurz darauf entwickelte Russland die größte solcher Bomben.

Wasserstoffbomben können hundert bis tausend Mal so starke atomare Explosionen erzeugen wie herkömmliche Atombomben. Die Sprengkraft von Atombomben wird häufig in Kilotonnen oder ein Tausend Tonnen TNT gemessen. Wasserstoffbomben hingegen werden generell in Megatonnen oder eine Million Tonnen TNT gemessen. dw.com

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Nachtrag 22. Juni

...und noch ein Fest: Heut gehen wir in die andere Richtung raus, Rosental. Kaum wieder zu erkennen, viel vorbereitet fürs Open Air Gewandthaus-Orchester, eine Bühne, etliche monumentale Bildschirme, Palisaden aus Toiletten-Häusern, vereinzelt Imbisse, eine Wiese Tausender Fahrradständer, und aufs Gras gemalte Fluchtwege auf offenem Platz. Zwei bis drei Stunden vor Beginn ein Zustrom von Leuten aus allen Richtungen, Klappstühle tragend, schleppen Taschen und ziehen Handwagen wie nach Großeinkauf für die nächsten Wochen. Zu 6 Wochen Vechta hatte ich so viel Gepäck. Sag, wie lang soll das Konzert dauern?

Christoph und ich warten zu Hause bis kurz vor Beginn. Ich will unbedingt teilnehmen: Leute im Sitzen und Liegen, bei Essen, Musik, Sonnenuntergang, machen die besten Figuren. Unser Akt- und Modellprofessor damals hätte die Studenten in solche Konzerte unter die Leute setzen sollen. Christoph und ich tasten uns kurzfristig vor, ob die Lage erträglich ist. Ist gut erträglich. Bürgermeister Jung und Ministerpräsident Kretschmer halten die Ansprache. Kretschmer bedankt sich bei allen Leipzigern für den tollen Zusammenhalt, den wir gestern bei der EM bewiesen hätten, und auch politisch, „Europa, wir halten zusammen“, dass wir alle gemeinsam für die richtige Politik gegen bestimmte Leute oder so ähnlich...

Das Orchester beginnt. Stücke aus der Film-Musik, Ben Hur, Herr der Ringe, Pink Panther, Charlie Chaplin im Programm. Ich zeichne, Christoph schimpft vor sich hin und hat ja Recht: „Das ist doch keine Sound-Technik! Die armen Leute schleppen ihren Hausrat da hin, n halbes Jahr haben die wahrscheinlich drauf gewartet und sich gefreut, die armen Tröpfe, damit sie nachher gar nichts hören!“ – da entfaltet sich nichts, als wenn sie unter der Bettdecke musizieren. „Du musst noch schreiben, dass das ganz lieblos gespielt war!“ Meine Zeichenmotive aber sind hin und weg, und darum geht's doch. Die waren schon auf der Anreise mit ihren Proviant-Karavanen in Hin-und-Weg-Stimmung und sind, egal was kommt, nicht davon abzubringen. Das erste Stück, Korngolds Unter Piratenflagge, ist extrem kurz. Kaum begonnen, ist es schon zu Ende, die Leute klatschen, Christoph schimpft, es sei gar nicht das ganze Stück, sei ja nur angedeutet worden. Der Moderator ist anders herum etwas unglücklich mit dem Publikum und wendet Rhetorik an – „Animator!“ meint Christoph. Die Leute geben sich Mühe und klatschen schon besser. Auch das zweite Stück ist extrem kurz, und alle Stücke werden offenbar nur angedeutet. Vielleicht sollen sie so schlecht spielen, weil's keinen Eintritt kostet, überlege ich. „Steile These“, meint Christoph, „Die spielen doch auch mit viel Bezahlung so“. Das Zeichnen ist zäh und frostig.

Nach einiger Zeit reicht die Toiletten-Hochburg nicht aus und stehen viele, viele Leute davor, schon bis in die romantischen Picknicks hinein, und wo ich sitze, stehen sie neben mir, wie ich zeichne, in der Toilettenschlange, und wahrscheinlich löst der Anblick des Toiletten-Sturms bei manchen, die bis jetzt nicht mussten, auch das Bedürfnis aus, wie bei Lebensmittelknappheit, wo alle hin müssen Nudeln kaufen, muss bei Toilettenknappheit das Rosental dringend auf die Toilette. Oder in Anbetracht vielleicht halbstündiger Wartezeit stehen sie vorsorglich an, falls sie nachher müssen. Vielleicht auch, weil es kühl ist. Christoph und ich rücken weiter, aber ich komme nicht gut ins Zeichnen. Wir geben auf und gehen vorzeitig, natürlich trotzdem zufrieden, nach Hause. Die Tausenden Fahrradständer haben bei weitem nicht ausgereicht, das ganze Rosental lang und an der Straße weiter stehen noch mal Tausende Fahrräder in den Büschen.

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24. Juni

Heute wieder ein Fußballspiel in Leipzig. Kaum jemand, der nicht rotweiß kariert ist = Kroate, oder blau = Italiener. Feuerqualm im Barfußgässchen, oh, es brennt! Nein, die feiern nur. Vermischt mit Bier-Geruch, tosend-brüllende Massen. Normale Passanten denken keine Sekunde daran, das Gässchen zu passieren und lebend wieder heraus zu kommen, gehen außen herum, durch eine Passage, auch dort Cafés tobender, saufender weißroter Karo-Muster, der Ausgang zum Markt hin völlig versperrt von Satyren, wir und viele hinter uns müssen umkehren, ich seh den hinter mir mit entsetztem Gesicht, wahrscheinlich gucken wir selbst auch so. Von der Thomaskirche aus herum zum Markt, der Bogen, ist begehbar, viel Polizei hält die Staße frei, Zehntausende Kroaten über den gesamten Markt vor dem Rathaus, Feuer, Fahnen, Trommeln, Pfeifen,... Die Italiener, „die Ganoven“, wie Christoph immer sagt, „die uns Deutsche doch nur übern Tisch ziehn“, erscheinen geradezu von schüchternem Temperament. Aber wo ist Christoph hin verschwunden? Wie soll sich in den Massen jemand wieder finden? Steht er plötzlich bei einem Schwadron Polizei und wagt sich's, mit ihnen zu streiten! Nach den Erfahrungen der letzten Jahre, wie Polizei schnell gereizt ist, seh' ich's schon vor mir, wie sie ihn fest nehmen! Aber heute sehen sie nett aus. Demonstrativ haben sie defensiv die Hände in die Schulter-Riemen gehängt, drehen dem aufgeregten Zivilisten die Seite zu, keinerlei Konfrontation, und antworten schlichtend mit freundlichen Gesichtern, sehr professionell, Schablonen-artig eingeübt. Christoph kommt kopfschüttelnd wieder zurück. „Das glaubst du nicht! Ich hab zu dem gesagt, die Corona-Demos haben sie verboten, wenn irgendwo ein einziges Stück Pyrotechnik von wem auch immer angezündet wurde, und hat Polizei auf Omas geprügelt. Und hier stehen sie am Rand und könnten nichts unternehmen, wie er sagt! Sie seien in der Unterzahl! Und es sei ja heut friedlich, sagt der! Die Fußballfans täten hier nichts Illegales. Sag ich: wenn keiner durch die Gassen und Passagen kann, und Feuer brennt? Die Cafés und Kellnerinnen sind dort ausgeliefert! Ja schon, das sei nicht legal, aber die Polizei könne da nicht rein, es sei zu gefährlich. Aber Omas verprügeln konnten sie doch!“ Ich stelle mir vor, wie sie Situationen gespielt und passende Ausdrucksweisen dafür eingeübt haben. Wenn die Zentrale sagt, die Demo bestünde aus bedrohlichen Demokratiegefährdern, sehen sie in einem Opi einen solchen, und sollen mit Aggression durchgreifen. Wenn ihnen gesagt wird, die Leute seien nett und feiern nur, lasst die mal ihr Feuer machen und bisschen randalieren, sollen die Polizisten freundlich auftreten. Ein und demselben Menschen wird von ein und derselben Polizei auf der bösen Demo böse geantwortet und auf der guten nett. „Der sagte, es sei überall Polizei auf den Dächern und im Hubschrauber, und würde alles aufgezeichnet, wenn einer Straftaten begeht, hätte man die Gesichter.“ erzählt Christoph. Ein Lautsprecher tönt: „Hier spricht die Polizei. Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass das Fußballspiel bald beginnt. Wer ins Stadion möchte, sollte sich langsam dort hin begeben.“

Das Rathaus-Café ist von Kroaten vereinnahmt, sind nicht in dem Sinne eingekehrt, sondern haben sich die Tische genommen und mit Plastik-Bechern und Bier eingerichtet, Pizza aus Pappkartons von irgendwoher. Betreiber und Kellnerinnen scheinen sich versteckt zu haben. An jedem Tisch stehen ein oder zwei Saufbrüder und spielen Akkordeon, alle Tische singen laut dazu, klatschen im Takt und bewegen die Beine. Reporter mit professionellen Kameras nehmen das lustige Volksfest auf, die Typen lächeln uns faszinierte Zuschauer einladend an. „Du, in der Slowakei haben sie auch nachts in den Lokalen laut angefangen zu singen. Viola hat erzählt, je mehr man nach Osten kommt, wird dort gesungen und getanzt. Wenn die feiern, mit Feuer und so, wirkt das vielleicht nur auf uns Deutsche so erschreckend“, überlege ich zu Christoph. Aber wehrlosen Lokalen die Tische weg nehmen? Haben ja keine Einnahmen und müssen den Schaden bezahlen.

Wir sehen nach dem Augustusplatz. Scheint heute diesmal vergleichsweise ruhig. Mehr blaue Gruppen, zivilisierte Italiener. An einem Lokal wagt eine blaue Gruppe laut und feierlich auch mal zu brüllen, beeindruckt niemanden. Am Markt steht jetzt ein großes Feuerwehr-Auto bereit. Feuerwehrmann spielt am Handy, alles im Griff.

Christoph und ich lassen uns abseitiger im Zuckerhut nieder. Am Nachbartisch Kroaten, die ein Bier nach dem andern, und eine Runde Schnaps auf die nächste bestellen. Der eine zahlt nach jeder Runde, kann deutsch, und sagt zur Kellnerin, es sei das erste mal in seinem Leben, dass er seinen Schnaps im Lokal bezahlen würde, darauf wolle er gleich noch einen trinken. Ansonsten sprechen sie kroatisch, aber zusehens schlechter, lallen wie bei Dinner for One, obwohl, je mehr sie lallen, es unserer Sprache immer ähnlicher wird, wenn Deutsche lallen. Hätte er nüchtern in klarem Kroatisch gesagt, er sei betrunken, hätten wir gar nichts verstanden. Sie singen ab und an, bald liegen sie sich mit Tränen vor Lachen in den Armen, mit roten Köpfen und Luftnot, und kommen aus Trinken und Lachen nicht mehr raus, können nicht sprechen und werden wohl nicht wissen, was denn eigentlich so lustig ist, stoßen versehentlich ein Glas um, die Kellnerin kommt aufwischen, ihm ist es sichtlich ein bisschen peinlich, er versucht mit großer Mühe auf Deutsch „Entschssch...ng, w ssssn schn bisssn betrung“, um sein Missgeschick zu erklären. Wir müssen auch heimlich lachen. Auf der anderen Straßenseite, in ganz anderem Lokal weiter weg ruft ein Tisch Italiener Slogans. Ein anderer Tisch Italiener in unserem Lokal ruft zurück, Passanten stimmen ebenfalls mit ein, Italia! Unsere Kroaten schlucken ihr Lachen runter, gucken und lassen's nicht auf sich sitzen. Hrvatska! Hrvatska! Gesprochen klingt's nach Kravatska, brüllen sie fröhlich zum Gruß, das bekommen sie hin, und heben die Gläser, zum Fern-Anstoßen mit den Italienern. Italiener antworten wieder, Kroaten und Italiener verstehen sich prächtig.

Wir sehen wieder beim Markt vorbei, die Horden sind offenbar zum Stadion verschwunden. Rundherum steht Polizei, und einsam in der Mitte nun eine Montags-Demo, zu 20, alte, nette Leute, fast niemand hört ihre Rede an. Das Barfußgässchen ist wieder zugänglich, Müll-Arbeiter haben schon das Gröbste weg geschafft und laufen emsig wie Termiten um den Rest. Das Lokal hat dicht gemacht, Schirme eingeklappt, Stühle und Tische rein geholt, wahrscheinlich schon vor Beginn der Party. Es stehen nur schlichte Bänke an Klapptischen, alles nass, es ist ein trockener heißer Tag, aber das Barfußgässchen ist nass und klebt an Schuhen, ich dachte Bier, aber riecht scharf nach Pisse, Kotze und Verbranntem. Die haben in der Tischrunde gepinkelt! Vielleicht weil die Lokale zu gemacht haben. In Nachbar-Lokalen sitzen noch Rotweißkarierte, recht gesittet, die nicht ins Stadion rüber sind, sondern an Bildschirmen. Kellner sehen verwirrt aus den Türrahmen, wie Überlebende eines Tornados.

Nach so einer Bekanntschaft mit den kroatischen Gästen sind wir aber neugierig, wie sie spielen. Zu Hause ZDF live. Christoph und ich sind fasziniert: unser Stadion, direkt in unserer Nachbarschaft, sehen wir im Fernsehen. Wir sehen im Fernsehen, was nebenan ist! Da sitzt die rotweiße Meute von eben, die das Barfußgässchen verräuchert und verpinkelt hat! Man sieht sie nur als Pünktchen am Bildschirm, aber wir wissen nun, wie besoffen sie sind. Bekommen sie dort im Stadion überhaupt noch etwas mit? Der Moderator weist nebenbei im Spiel drauf hin, dass Pyrotechnik im Stadion gezündet wurde, kurz kommt's am Rand mit in die Kamera: Sie zünden ihre Feuer im Stadion weiter! Soll aber dort wohl unterbunden werden. Der Fokus liegt auf Ball und Spiel, nicht auf dem Zuschauervolk, schade. Ob sie dort auch weiter Akkordeon spielen und singen? Im Spiel scheint Italien zunächst stärker, wie muss das die Rotweißen wohl grämen! Bei Niederlage wären sie raus aus der EM. Christoph hat Mitleid und fiebert immer mehr mit den Kroaten, aus Faszination für so hemmungsloses Feiern. Erst überschreiten sie rote Linien, und dann stellen wir fest, dass die Linien gar nicht so rot waren, wie wir dachten. Man kannte's nur nicht. Ein Toooor! Kroatien schießt ein Toooor! Was an Fouls gepfiffen wird oder nicht scheint wie immer etwas undurchsichtig. Das Unbegreiflichste aber kommt am Schluss, als eigentlich fest steht, dass Kroatien gewonnen hat, werden lange 8 Minuten Nachspielzeit angehängt – wo bloß kommen die denn her, ein Geschenk an Italien? Kommentator begründet's nicht. Und, teuflisch, fällt in der allerletzten quälenden Minute, in einer Stimmung, als hätt's wer unbedingt so einrichten wollen, ein Tor für Italien. Kroatien am Boden zerstört. Es macht uns etwas ratlos, sodass wir später nachlesen, wie's andere sehen. Das absurd bittere Modric-Drama
Der Modric-Wahnsinn ließ das Netz regelrecht explodieren. „Meine Fresse was ein Gänsehauttor“, jubelte ein User bei X. Ein anderer witzelte: „Der späteste Nachschuss aller Zeiten.“ sport1.de, 24.6.
„Acht Minuten, die waren keinesfalls berechtigt“, zürnte [der Trainer] Zlatko Dalic [...] : „Wir sind eine kleine Nation. Mich nervt es, wenn die Kroaten nicht respektiert und anerkannt werden.“ Anderen Nationen würde derartiges nicht widerfahren, so Dalic, der rhetorisch fragte: „Passiert das bei Portugal oder Spanien auch?“

Wir öffnen die Balkon-Tür und warten auf den Abzug jubelnder oder trauernder Fans, die zurück in die Stadt durch unsere Straßen ziehen. Aber es bleibt merkwürdig still. Nun, wer weiß, wie lang es dauert. So eine Menge aus einem Stadion. Aber die Nacht bleibt ruhig, alles wie aufgelöst.

2024

2. Juli, „Politische Hygiene“

Unliebsamen Medien werden Konten gekündigt. „De-Banking“: Der lautlose Angriff auf oppositionelle Medien, mulitpolar-magazin.de, 24. Juni

Dieses Problem kann man seinen mitlaufenden Mitmenschen eigentlich nur auf eine einzige Art bewußt machen. Man sage zu ihnen: „Stell' dir vor, die AfD wäre an der Macht und würde Menschen, die eine andere politische Sicht haben, reihenweise die Konten kündigen und es ihnen verunmöglichen, neue zu eröffnen. Wie fändest du das?“ Leserkommentar Helene Bellis, ebd.

  • 2000: Postbank (damals noch staatlich) kündigt nach kritischen Presseberichten Geschäftsverbindungen zu „rechten Parteien“ wie „Die Republikaner“ und am 5. Januar 2001 zur Wochenzeitung „Junge Freiheit“, um einen „wichtigen Beitrag zur politischen Hygiene“ zu leisten.
  • 2009: Commerzbank (teilstaatlich) kündigt Privatkonten des Chefs der Marxistisch-Leninistischen Partei und seiner Lebensgefährtin.
  • 2013: Commerzbank kündigt einer Münchnerin wegen ihres in der kommunistischen Partei und als Bankenkritiker aktiven Sohns das Konto.
  • 2016: Bank für Sozialwirtschaft kündigt Konto der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, die die pro-palästinensische Israel-Boykottkampagne BDS unterstützt, richtet es nach öffentlichen Protesten wieder ein und beendet 2019 endgültig die Geschäftsbeziehung.
  • 2016: Commerzbank kündigt dem jüdischen Publizisten Abraham Melzer das Konto.
  • 2018: GLS-Bank kündigt nach einem kritischen Bericht der Taz der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung das Konto.
  • 2020: Deutsche Bank kündigt Konto des Corona-maßnahmenkritischen Arztes Bodo Schiffmann.
  • 2020: Comdirect (Commerzbank) kündigt Konto des maßnahmenkritischen Anwalts Markus Haintz.
  • 2021 Deutsche Kreditbank (Bayerische Landesbank) kündigt Konto von Haintz.
  • 2021: Apotheker- und Ärztebank kündigt Konto des Vereins „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“
  • 2021: Commerzbank kündigt dem russischen Staatssender RT das Konto. Dieser bekam danach nach eigenen Angaben von 20 deutschen Banken Absagen.
  • 2021: GLS-Bank kündigt Konto von Ken Jebsen, dem Betreiber des Kanals KenFM. Kurz zuvor hatte im Januar Google Jebsens Youtube-Kanal mit 500.000 Abonnenten gelöscht. In der Folgezeit habe sich KenFM an rund 40 Banken gewandt und wegen Erfolglosigkeit der Kontosuche die Marke KenFM aufgegeben. Der Nachfolger firmiert unter dem Namen Apolut.
  • 2021: ING-Bank kündigt dem freien Publizisten und früheren Moskau-Bürochef des Focus, Boris Reitschuster nach dessen Angaben das privat genutzte Konto.
  • 2021: Online-Bank N26 kündigt gleichzeitig Reitschusters öffentliches Spendenkonto.
  • 2022: Bankhaus Bauer kündigt Reitschuster nach dessen Angaben das nur ein Jahr vorher dort eröffnete Spendenkonto. Eine weitere Bank habe ebenfalls das Konto gekündigt.
  • 2021: Volksbank Beckum-Lippstadt kündigt der Filmproduktionsfirma Ovalmedia nach zwei kritischen Artikeln des Tagesspiegels das Konto. Ovalmedia filmte die Sitzungen des maßnahmenkritischen „Corona-Ausschusses“.
  • 2022: Fidor-Bank kündigt dem sehr erfolgreich publizistisch aktiven Philosophen Gunnar Kaiser das Konto.
  • 2022:Solaris-Bank sperrt ohne Ankündigung dem Journalisten und Netzseitenbetreiber Alexander Wallasch das Konto.
  • 2023: Deutsche Bank kündigt dem Blogger Hadmut Danisch das Konto. Vorausgegangen war eine inzwischen eingestellte Ermittlung der Staatsanwaltschaft wegen Verdachts auf Beleidigung einer Person des politischen Lebens. Das Landeskriminalamt Berlin hatte von der Bank eine Liste der Kontobewegungen angefordert.
  • 2023: Der Bayerische Rundfunk berichtet stolz, dass es dem Sender gelungen sei, durch Übermittlung von 109 Bankkonten und 38 Paypal-Accounts an die kontoführenden Banken die Geldkonten von Rechtsextremen trockenzulegen und fordert, der Staat solle sich ein Beispiel hieran nehmen.
  • 2020 bis 2023: Nach Angaben von Anselm Lenz, dem Herausgeber der Wochenzeitung „Demokratischer Widerstand“, gegenüber Multipolar, wurden ihm in Zusammenhang mit der Wochenzeitung von 12 Banken und einer Sparkasse Konten gekündigt.
  • 2024: Volksbank Pirna kündigt dem KenFM-Nachfolger Apolut das Konto. Vorausgegangen waren sehr kritische Berichte über den Bankchef, die Bank und ihre Kunden im Tagesspiegel und von Correctiv (staatlich gefördert).
  • 2024: Sparkasse Berlin sperrt der „Jüdischen Stimme“ das Konto, nachdem sie vorher vergeblich unter anderem eine Liste aller Mitglieder mit Anschriften angefordert hatte. Der Verein hatte zuvor sein Konto den Organisatoren eines politisch unerwünschten Palästina-Kongresses in Berlin zur Verfügung gestellt.
  • 2024: GLS-Bank kündigt dem Online-Magazin Manova das Konto

Liste von Norbert Häring nach Multipolar-Artikel. norberthaering.de, 28.6.

2024
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4. Juli, Der beste Schutz für ruhiges Schlafen

Nicht Ohropax, Baldrian oder Yoga:
Ukraine-Unterstützung ist der beste Schutz für das ruhige Schlafen. Baerbock n-tv.de, 28.6.

„Am leichtesten sind Unterschenkel-Amputationen“, erklärte von Wolfersdorff, die sich bereits seit längerem für die Menschen in der Ukraine einsetzt. [...]
Im Rahmen des Städtepartner-Projektes „Prothesenzentrum Berlin-Kyiv“ sollen insgesamt 60 Soldaten aus der Ukraine, die im Krieg eines oder mehrere ihrer Gliedmaßen verloren haben, mit einer Prothese versorgt werden. [...]
Sechs Ukrainer werden an kriegsverletzten Landsmännern in der Prothesenanpassung geschult. [...]
Der „Soldat Null“: Wie das Projekt zustande kam [...]
Im Eiltempo sollen sie [...]
darin geschult werden, wie sie die Körperersatzstücke anfertigen. [...]
die neue Prothese aber habe sich wie ein Maserati angefühlt, so die Projektgründerin. [...]
mittlerweile sei der „Soldat Null“ wieder an der Front, sende aber weiterhin regelmäßig Grüße nach Berlin. Alexander Rothe, morgenpost.de

Am 12. Juni präsentierten sie stolz ihre neuen Prothesen, auf denen sie langsam laufen lernen. Auf dem T-Shirt eines Mannes, der im Krieg beide Beine verlor, prangte die Aufschrift „Fight for Life“. [...]
„Hier sieht man am Projekt, wie Städtepartnerschaft gelebt wird.“ [...]
„Es ist nicht sehr einfach, aber es ist sehr interessant“, sagte Anastasiia, eine der Auszubildenden. biermann-medizin.de

„Meine“ Freiheit

„Freiheit ist wichtiger als Frieden“. Warum gibt es in Ostdeutschland mehr Kritik an der Unterstützung der Ukraine als im Westen?
Der Historiker, Ilko-Sascha Kowalczuk, antwortet nicht damit, dass besonders Ostdeutsche dankbar über die Wiedervereinigung sind, und über den Abzug russischer Truppen. Und sich an das Versprechen erinnern, dass sich Nato nicht nach Osten ausdehnt („russische Lesart“). Sondern, dass Ostdeutsche verwöhnt seien:
In den letzten 30 Jahren haben sich viele Menschen, die aus der Unfreiheit der DDR kamen, an die Freiheit gewöhnt, sie betrachten die Probleme anderer nicht mehr als ihre eigenen.
Na, so etwas kann den Westdeutschen nicht passieren. Ach doch: Ich bin mir unsicher, ob die Aussage „Das ist nicht unser Krieg“ nur im Osten mehrheitsfähig wäre, meint der Historiker. Auch Westdeutsche also mehrheitlich verwöhnt, wenn auch nicht ganz so wie Ostdeutsche.
Aber für mich ist dieser Krieg des russischen Regimes gegen die freie, unabhängige Ukraine auch ein Krieg, bei dem es um meine Freiheit geht. Für mich ist das auch mein Krieg, taz.de, o.D.

„Wir können auch einmal frieren für die Freiheit. Und wir können auch einmal ein paar Jahre ertragen, dass wir weniger an Lebensglück und Lebensfreude haben.“ Joachim Gauck zeit.de, 10.3.22

Die Wohlstandsverluste seien zu ertragen, sagte Gauck. sueddeutsche.de, 1.4.22

Diese moralische Überhöhung, dass wir jetzt hier die Besten der Welt sind, weil wir jetzt kein russisches Gas mehr kaufen und kein russisches Öl mehr, und wir sind die Helden, und der Rest der Welt lacht sich tot über uns, weil die gerne das Öl und das Gas kaufen. Und wir kaufen's ja teilweise auch über Umwege, also über Indien, über Belgien,... Belgien ist ja jetzt ein großer Gaslieferant von uns, hat aber gar kein Gas, importiert aber in Größenordnungen russisches Gas. Sahra Wagenknecht 2.6. bei Mark Friedrich, Minute 16

2024
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4. Juli, Vorsorge

Marionetten

„Katastrophe ohnegleichen“
Joe Bidens katastrophaler Auftritt bei dem TV-Duell gegen Donald Trump zieht weitere Kreise. merkur.de, 4.7. Verpatztes TV-Duell. Biden stammelt und murmelt vor sich hin mit dementem Blick, und ist der Meinung, etwas vorzutragen. Trump guckt verblüfft und muss sagen, dass er nichts verstanden habe. Niemand hat etwas verstanden.

Seine Frau Jill Biden lobte ihn danach übermäßig wie ein Schulkind oder einen Hund, „wie toll es ist, Joe hat alle Fragen beantwortet“, Mark Friedrich Biden mit Totalausfall - Trump wird Präsident 28.6.
„Such a great job! You answered every question!“ Das Publikum jubelt, Biden strahlt mit offenem Mund. CNN berichtet von Panik unter den Demokraten über Bidens Auftritt.
Meiner Meinung nach wird eins aber ganz klar: Der Deep State ist real! Und Joe Biden nur die Marionette, wie vielleicht auch Obama und Clinton und so weiter, und bei der Frage, wer Präsident wird, herrschen wohl andere Gesetze. Anders kann man es nicht erklären, dass jemand wie Joe Biden überhaupt ins Weiße Haus gekommen ist. Ebd.

Kurz zuvor: Scholz verteidigt Bidens Gesundheitszustand – und traut ihm Wahlsieg zu [...] „Das ist ein Mann, der genau weiß, was er tut.“ tagesspiegel.de, 15.6.

Der falsche Kandidat

Trump kündigt wie immer an, den Krieg sofort zu beenden. Noch mehr Panik.

US-Präsident Bidens zentrales Ziel beim G7-Gipfel: Die Weltlage vor der Wahl im November „Trump-sicher“ machen.
Er will Pflöcke einschlagen, die Trump nicht ausreißen kann tagesschau.de, 13.6.

Nun, wo Biden nicht mehr zurechnungsfähig zu sein scheint:
Sorge vor möglichem US-Machtwechsel: Nato plant „Trump-sichere“ Ukraine-Hilfe [...]
Nato muss nach schwacher Biden-Leistung umplanen [...]
Die Nato wappnet sich für eine mögliche Präsidentschaft von Donald Trump. Mehrfach spielte der 78-Jährige öffentlich mit dem Gedanken, die Unterstützung im Ukraine-Krieg teilweise abzubauen oder gänzlich zu streichen. [...] „Anstatt dass Washington für die Verwaltung der Ausbildung und Unterstützung zuständig ist, wird die Nato die Verantwortung übernehmen. Selbst wenn die USA ihre Unterstützung für die Bemühungen reduzieren oder zurückziehen, werden diese also nicht eingestellt“, verkündet der ehemalige Nato-US-Botschafter Ivo Daalder. Und Nato plant neuen Stützpunkt in Wiesbaden: Ungarn hält sich raus fr.de, 4.7.

Schon wieder ein Pandemie-„Kandidat“

Vogelgrippe in den USA. Virologe Drosten warnt vor möglicher neuer Pandemie n-tv.de, 29.6.

Wenn Vogelgrippe zur Pandemie wird, war „Corona Spaziergang dagegen“
[...] die EU bestellte nun hunderttausende Impfdosen gegen das Virus. „Alle Fachleute sind besorgt“ n-tv.de, 30.6. Wieder Szenarien. Man warnt. Wieder klassische Grippe-Symptome. Man fordert Maßnahmen: „Und vor allem sollten wir die lessons learned aus der Coronapandemie schnell umsetzen!“ [...] Und falls es doch nicht so schlimm wird: Und selbst, wenn es nicht die Vogelgrippe ist, die die nächste Pandemie auslöst: Laut Ulrichs kommen noch „sehr viele“ Erreger in Frage dafür. Vogelgrippe sei nur einer der Kandidaten.

Tödlicher als Corona! Was Sie über Vogelgrippe wissen sollten [...] Die Zeit der Coronatests, Masken und Lockdowns ist vorbei. Mit der nächsten Pandemie möchte sich derzeit noch keiner beschäftigen. Doch sie wird kommen, sagen Experten. Möglicherweise breitet sie sich in den USA bereits aus - und wird früher oder später weltweit zum Problem. Die Rede ist von der Vogelgrippe. [...]
Die Weltgesundheitsorganisation zählt 463 Todesfälle durch Vogelgrippe im Zeitraum der letzten 21 Jahre, dokumentiert in 23 Ländern. focus.de, 2.7.

„Die Kühe haben absurd hohe Viruslasten in der Milch“
„Es ist bedenklich, was sich da zusammenbraut“, sagt Virologin Isabella Eckerle, Expertin für neuartige und pandemische Viren. Expertin für Dinge, die man nicht kennen kann.
Die Vogelgrippe ist also eine bekannte Zoonose, die allerdings bis heute nicht die Fähigkeit erlangt hat, sich effektiv von Mensch zu Mensch zu übertragen. Das Virus steht aber schon länger auf der Kandidatenliste potenziell pandemischer Viren. n-tv.de, 4.7.
Die Vokabeln: Fähigkeit, Effizienz, Kandidat.

Infektionsstudie auf der Insel Riems: Kühe werden mit Vogelgrippevirus infiziert [...] In den USA werden seit einiger Zeit ungewöhnliche Übertragungen des Vogelgrippevirus auf Milchkühe registriert. Forscher gehen dem in Versuchen nach, bald auch auf der Ostsee-Insel Riems im Greifswalder Bodden. ostsee-zeitung.de, 14.5.

Deutschland gegen Russland

Gabriel: „Russland noch einmal niederringen“ [...]
Jetzt folgt also Gabriels Kritik an Scholz‘ rote Linien im Ukraine-Krieg. [...]
„Wir werden Russland noch einmal so niederringen müssen, wie wir das im Kalten Krieg mit der Sowjetunion gemacht haben.“ fr.de, 15.6. Nicht ganz sicher, was er meint: Die Westdeutschen hätten, dank Amerika, das Wettrüsten gewonnen und damit die Sowjet-Union niedergerungen? Was ist mit Friedensbewegung? Gorbatschow?

„Wir müssen die Russen niederkämpfen!“ Sigmar Gabriel bei Maibrit Illner.
„Deswegen werden wir ganz anders antworten müssen, nicht nur militärisch. Im Grunde müssen wir die Russen so niederkämpfen, wie das mal mit der Sowjetunion gelungen ist!“ [...]
„Der Kanzler hat sich zu ändern!“, forderte auch Außenpolitik-Experte Roderich Kiesewetter (60, CDU). „Das Entscheidende ist, dass andere Staaten um uns herum sehr klar sagen: Wir müssen auch auf russisches Gebiet wirken. Ich glaube, dass sich Deutschland bewegen muss. Das Kanzleramt muss sich bewegen!“ bild.de, 31.5.

Nato baut zivile Präsenz in Kiew aus – Deutschland soll zentrale Rolle spielen welt.de, 4.7.

Alle Zeichen stehen auf einen grossen Krieg. Serbiens Präsident Aleksandar Vučić weltwoche.ch, 9.6.

„Ich bin mir ziemlich sicher, wir werden eine Katastrophe erleben“. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic bereitet sein Land auf einen grossen Krieg in Europa vor. weltwoche.de, 14.6.

Ich kann nicht sagen, dass es ein Dritter Weltkrieg wird, aber wir sind sehr nah dran an einer großen Konfrontation, die in den nächsten drei oder vier Monaten eintreten wird. Und es besteht die Gefahr, dass es sogar schon früher geschieht.“ Vučić pi-news.de, 19.6. Interview im youtube: Die Weltwoche, 8.6.

2024
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8. Juli, Unser „Way of life“

„Putins Bomben meinen auch uns“

Sorge vor Wahlsieg prägt Gipfel. So will sich die NATO „Trump-sicher“ machen
„Trump-sichere“ Ukraine-Hilfen aus Wiesbaden n-tv.de, 7.7.

Europas „way of life“ gefährdet. Baerbock: „Putins Bomben meinen auch uns“ n-tv.de, 4.7.

Generalinspekteur warnt vor russischem Angriff ab 2029. Begründet wird es nicht dadurch, dass Putin etwas verlautbart hätte, sondern seine aktuelle Aufrüstungsgeschwindigkeit soll offenbar Jahr für Jahr so weiter gehen, und dann hätte es uns 2029 eingeholt, was bedeute, dass Russland uns dann angreifen würde. n-tv-de, 8.7.

Kriegswirtschaft?

Die FDP macht sich für ein Ende des Acht-Stunden-Tags für Deutschlands Beschäftigte in heutiger Form stark. Wir dachten bisher, „sich stark machen“ könne man nur für Schwächere. Nun macht sich also der Stärkere stark für mehr Ausbeutung. Beschäftigungsforscher Enzo Weber meint, das sei im Sinne der Arbeitnehmer: dass die nicht immer länger arbeiten wollten, und zufrieden sein wollen. Der Job müsse sich ans Leben anpassen und nicht umgekehrt. Er bezeichnete den „starren Acht-Stunden-Tag“ als „altes Dogma“. Dieser werde der modernen Lebens- und Arbeitswelt vieler Menschen längst nicht mehr gerecht. Deshalb müsse pro Stunde mehr heraus geholt werden, durch Flexibilität und Technologie, und, wie gesagt, 6-Tagewoche und mindestens 10 Stunden-Tag. Inwiefern man dadurch nicht länger arbeitet, wird nicht klar, aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien sich da einig: Auf die Flexibilisierung sollen sich „Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam im Rahmen von Tarifverträgen einigen können“. Alles unter dem Titel „Griechische Sechs-Tage-Woche bereits möglich“ n-tv.de, 8.7.

Und, nicht zu vergessen: Immer mehr Experten einig: Rente mit 70 unausweichlich fr.de, 5.3.

Um Ausländer anzulocken. Weniger Steuern für Migranten.
Die Ampel-Koalition hat sich bei den Verhandlungen zum Bundeshaushalt 2025 auch auf mehrere Maßnahmen geeinigt, die den deutschen Arbeitsmarkt attraktiver und leichter zugänglich für ausländische Fachkräfte machen sollen. Eine davon ist die Idee, dass neu Zugewanderte in den ersten drei Jahren weniger Einkommensteuer bezahlen müssen. Im ersten Jahr soll es einen Rabatt von 30 Prozent geben, in den beiden Folgejahren dann 20 beziehungsweise 10 Prozent. Erst ab dem vierten Jahr wären Migranten dann Einheimischen steuerlich gleichgestellt. Soll für bestimmten Teil des Bruttos gelten, mit Unter- und Obergrenzen, aber in vorgeführtem Rechenbeispiel hat einer schon mal über 1000 Euro mehr im Jahr. Proteste z.B. von BSW. Auch die Linke und die AfD sind dagegen. Letztere, weil sie es für „Inländer-feindlich“ hielten, was dem Artikel nach nicht der Fall sei. Faktencheck-artig lange Darlegung, warum es für alle gerecht und sinnvoll sei. focus.de, 8.7.
Der Artikel hat über 1000 Kommentare, im Vergleich zu sonst meist vielleicht 200. Beim Durchscrollen alle verzweifelt oder voller Fragen.

Unser „Way of life“.

2024

10. Juli

Deshalb ist's ja so schwer überhaupt über links und rechts zu diskutieren, die wissen ja gar nicht mehr, was das ist! Die meinen ja wirklich, wenn man eben beispielsweise eben für flexible Arbeitsmärkte eintritt, und wenn man eben für flexible Renten und was weiß ich alles eintritt, das sei alles dann links! Und diejenigen, die eben sagen, ja, wir wollen ein Auskommen, Sozialstaat, die wollen zurück in die achziger Jahre. Nein, manches ist auch wirklich zu bewahren. Zu bewahren ist die Menschenwürde, und die verlangt, dass alle so gestellt werden, die etwas leisten, dass sie ein auskömmliches Leben haben. [...] Schon die alten Griechen, die die Polis, die Stadtdemokratie aufgebaut hatten, sie wussten, eine Gesellschaft ist nur dann demokratisch, wenn sich die Interessen der Mehrheit durchsetzen, und genau an dem Punkt sind wir jetzt. Guckt euch die Demonstrationen an, die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung setzen sich nicht mehr durch in unserer Gesellschaft, und deshalb steht unsere Demokratie auf dem Prüfstand. Ich wiederhole: Eine Gesellschaft, in der sich die Interessen der Mehrheit nicht durchsetzen, ist nicht demokratisch! [...] Wenn sich Vermögen zu sehr konzentrieren, wird Demokratie unmöglich, weil zu sehr Politik gekauft werden kann.
Oskar Lafontaine auf dem 1. Parteitag des BSW, 27.1. BSW, youtube

2024

11. Juli

Kinder-Sorgen

Schönes Sonnensegel-Sommerfest in Brandenburg. Die eröffnete Ausstellung von Kinderbildern, Zeichnungen, Kollagen, beschäftigt sich mit der Medienwelt: Harry Potter immernoch so angesagt wie vor über 20 Jahren, Phantasy im Vordergrund, aber die Invasion des korrupten Ministeriums in die Hogwarts-Schule, die Abgeordnete Umbridge als Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste, eine Art Zeitenwende und Gleichschaltung, aus kritischer friedens- und freiheitsliebender Perspektive fantastisch geschildert, wird keinem Harry-Potter-Leser entgangen sein. Theater im Freien: Witzige Vorführung über Mobbing, Missverständnisse oder verschiedene Perspektiven. Satire von Alltagsbeobachtungen mit wahrem Kern, aus dem Leben gegriffen. Und ernste Wünsche: Kinder wünschen sich eine Welt in Frieden, ohne Kriege und Gewalt. Wird Erwachsenen mulmig, wenn nicht ganz schlecht, wenn Kinder sich um Erwachsenen-Wahnsinn sorgen und von Verantwortung reden. Als meine Generation Kind war, haben wir's auch so gelehrt bekommen, und unsere Eltern, als die Kinder waren, auch schon. Woher kommt diese Politik, die das Gegenteil tut von dem, was jedes Kind lernt? Sebastian Block und die Kindergruppe AUTSCH! haben in der alten Lateinschule schon den ganzen Winter über jeden Montag die Stücke eingeübt: „Wir wollen Fußball spielen, Blumen gießen, zaubern und mit Pfeilen schießen, Dinos streicheln, fliegen lernen, auf Raketen zu den Sternen“ und dann, mal leise und bittend, mal lauthals, klatschend und stampfend, dass die Decke über dem Druckraum gebebt hat: „Wir woll'n eine Welt ohne Kriege, ohne Monster, Ganoven und Diebe, wo man auch hinzieht, wächst Liebe, überall...“ Ich denke an Rolf Zuckowski zu meiner Kindheit. Über Jahre etwa täglich, so muss ich wohl jeden Song insgesamt locker 1000 mal gehört haben, Lieblingssong „Ich schaff' das schon, ich schaff' das schon, ich schaff' das gaaaanz alleine...“, begleitet ein Leben ernsthaft, vielleicht sogar noch bis 80 im Sterbebett. Würde wissen wollen, welche Schule Baerbock besucht hat, welche Kindersongs gehört. „Es braucht Waffen mit Reichweite“ Baerbock. tagesschau.de Wenn ein Kind einen Stock oder Steinchen wirft, Erwachsenengeschrei: „Wenn da ein Mensch steht und das an den Kopf kriegt!“ Im Fernsehen II.-Weltkrieg, Panzer schießen, war ich als Kind erschrocken: Wenn da ein Mensch steht und das an den Kopf kriegt! Aber da soll es so sein. Und heute gibt es wieder Nachrichten, die zeigen, wie schön unsere Nato-Panzer schießen können, und wird auf Leute gezielt, die man nie kennen gelernt hat.

Vor einem Jahr, als wir klein Emil vom Kindergarten abgeholt haben, erzählte er aufgeregt von Krieg und Ukraine. Neulich wollte er wissen: Und wer war die Ur-Oma? Und die Ur-ur-Oma? Und weil man dann nach Ostpreußen und Schlesien kommt, und dass Krieg war – „Wo war Krieg“ – ein Weltkrieg, in Ostpreußen besonders schlimm, dann wird der Kleine nachdenklich und sagt, dass er jetzt ganz traurig sei. Muss man als Erwachsener schnell ablenken.

Ketzerfragen

Offiziell ist Politische Bildung (Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung) eher Baerbock-mäßig. politische-bildung-brandenburg.de P.B. beruft sich z.B. verschiedentlich auf die Amadeu-Antonio-Stiftung oder Faktenfinder-Teams der Tagesschau gegen sogenannte „Desinformation“. Und richtet sich gegen Populismus, worunter sie folgendes versteht: Populismus ist eine antipluralistische und damit im Kern undemokratische Ideologie und ein Stil der Politik, die einen vermeintlich homogenen Volkswillen („Wir sind das Volk“) konstruiert. Diesem Volkswillen stünden korrupte liberale Eliten („die da oben“) gegenüber.
Wobei Begriffe, soweit ich's lese, nie geklärt werden.
Informare = in und Form, einformen, einprägen, einer Art (Roh)masse eine Gestalt geben, Bilden, heißt, es gibt einen Gestalter und den Gestalteten, ersterer formt letzterem etwas ein. Ein Kind, wie ein Rohling, wird erzogen, gebildet. Menschen-Gestaltung mit Absicht und Ziel. Dabei hat einer dies zum Ziel, der andere das. Aber „Des“-Information, was soll das sein? Gewissermaßen ein Unwort, denn wer auch immer seinen Stempel aufdrücken will, der informiert. Vom Wort her ja nicht auf Wahrheit bezogen und nicht neutral, sondern aus einer Perspektive heraus. Aus bestimmter Perspektive sagt der eine Informator (Einformer) zu der Gestaltgebung des andern Informators, der betreibe eine falsche Information, eben eine andere als ersterer will, und nennt's „Des“information. Einer ist für den anderen Desinformator. Wie Mama und Papa, die sich uneins sind, wie man das Kind erzieht. Unsere Erzieher sind in dem Fall die Tagesschau, Baerbock usw. Unsere Perspektive und Einprägung ist: Wir haben eine Demokratie, die sei so gut, dass man („Des“-)Informationen, also was andere Länder mit anderen Ansichten uns einformen wollen, nicht hinnehmen könne. Weltweit müssen unsere Informationen herrschen, das seien die wahren. Aber wie wollen wir das vereinbaren mit unserer Abscheu vor Weltherrschern und was ist daran unser gepriesener Pluralismus? Und wenn Erzieher andere Schützlinge bevorzugen (Baerbock: „Egal, was meine deutschen Wähler denken,...“), ist es nicht verwunderlich, dass die Verlassenen ein gewisses Misstrauen gegenüber den Informatoren entwickeln. Aber bin gar nicht sicher, ob solche Fragen in der Schule erlaubt sind.

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17. Juli, Verbotene Sprüche

„Meine Söhne geb' ich nicht.“

In den letzten Tagen ist's mehrfach vorgekommen, dass im Umfeld über Politik gesprochen wurde – Bekannte, Kollegen. Hier über Israel und Palästina, dort über Deutschland gegen Russland. Ersteres fand aus Zeitgründen noch gar nicht ins Online-Tagebuch, obwohl wir privat viel darüber reden. Schreibe ich noch.

Gestern ein Kollege zur Kollegin: „Meine Söhne geb ich nicht. Ne?“ Und zeigt ihr was am Handy. Die Kollegin mit zustimmendem, aber sprachlosem Gesicht. Kollege noch mehrmals: „Meine Söhne geb ich nicht.“ Beide nicken sich zu, Stimmung wie etwas Verbotenes, Geheim-Code. „Reinhard Mey?“ frage ich. In allen brodelt's. „Erinnert sich kaum noch wer dran“, meine ich. Vielleicht gilt's schon als Volksverhetzung oder sowas. Obwohl, könnte es sein, dass eine Mehrheit so denkt, und man es nur nicht bemerkt?

Will mir den Song zu Hause anhören, aber zu aufwühlend, als wenn jemand gestorben wär'. Eine Idee ist gestorben. Mache nach paar Sätzen wieder aus. Bis vor Kurzem habe ich ihn ohne zu große Übelkeit ständig in meinen ITunes gehört.

„Ostflanke“, „Ostwall“

Um die Ostflanke zu sichern. Im Kriegsfall sind massive Truppenverlegungen über A2 geplant n-tv.de, 17.7.
Die A2 wurde Gebaut zur Zeit des Nationalsozialismus als Hauptstrecke im Reichsautobahnnetz wiki, Bundesautobahn 2 Der Wiki-Artikel klärt uns darüber auf, dass es keine Nazi-Sache sei. Planungen gab es in den 20ern, die NSDAP hätte die Bahnen gar nicht gewollt: Obwohl die NSDAP den HaFraBa-Plänen ablehnend gegenüberstand und sie als „Luxusstraßen für Reiche“ verunglimpfte, war eines ihrer ersten Vorhaben nach der Machtergreifung im Januar 1933 der Bau ebenjener Straßen. Vorrangig wurde begründet, durch den Autobahnbau Arbeitsplätze zu schaffen [...] Trotzdem wurde propagandistisch verkündet, dass die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler die eigentlichen „Erfinder“ der Autobahn seien. Ebd. Bzw. soll heut keiner sagen, die Truppenverlegungen über Autobahnen seien ein Anschluss an die Nazizeit?

Ich wälze Alfred Rosenberg durch, Tagebücher von 1934 bis 1944. Vokabeln: Ostwall, Wende, Haltung, Werte... Zusammenarbeit mit der Ukraine gegen Russland. Führen wir heute den Rosenberg-Krieg?
„Alles für Deutschland“ ist noch nicht aufgetaucht, „der Führer“ hat's noch nicht gesagt, Himmler nicht, der auch von allen Nazis verabscheute Goebbels mit seiner Propaganda nicht,... aber bin noch nicht durch, dickes Buch.

„Alles für Deutschland“

Hoecke jedenfalls wurde verurteilt: Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland, weil letzteres eine typische Nazi-Parole sei. Es sei weder nachvollziehbar noch glaubhaft, dass Höcke nicht gewusst habe, dass die Parole verboten ist, erklärte Staatsanwalt Benedikt Bernzen. Höcke studierte in den 1990er-Jahren Geschichte und Sportwissenschaften für das Lehramt. tagesschau.de, 14.5..
„Darf ich schreiben, dass du es auch nicht präsent hattest?“, frage ich Christoph. „Versierte Leser von Dokumenten und Tagebüchern aus der Zeit hatten diese Parole nicht präsent. Aber du weißt, dass es verboten ist, wenn man sowas nicht weiß? Steht nachher Polizei vor der Tür?“ Christoph stutzt: „Aber, nein anders! So musst du schreiben: Ich habe sehr wohl präsent, dass diese Parole nicht verbreitet gewesen ist. Hoecke ganz schwach in der Hinsicht, der hat keine Ahnung!“ – Aber ist diese Meinung, sei sie Irrtum oder nicht, nicht noch verbotener, als dass man es nicht weiß?
Staatsrechts-Professor Rupert Scholz findet den Höcke-Prozess „lächerlich“. Er habe „auch nicht gewusst“, dass „Alles für Deutschland“ von der SA benutzt worden sei. weltwoche.de, 20.4. Als Jurist (Professor) webarchiv.bundestag.de kannte er nicht die Parole auf der Verbotsliste? Seit wann ist die Parole auf der Verbotsliste? Aufgrund welcher Statistik ist sie als Nazi-übliche Parole gewertet, wenn man ihr beim Nazi-Bücherlesen erstmal nicht begegnet?
(Rupert Scholz war CDU-Minister, aber gebe ich ihn in der Suchleiste ein, schlägt die Auto-Ergänzung vor Rupert Scholz AfD, Rupert Scholz Compact,...)

Jemand musste E. verleumdet haben

Um 6 Uhr klingelten Beamte an Elsässers Haustür vor den Toren Berlins, der 67-Jährige öffnete im Morgenmantel. Ein Duzend Polizisten umringen ihn, schwer bewaffnet, mit schwarzen Gesichtshauben vermummt. Die Presse ist direkt dabei, mit angerückt, und liefert uns die Fotos, wie Elsässer von vermummter, schwer bewaffneter Polizei früh um 6, bevor er sich angekleidet hat, raus geklingelt wird. Ist er ein Mörder? Massenvergewaltiger? Auf frischer Tat? Nein viel schlimmer:
Faeser verbietet rechtsextremes „Compact“-Magazin n-tv.de, 16.7.
Prorussische Propaganda, Pro-AfD-Kampagnen und Revolution von rechts: Das Bundesinnenministerium hat am Dienstag – wenige Monate vor den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern – das Medienunternehmen Compact des rechtsextremistischen Publizisten Jürgen Elsässer verboten. [...] In Brandenburg waren mehr als 200 Beamte der Landespolizei und der Bundespolizei im Einsatz. Sie durchsuchten acht Wohnungen und Büros, darunter auch in Werder (Havel), Panketal und Groß Kreutz. Mit 200 Schwerbewaffneten 8 Wohnungen, von einem Schriftsteller. tagesspiegel.de, 16.7.

Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet [...] „Wer sind Sie?“ fragte K. und saß gleich halb aufrecht im Bett. Den Kafka werden sie dir auch bald verbieten, meinte Christoph mal zu Corona.

Compact

Vor Monaten hatten wir ein Compact-Magazin in der Hand (Ausgabe 4/2023), von Bekannten über 3 Ecken, die es aus missionarischem Eifer herum gereicht haben. Darin z.B. Historisches über die Querfront, dass sie seit den 1920ern links sei und wir sie wieder bräuchten.
Elsässers Traum. EINE QUERFRONT MIT WAGENKNECHT [...] die beiden kennen sich tatsächlich gut. Jürgen Elsässer bezeichnete sich selbst früher als links. Er und Wagenknecht schrieben 1996 sogar gemeinsam ein Buch: „Vorwärts und vergessen? Ein Streit um Marx, Lenin, Ulbricht und die verzweifelte Aktualität des Kommunismus“. Aus dem gleichen Jahr, also 1996, stammt auch ein Interview mit Wagenknecht, das im November 2022 im Compact-Magazin wiederveröffentlicht wurde. belltower.news, 29.11.22

Schlimme Demos (2023)

Vor der Wagenknecht-Demo ist im Vorfeld gewarnt worden:
An diesem Samstag bietet sich nun für viele Rechte eine willkommene Gelegenheit. Die bekannte Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer mobilisieren am Brandenburger Tor in Berlin zu einem „Aufstand für den Frieden“. tagesspiegel.de, 25.2.23 Schon vorher stand der Chefredakteur des extrem rechten „Compact“-Magazins bei einer Demo während der Münchner Sicherheitskonferenz auf der Bühne und rief: „Einen Finger kann man brechen. Aber fünf Finger sind eine Faust. Wir brauchen die Querfront für den Frieden.“ Neben Linken und Rechten denkt er dabei an das Milieu der Querdenker-Bewegung. Ebd.
Wagenknecht und die Rechten: Altlinks oder neurechts?
Sahra Wagenknecht ist es gelungen, sich das Label „Friedensbewegung“ ans Revers zu heften. Rechte lieben die Linken-Abgeordnete dafür.
taz.de, 2023
Bekannte prorussische Desinformationskanäle sowie der russische Staatssender RT teilen Petition und Demoaufruf. Auch der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla warb auf Twitter für die Petition, ebenso wie das rechtsextreme „Compact“-Magazin. tagesschau.de, 14.2.23

„AMI GO HOME“: Das Rechte „Compact“ Magazin ruft zur Großdemo auf! [...] Bis zu 15.000 Teilnehmer werden zu der Kundgebung erwartet, bei der rechte Gruppierungen wie die Freien Sachsen, die Thüringer Patrioten, der „Compact“ und die AfD nach eigenen Angaben für „Frieden, Freiheit und Souveränität“ protestieren und auf die Straße gehen wollen.
Tatsächlich richtet sich die Demo gegen die Politik der USA. Bei seiner Ankündigung hatte Elsässer behauptet, Amerika habe Deutschland besetzt und unterdrückt. Darüber hinaus machte er es für die Sprengung der russischen Ostsee-Pipelines verantwortlich und betitelte dies „als ersten Kriegsakt gegen Deutschland seit 1945“
sachsen-fernsehen.de, 23.11. Wie wir die Demo erlebt haben, Siehe mein Corona-Tagebuch S.316 corona.lydia-lander.de

Vgl. Oskar Lafontaine Ami, it's time to go home.

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20. Juli, Ein Attentat

13. Juli. Auf einer Dorfwiese, auf weitem kahlen Feld, weiße, Container-artige Häuser, Bühne und Pult. Trump hält eine Rede, Publikum steht vor und hinter ihm und hält Fan-Plakate hoch. Sicherheitsleute in Rüstung und Waffen stehen verteilt. Etwas am Rande erscheint ein Unbekannter mit großem Gewehr und klettert auf ein Dach als Schießstand auf Trump. Wie er das gemacht hat? Ich stell' es mir so vor: Er erkundet die Lage, also geht zwischen Leuten und Polizei mit großem Gewehr herum, was keinen stört, und findet zufällig ein Hausdach unbewacht. Nein, oder der kennt sich aus, der weiß Bescheid, und klettert ohne Aufsehens gleich aufs Dach – Nun doch, und das gibt's auf Videos: Leute bemerken ihn, wie er aufs Dach klettert, und rufen minutenlang den Wächtern zu, die aber irgendwie nicht reagieren. Der Schütze positioniert sich relativ in Ruhe und schießt. Trump duckt sich herunter, taucht auch gleich wieder auf und hält sich ein blutverschmiertes Ohr, ein paar Blutspritzer im Gesicht, wird von Sicherheitsleuten gestützt. Das Publikum hat sich kurz auch geduckt, manche sind mit Schild so stehen geblieben, nicht lang, vielleicht 15 Sekunden, richten sich auch dort alle wieder auf. Jemand ist erschossen worden, und paar wurden verletzt, was kein Video oder Foto eingefangen hat, und wir nicht sehen, aber hinterher aus den Nachrichten erfahren. wikipedia.org, Attentat auf Donald Trump Wir wissen also, dass da ein Toter liegt, der scheint aber für die Anwesenden wie unsichtbar. Der Leser wird denken, die Leute sehen sich um, woher das kam, oder machen sich aus dem Schussfeld, aber nein, Die Menge steht exponiert weiter so da, auch ohne sich schockiert untereinander auszutauschen, guckt zur Bühne und zückt Handys zum Filmen. Wir sehen, dass Sicherheitsleute in Anzügen sich um Trump scharen, Reporter rennen herbei für tolle Bilder, auch keine Angst so im Schussfeld. Trump sagt: „Ich brauche meine Schuhe.“ – „Ich hab sie, Sir“, antwortet Security – „Ich brauche meine Schuhe.“ – „Achtung, Ihr Kopf blutet. Sir, Sie müssen nach vorne.“ – „Ich brauche meine Schuhe.“ – „Da sind sie, Sir.“ Trump lässt sich aufrichten, sagt „Wartet, wartet!“, schüttelt die Faust, ruft drei mal: „Fight! Fight! Fight!“ und wird unter Jubel, sich als Sieger gebärdend, von Sicherheitsleuten von der Bühne eskortiert. Von den Schüssen bis dahin gerade einmal eine Minute! Zum Jubeln entschieden sich Trump und die Menge schon nach 40 Sekunden.
Der Spiegel, youtube.com,
Mark Friedrich Zusammenschnitt und Kommentar, Attentat auf Trump: Millimeter vor einem Bürgerkrieg youtube.com

Mark Friedrich bemerkt, dass Qualitätsmedien von einem „Zwischenfall“ sprechen, z.B. Tagesschau:
In den USA hat es bei einer Wahlkampfveranstaltung von Ex-US-Präsident Trump in Pennsylvania einen Zwischenfall gegeben. Es ist die Rede von Schüssen gewesen, die gefallen sein sollen. Der republikanische Präsidentschaftskandidat hob eine Faust, während er vom US-Geheimdienst zu einem Fahrzeug eskortiert wurde, wie Videoaufnahmen von der Veranstaltung zeigten. Das Material zeigt Blut an seinem Ohr und Scharfschützen auf einem Dach in der Nähe der Bühne, auf der Trump gestanden hat. Mark Friedrich Ebd.
CNN soll berichtet haben, Trump sei während einer Veranstaltung hingefallen. Wenn man recherchiert, sprechen jetzt aber doch alle, auch der Spiegel, von einem Attentat.

Turbulente Reaktionen

Dass Trump selbst Schuld sei: Donald Trump spricht in seiner ersten Rede erstmals über das Attentat. Von Läuterung aber keine Spur, sagt SPIEGEL-Korrespondent Marc Pitzke: Sein Auftritt zeigt, dass er es nicht ernst meint mit der landesweiten Versöhnung. spiegel.de, 19.7.
Trumps Anhänger werden weiter aufgepeitscht. Dabei haben sie die Gewalt selbst gesät. In der Wissenschaft nennt sich das affektive Polarisierung: Gegenseitige Verachtung, bis zum Hass. Daraus folgt: Wer Gewalt sät, wird Gewalt ernten. [...] Trump ist in dieser neuesten Episode politischer Gewalt der Leidtragende. Somit wird er bei einigen Menschen Sympathiepunkte erhalten – was sich dann auch in den Umfragen zeigen wird. Eigentlich sollten sich die Wähler fragen: Wer ist schuld daran, dass die Lage so eskaliert? Nach meinem Eindruck sind es vorrangig die Republikaner. Deshalb muss man eigentlich zu dem Schluss kommen: Trump hat diesen Sympathiebonus nicht verdient. Politikwissenschaftler Thomas Greven, wiwo.de, 15.7.

Dass Trump jetzt Sieger sei: Trump, das Opfer. Trump, der Kämpfer. Trump, der Sieger derstandard.at, 14.7.
Attentat auf den US-Präsidentschaftskandidaten: Der Sieger heisst momentan Trump nzz.ch, 14.7.

Dass es Kalkül sei? „Das Timing ist kein Zufall“ [...] Es war vor der offiziellen Nominierung quasi die letzte Chance, ihn aus dem Spiel zu nehmen. Politikwissenschaftler Thomas Greven, wiwo.de, 15.7.

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22. Juli, Wunder

Trump fällt das selbe auf wie uns: das merkwürdige Verhalten der Sicherheitsleute, und auch des Publikums.
In einer Bewegung ließ ich mich zu Boden fallen. Es flogen immernoch Kugeln, als sehr mutige Secret-Service-Agenten auf die Bühne stürmten – und das taten sie wirklich! Sie stürmten auf die Bühne... Publikum mit Tränen in Augen klatscht Beifall. Das sind großartige Leute, die ein großes Risiko eingehen, das kann ich euch sagen. Und sie warfen sich auf mich, damit ich geschützt wäre. Er beschreibt das Wunder, dass er in der Sekunde, wo die Kugel flog, den Kopf etwas gedreht hat, sodass sie nur sein Ohr streifte, sonst wäre er jetzt tot. Er habe gefühlt, dass Gott bei ihm sei. Ergriffener Applaus. Aber das eigentlich Wunderbare sei die Reaktion des Publikums:

Aber das unglaublichste, was an jenem schrecklichen Abend in der untergehenden Sonne geschah, haben wir tatsächlich danach gesehen. In fast allen Fällen, wie Sie wahrscheinlich wissen, wenn auch nur eine einzige Kugel abgefeuert wird, nur eine einzige Kugel, und bei uns wurden viele Kugeln abgefeuert, rennen die Menschenmengen zu den Ausgängen oder geraten in Panik. Aber nicht in diesem Fall! Das ist sehr ungewöhnlich. [Publikum applaudiert ergriffen] Diese riesige Menschenmenge von Zehntausenden stand da und bewegte sich keinen Zentimeter. Tatsächlich standen viele von ihnen mutig, aber automatisch auf und schauten, wo der Scharfschütze sein könnte [Letzteres würde man erwarten, aber in Videos sehen sie keineswegs herum] Sie wussten sofort, dass es ein Scharfschütze war, und begannen dann, auf ihn zu zeigen. Das können Sie sehen, wenn Sie auf die Gruppe hinter mir schauen. [Eigentlich nicht] Das war nur eine kleine Gruppe im Vergleich zu den Mengen vor mir. Niemand rannte und indem kein Massensturm ausbrach, wurden viele Leben gerettet. Aber das ist nicht der Grund, warum sie sich nicht bewegten. Der Grund ist, dass sie wussten, dass ich in sehr ernsthaften Schwierigkeiten war, sie sahen es, sie sahen mich fallen, sie sahen das Blut und dachten – tatsächlich die meisten – ich sei tot.

Anschließend erklärt er, warum so viel Blut an seinem Ohr gewesen sei. Das sei, da gebe es eine interessante Statistik, weil man an Ohren besonders stark blutet. Jetzt, wo er's sagt, hat es eigentlich weiter geblutet, nachdem es einmal dran war?
Dann habe der Secret Service den Attentäter erschossen, was Trump so ausschmückt: Der Täter habe mit vielen Kugeln sein Ziel verfehlt, der Secret Service aber, aus viel größerer Distanz, und mit nur einer einzigen Kugel, habe den Täter sofort getötet. Den Toten und die Verletzten im Publikum erwähnt er nicht, sondern fügt sofort pathetisch hinzu, er, Trump, hätte eigentlich gar nicht mehr unter den Lebenden sein sollen. Menschenmassen rufen im Takt Yes you are! Yes you are! - Doch, du sollst! Trump lächelt sehr, sehr selbstzufrieden, meint noch mal, er hätte tot sein sollen, aber: Es sei die Gnade des Allmächtigen Gottes. Wieder schallender Jubel. Trump erzählt, wie er die er die Faust gereckt habe: Fight! Fight! Fight! Die Menge ruft synchron Fight! Fight! Fight! Fight!... mit erhobenen Fäusten. Und wie seine geballte Faust hoch gereckt gewesen sei und die Leute lauter gejubelt hätten als je,... Donald Trump recalls attempted assassination shooting at rally | LiveNOW FOX, youtube.com, 20.7.

Für Deutsche ziemlich befremdlich,... werde die Rede später weiter hören.

Im Netz wird viel gerätselt, was genau in Videos zu sehen ist, und wie zu deuten.

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25. Juli

Heldentum

Ich höre die Trump-Rede weiter, wo ich letztens abgeschaltet habe.
Er gedenkt innig des Erschossenen aus dem Publikum, der zwei Verletzten und ihrer Familien. Sie seien alle unglaublich hervorragende Menschen. Der Tote sei von Beruf Feuerwehrmann gewesen. Als die Schüsse gefallen seien (innerhalb von Millisekunden nacheinander), habe er sich in die fliegenden Kugeln hinein vor seine Frau und zwei Töchter geworfen als lebender Schutzschild, und dabei sein Leben geopfert. Publikum applaudiert ergriffen. Die Kamera schwenkt herüber zu einem Kleiderständer mit Feuerwehr-Uniform und -Helm, wir nehmen an, genau die originalen des Verstorbenen, die er im Dienst immer getragen hat. Trump stellt sich dahinter, legt ihm von hinten die Hände auf die Schultern und küsst den Helm, geht etwas seitlich herum und sieht ihn an, wie einen ins Leben Erweckten, oder sehr präsent Erinnterten und dankt der Familie und der Feuerwehr, dass sie die Dienstkleidung gesendet haben. Es seien Millionen von Dollars als Entschädigung für die Familien ausgestellt. Kurzes Schweigegedenken. Trump führt fort: Es sei eine große Heldenhaftigkeit, sich für das Leben anderer einzusetzen, das würde Amerika stark machen und das sei, was Amerika brauche. Er sei jetzt entschlossener als jemals, und so auch alle hier...

Keine Überraschung

Die USA werden ab 2026 Langstreckenraketen und Marschflugkörper in Deutschland stationieren. Damit soll Russland abgeschreckt werden. zdf.de, 11.7. Die Hyperschallrekete reicht weit über Moskau hinweg. Atomwaffen sind in Deutschland, Holland, Belgien und Italien stationiert. Weil nun offenbar viele überrascht sind: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bestätigte am Donnerstag in Washington, dass „diese Entscheidung lange vorbereitet“ und „für alle, die sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigen, keine wirkliche Überraschung“ sei. [...] die US-Waffen werden nicht auf unbegrenzte Zeit in Deutschland bleiben. Für Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist damit klar die Erwartung verbunden, „dass wir selber investieren in die Entwicklung und Beschaffung von derartigen Abstandswaffen“, sagte Pistorius an diesem Donnerstag im Deutschlandfunk. Die Verlegung durch die USA werde „uns genau die Zeit geben, die wir dafür brauchen.“

In der Mitte des Artikels kommt nebenbei klein eingefügt, dass Nato-Soldaten früher dagegen protestiert haben. „Nato-Soldaten sagen No!“ Trotz Verbot nehmen Bundeswehrsoldaten in Uniform an einer Großdemonstration am 22. Oktober 1983 im Bonner Hofgarten teil. Davon heut nichts.

Was sagt unser Kanzler dazu?

Der Kanzler begrüßt die Entscheidung der USA, wieder Langstreckenwaffen in Deutschland zu stationieren. Sie füge sich „im besten Sinne“ in die deutsche Sicherheitsstrategie ein. berliner-zeitung.de, 12.7.

Nochmal: Die USA werden... und Der Kanzler begrüßt die Entscheidung der USA. Die USA entscheiden?

Unser Bundeskanzler, der einen Eid abgelegt hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, verkündete Mittwoch vergangener Woche im Handstreich von der Hauptstadt des Großen Bruders aus, man habe beschlossen, [man!] unser Land und dessen gesamte Bevölkerung – mehr als 84 Millionen Menschen – in Geiselhaft zu nehmen, sprich: sie im Krisen- und erst recht im Kriegsfalle zur Zielscheibe gegnerischer Präventiv- oder Vergeltungsschläge zu verwandeln! (Und dies verkaufte er uns auch noch fröhlich als „Erhöhung der Sicherheit im besten Sinne“.) [...] Waffensysteme, mit denen von deutschem Boden aus Moskau, St. Petersburg und andere Städte im Westen Russlands attackiert sowie gegnerische Kommandostellen, Bunker und Radaranlagen pulverisiert werden können. [...] nach wie vor gilt der brandgefährliche Selbstzündungsmechanismus: „Rampen für Raketen sind Untergangsmagneten!“ nachdenkseiten.de, Nachrüstung 2.0 im Handstreich – oder: Eine neue Friedensbewegung, jetzt oder nie!, Leo Ensel, 20.7.

Und Russland?

Noch vor weniger als fünf Jahren wären diese Maßnahmen laut dem 1987 von Michail Gorbatschow und Ronald Reagan unterzeichneten (und im Februar 2019 von Donald Trump gekündigten) INF-Vertrag, der uns über 30 Jahre lang vor einem Atomkrieg in Europa bewahrt hatte, verboten gewesen. Die Antwort aus Moskau ließ nicht lange auf sich warten. Drei Tage später kündigte Kremlsprecher Dmitrij Peskow entsprechende Gegenmaßnahmen an und sagte wörtlich: „Wir haben die Kapazitäten, diese Raketen in Schach zu halten, aber die potenziellen Opfer sind die Hauptstädte dieser europäischen Länder.“ – Man sollte diese Äußerung bitterernst nehmen! nachdenkseiten.de, Ebd.

Der hat aber angefangen!

„Russland hat bereits 2016 in Kaliningrad Iskander-Systeme installiert, die Nuklearsprengköpfe tragen können. Das Lager für selbige wurde von 2016 bis 2018 renoviert. Schon lange vor der russischen Vollinvasion in der Ukraine 2022 stand also wieder eine russische nukleare Bedrohung für uns im Raum.“ Frank Sauer, Universität der Bundeswehr München. zdf.de, 11.7.

Aber:
Diese Stationierung war die Reaktion Russlands auf die Installierung eines Moduls des globalen US-Raketen„abwehr“systems AEGIS vor der russischen Haustür in Polen, das – man nennt dies „offene Architektur“ – mit einer einfachen Veränderung der Software in ein Angriffssystem verwandelt werden kann. Die jetzige aus Washington angekündigte Maßnahme ist demnach eine Gegenreaktion der NATO auf eine Reaktion Russlands. – Der ihrerseits natürlich eine russische Gegen-Gegenreaktion folgen wird … nachdenkseiten.de, Ebd.

2024

26. Juli, Unsere Demokratie

„Gemeinsam für Vielfalt und Demokratie“

Norbert Häring: Wir erinnern uns: Im Winter 2021/22 waren Demonstartionen gegen die überzogenen Corona-Maßnahmen fast überall verboten, unter dem Vorwand, die Teilnehmer würden sich absehbar nicht an die sogenannten Hygieneauflagen halten. Regierungsgenehme Demos durften stattfinden. Die Menschen trafen sich daher zu unangemeldeten gemeinsamen „Spaziergängen“. Dagegen erließ die schwäbische Stadt Ulm eine FFP2-Maskenpflicht in der gesamten Innenstadt. [Maskenpflicht als Mittel, um Demonstrationen zu unterbinden] Weil diese nicht von jedem Spaziergänger beachtet wurde, „drohte“ die Stadt den potentiellen Spaziergängern in einer Allgemeinverfügung zur Durchsetzung der Maskenpflicht „Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch an“. [...] Fast genau zwei Jahre später hat exakt dieses Politestablishment in Ulm und um Ulm herum ein Bündnis „Gemeinsam für Vielfalt und Demokratie“ gegründet und eine Petition gestartet mit dem schönen Titel „Gemeinsam für Vielfalt und Demokratie“ um „aktiv für die Verteidigung der Grundrechte (…) einzutreten“. Unterzeichner sind dieselben.
Dazu passend: Sie berufen sich auf die Geschwister Scholl, aber ersetzen Gewaltstaaten durch Gewalttaten: Im Flugblatt der Scholls hieß es:
Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten, das sind die Grundlagen des neuen Europa.
Die Politiker schreiben jetzt: Im 5. Flugblatt der Weißen Rose heißt es: „ [...] vor der Willkür verbrecherischer Gewalttaten [...]
Gewalttaten, also nach gewohnter Assoziation ja Ungeimpftsein oder Ablehnung von Waffenlieferungen.
Forderungen der Petition: Wahlen wie die Europawahl im Juni 2024 dürfen nicht zu Protestwahlen werden.
Häring: So sehr Euch auch die abgehobene, militaristische, konzernfreundliche und bürgerfeindliche Politik der Regierung und der loyalen Opposition missfällt, wählt sie trotzdem, der Demokratie zuliebe! norberthaering.de, 11.2.24

Interessant dazu: Ulms OB Czisch nennt die Unterstellung, seine Gewaltdrohung könnte ernst gemeint sein, „blanker Unsinn, Hass und Hetze“ norberthaering.de, 1.2.22

OB von Ostfildern, Christoph Bolay twitterte selbige Drohung, Waffengewalt anzuordnen. Daraufhin erhielt er selbst seinerseits wiederum Morddrohungen: „Die erste Kugel gehört Ihnen“ bayerische-staatszeitung.de, 1.2.22
Er sei Opfer einer konzertierten Aktion rechtsradikaler Portale, die Fake-News verbreiten, Werner Reichel: Gegen das Vergessen, Rottenburg 2023, Kopp-Verlag, S.6 Reichel zitiert swr.de, welcher Artikel nicht mehr verfügbar ist. swr.de, ostfildern-kein-schiessbefehl-bei-coronademo Aber die Allgemeinverfügung mit der Schießandrohung stimmt sehr wohl, die Polizei hat diesen Auftrag nicht angenommen, bzw. sei ein OB nicht zum Schießbefehl berechtigt.

Hass und Hetze

In vergangenen Jahren soll viel Hass und Hetze verbreitet worden sein, indem man nicht gegen Corona geimpft war. Man war Gefährder, Hetzer, Coronaleugner, Coronagegner, Schwurbler, Aluhut, Verschwörungstheoretiker,...

Coronaleugnerinnen und Coronaleugner müssten konsequent dem rechtsextemen Spektrum zugeordnet werden Georg Maier, Thüringens Innenminister, SPD, 7.6.22, Werner Reichel: Gegen das Vergessen, Rottenburg 2023, Kopp-Verlag, S.6
„Jeder, der ernsthaft heute noch nicht gegen COVID-19 geimpft ist, sollte in Handschellen zum impfen gebracht werden.” Björn Casapietra Deutscher Opernsänger, Moderator und Schauspieler.
„Impfgegner sind Staatsfeinde”, Udo Knapp Politologe und Redakteur taz
„Querdenker müssen sterben!”, Sascha Winkler und Constantin Hochwald Brain’n’Dead Medienagentur
„spaziergangs stoppt man am besten mit diesem spazierstock [Schlagstock]” David Lukas Kohler (Knackeboul) Schweizer Künstler, Moderator, Redaktor beim News Online-Portal watson.ch
Zitatesammlung durch Müller-Ulrich ich-habe-mitgemacht.de

Die Ankündigung des Kopp-Verlags Reichel: Gegen das Vergessen, ebd. ist schön zweideutig: 400 Zitate dokumentieren für alle Zeiten Lügen, Hass und Hetze während der Coronakrise. Denn diese Sammlung der Zitate gegen Ungeimpfte und Hetzer entlarvt die Guten selbst als Hetzer. Sie selbst bemerkten die Ironie, und wo sie bis eben ihre Ansichten weit verbreitet wissen wollten, sind sie nun empört über die Sammlung ihrer Aussagen:
Solche Zitatsammlungen seien Cybermobbing und sollten wiederum bestraft werden: Experte fordert Strafen für Cybermobbing. Doch welches Ziel verfolgen Menschen wie Burkhard Müller-Ulrich mit derartigen Listen? Andre Wolf, Fake-Jäger und Experte für Verschwörungserzählungen, gibt im Gespräch mit dem STANDARD die Antwort: „Silencing. Das ist eine Taktik, um Menschen ruhigzustellen.“ Zitatesammlungen wie diese würden, wie im Fall Maria Kellermayr, zu Verfolgung führen. derstandard.de, 3.8.22 Aber die Geschichte Kellermayr hatte eigentlich überhaupt nichts mit einer Zitatsammlung zu tun. Auch in der Suche von ich-habe-mitgemacht finde ich nichts von Kellermayr.

Müller-Ulrich gilt als rechtsextrem, z.B. unter der Überschrift im Focus RECHTSEXTREMISMUS Hetze und Headlines heißt es: begann Müller-Ullrich gegen einen „grün-links-feministisch motivierten Meinungsterror“ und „Gender-Quatsch“ zu wettern. Im Kontrafunk wird über eine „Gesinnungspolizei“ gesprochen, die die AfD stoppen wolle. „Fußtruppen der Herrschenden“ vergingen sich am Volk. focus.de, 2.2.24

Seit der Zeit sah ich ganz mulmig auf mein Corona-Tagebuch zurück: Hatte dort schon vor Müller-Ulrich und Werner Reichel viele Zitate gesammelt, um Erlebtes zu dokumentieren. Man muss sich klar drüber sein: Das ist Hetze, rechtsextrem, gegen die Demokratie, und – es liegt in der Luft: bald verboten.

Demokratiegegner

Wer bezweifelt, dass wir eine Demokratie hätten, ist gegen Demokratie:
Steinmeier geißelt „Lügen“ der Demokratiegegner
Es ist eine fadenscheinige Lüge, wenn die Gegner unserer Demokratie, wenn Populisten und Extremisten behaupten, es sei heute „genau wie damals, genau wie in der Diktatur“, sagte Steinmeier. „Wer so spricht, der verhöhnt die Opfer des SED-Regimes. Wer so spricht, missbraucht die Namen derer, die damals ihr Leben riskierten.“ www.om-online.de, 16.6.23

Wut auf die Herrschenden ist undemokratisch:
„Gibt bessere Ratgeber als Wut“: Bundespräsident Steinmeier warnt vor Abkehr von der Demokratie tagesspiegel.de, 24.12.23

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